Leserbrief an den Standard

Es ist faszinierend, immer wieder, in Zeitungsberichten oder in der ÖBB-Werbung zu lesen oder zu hören, wie vorbildlich die Bahn bei Reisen behinderter Menschen ist.

Es gibt viele schöne Werbefotos und damit wirde der Eindruck erweckt, daß Bahnfahren für behinderte Menschen eine wahre Wonne ist.

Leider ist dem nicht so. Anläßlich einer Bahnreise von Graz nach Wien, übrigens meiner ersten und letzten für die nächsten Jahre, konnte ich mich von der Vorbildlichkeit der ÖBB überzeugen. Das Ergebnis dieser Bahnerlebnisse läßt sich in einem Satz zusammenfassen: „Behinderte Menschen meidet die ÖBB, es ist fürchterlich mit der Bahn zu fahren.“

Drei Tage vor Antritt meiner Geschäftsreise erkundigte ich mich am Hauptbahnhof Graz, wollte den Bahnrollstuhl anfordern. Die Antwort darauf war: „Wenn Sie einen eigenen Rollstuhl haben, brauchen Sie diesen Rollstuhl nicht.“ Groß war die Überraschung als mir am Bahnhof vor der Abreise erklärt wurde, daß mein Rollstuhl viel zu breit für den Waggoneinstieg sei. Schnell wurde der Bahnrollstuhl herbeigeschafft und ich (80 kg, 1,82 m) auf diesen ca. 65 cm hohen Rollstuhl gehoben und mit mehr oder weniger großen Problemen für die zwei Bahnbediensteten in den Waggon verfrachtet. Ich ersuchte in Graz, den Wiener Südbahnhof über meine Antkunft zu informieren, damit ich dort wieder aus dem Zug gehoben werden.

Leider wurde darauf vergessen, und ich mußte in Wien einige Zeit warten, bis der Schaffner, der zum Glück noch in der Nähe war, von meinen mitreisenden Kollegen informiert wurde und Bahnbedienstete zu Hilfe kamen. Rollstuhl hatten die beiden allerdings keinen mit, und es ist nur meiner physischen und psychischen Stärke zuzuschreiben, daß ich den Transport aus dem Waggon heil überstehen konnte.

Auf der Heimreise wurde ich abermals wie ein Stück Frachtgut behandelt, jedesmal auf dem Waggonboden abgesetzt, da ich ja so schwer bin. Endlich den Grazer Bahnhof hinter mir gelassen, hatte ich genug von der neuen Bahn. Ich möchte keinesfalls die Bahnbediensteten, die wirklich freundlich waren, angreifen. Mein Ärger richtet sich gegen die Verantwortlichen der ÖBB, die, wie auch auf dem Foto im Standard sich selbst und behinderte Menschen eine vorbildliche Bahn vorspielen.

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