“Licht ins Dunkel”: Ist das Spendenformat im ORF noch zu retten?

Seit 50 Jahren lukriert die karitative Kampagne im Österreichischen Rundfunk Spendengelder und finanziert damit “Sozialhilfe- und Behindertenprojekte” in Österreich. Ein Kommentar.

Licht ins Dunkel Plakat und Logo ORF
BIZEPS

Hauptattraktion ist die kitschig inszenierte Weihnachtsgala, bei der Politiker*innen und Prominenz in rührseliger Atmosphäre ihre Barmherzigkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen zur Schau stellen dürfen.

Firmen, die als Spender angeführt werden, können einmal im Jahr unkompliziert und schnell “was für Menschen mit Behinderungen tun”.

Im Zuge der Recherchen zu diesem Kommentar wurden die als Spender angeführten Firmen kontaktiert mit der Frage, ob sie in ihrem Unternehmen Menschen mit Behinderungen anstellen oder die Strafzahlung gemäß Behinderteneinstellungsgesetz zahlen.

Bis auf die Antwort einer Firma, die keine Menschen mit Behinderungen angestellt hat, wollte kein Unternehmen die Frage beantworten.

Doch das quotenstarke Format erfährt seit Jahren starke Kritik von verschiedenen Organisationen von Menschen mit Behinderungen.

Guter Name – gutes Image?

Seitdem ist vor allem ein Wandel in der strategischen Besetzung des Vereins und des Vereinsumfeldes mit Personen erkennbar, die das Image aufbessern sollen.

So wurde 2019 der Ex-ÖVP-Nationalratsabgeordnete Franz-Joseph Huainigg, der selbst eine Behinderung hat, in die ORF-Abteilung des Humanitarian Broadcasting geholt. Das Ressort ist u.a. für die “Licht-ins-Dunkel”-Spendengala verantwortlich.

Huainigg äußerte sich jahrelang lautstark gegen die ORF-Aktion: “Extrem stört mich, wenn zu Weihnachten behinderte Menschen vor die Kamera gezerrt werden und durch Mitleid Spenden gesammelt werden” (Siehe: Interview in der Innsbrucker Kirchenzeitung Tiroler Sonntag 2016) oder in einem ausführlichen Kommentar auf BIZEPS: “Auch die Marke Licht ins Dunkel ist gut eingesessen, aber nicht mehr zeitgemäß: Menschen mit Behinderungen, die im Dunkeln sitzen und auf die lichtbringenden Spender warten, widersprechen dem Selbstbild von Behinderten und auch der UN-Behindertenrechtskonvention.”

Der 2021 überraschend verstorbene Präsident des Österreichischen Behindertenrates muss für einen “Inklusions-Medienpreis” von “Licht ins Dunkel” herhalten, wobei viele Aktivist*innen und Bekannte aus seinem Umkreis bezweifeln, dass dies in seinem Sinne gewesen wäre. Wehren kann sich Herbert Pichler, der von vielen in der Behindertenbewegung für seinen kritischen Geist geschätzt wurde, jedoch nicht mehr.

Seit diesem Jahr gibt es auch einen neuen “Licht-ins-Dunkel” Geschäftsführer: Mario Thaler, der zuvor in der Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz und 14 Jahre bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen arbeitete, versprach in einer Presseaussendung viel: “Licht ins Dunkel” solle in Zukunft stärker mitwirken, dass die Rechte von Menschen mit Behinderungen ernst genommen und umgesetzt werden. Und er setzt noch einen drauf: “Ganz so, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht.”

„Licht ins Dunkel“ bleibt kritikwürdig

Jetzt könnte man sagen: Das ist doch gut! Es ist doch legitim, um ein besseres Image, insbesondere bei Verbänden von Menschen mit Behinderungen und der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, bemüht zu sein.

Ja, definitiv! Die Frage ist nur: Ist “Licht ins Dunkel” noch zu retten?

Wie umfangreich muss die Umgestaltung des Konzeptes sein? Und vor allem: Wie will ein Spendenformat die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärken?

Und genau das ist der Punkt. Die bislang getroffenen Maßnahmen rüttelten nie am konzeptuellen Fundament, das auf Almosen für Menschen mit Behinderungen ausgerichtet ist.

Solange “Licht ins Dunkel” mit Spenden arbeitet, wird das Bild von behinderten Menschen, denen mit Mildtätigkeit geholfen werden muss, weiter einzementiert. Genau dieses Bild ist es auch, das (mit)verhindert, gesellschaftlich anzuerkennen, dass Menschen mit Behinderungen Rechte haben.

Radikale Neugestaltung notwendig

Auch der Unabhängige Monitoringausschuss, der in Österreich die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention überwacht, stellte 2013 fest: “Seit 40 Jahren prägt diese TV-Sendung auch das Bild von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit. Zur Bewusstseinsbildung und für einen Paradigmenwechsel hin zu einem modernen Bild von Menschen mit Behinderung ist eine radikale Neugestaltung von „Licht ins Dunkel“ unabdingbar.“ (Report of the Independent Monitoring Committee for the Implementation of the Convention on the Rights of Persons with Disabilities to the Committee on the Rights of Persons with Disabilities in preparation of the dialogue with Austria in September 2013)

Die kosmetischen Veränderungen in der Darstellung von Menschen mit Behinderungen der letzten Jahre reichten nicht aus, um “Licht ins Dunkel” so zu gestalten, dass keine Kritik mehr nötig ist. Doch niemand möchte das profitable Spendenkonzept hinterfragen und sich stattdessen wirklich der Bewusstseinsschaffung für Menschenrechte und der Bekämpfung von stereotyper und diskriminierender Inszenierung verschreiben.

Eine Reformierung “von innen” durch Expert*innen mit gutem Ruf scheint bislang genauso wenig vonstatten gegangen zu sein, wie die ernsthafte Auseinandersetzung mit den jährlich angeführten Kritikpunkten. Es ist zu bezweifeln, dass sich “Licht ins Dunkel” zum 50-jährigen Jubiläum komplett wandelt.

Rechte statt Spenden

“Licht ins Dunkel” macht zudem deutlich, wie viel Handlungsbedarf noch besteht, damit Menschen mit Behinderungen in Österreich wirklich gleichberechtigt teilhaben und wir das Wort „Inklusion“ in den Mund nehmen können. Entweder Menschen haben Rechte und Rechtsansprüche, die ihnen ein selbstbestimmtes Leben garantieren und die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung stellen oder Menschen brauchen Spenden, die sie erbitten müssen, um möglichst unabhängig zu leben.

Wenn das der Fall ist, ist das ein Armutszeugnis für Österreich. Denn so wird deutlich, dass Menschen mit Behinderungen nicht die Unterstützung bekommen, die sie brauchen und gezwungen sind, sich und ihre Behinderung im Fernsehen fremdbestimmt inszenieren zu lassen, wenn sie “Hilfe brauchen”.

Kommen wir auf die Frage zurück: Ist “Licht ins Dunkel” noch zu retten? Es ist zu bezweifeln. Nur wenn das Spendenkonzept abgeschafft wird, Menschen mit Behinderungen und Menschenrechtsexpert*innen wirklich partizipieren, und zwar auch auf der Inhaltsebene, nur dann besteht eine Chance.

Es wäre wünschenswert, wenn die Sendezeit wirklich für die Belange von Menschen mit Behinderungen genutzt werden würde. Geht man diese zentralen Veränderungen an, wie viel bleibt dann noch über? Von “Licht ins Dunkel” eigentlich nichts, außer der Sendezeit, die man im besten Fall von Weihnachten wegverlegt, weil die Rechte von Menschen mit Behinderungen kein religiöses Sozialengagement sind.

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8 Kommentare

  • Bitte diesen Artikrl in Allen Medien publik machen ! Sehr viele Menschen, die sich eh kaum leisten können und trotzdem oft seit Jahrzehnten spenden aus Freundlichkeit und Empathie solten das erfahren !! das sich die Begünstigten denen Extra Wünsche erfüllt werden dadurch gedemütigt und diskriminiert fühlen! Lieber das Geld für sich selbst oder eigene Familie verwenden in Zukunft und nicht den Undankbaren noch aufdrängen die es gar nicht wollen. Das gehört ganz stark verbreitet! Grundbedürfnisse werden ja ohnehin durch den Staat gedeckt, die Pferde/Delphin Therapie, das extra Fahrrad oder sonst was WILL msn gar nicht u fühlt sich gekränkt statt sich zu bedanken. Seehr arrogante Haltung m.M. nach. Und wir sind denen gaar nix schuldig!! wer erfülllt denn Extrawünsche für Nicht Behinderte? VIELE würden sich über Wellness oder feine teure Behandlung mit Tieen freuen, gerqde wenn nicht behindert, die Wenigstens können sichs leisten. Also soofort einstellen und nimmer Spenden samneln für die feinen Herrschaften die sich noch BELÄSTIGT fühlen dadurch.

  • Vielen Dank für diesen ausgezeichneten Beitrag, den wir auch nach jahrzehntelanger Kritik an LiD wie am ersten Tag brauchen. Es ist wirklich zum Verzweifeln. In den vergangenen Monaten wurde übrigen regelmäßig um ca 5.30 auf Ö1 um Firmen geworben, die bei LiD als Kooperationgspartner mitmachen sollen.

    Ergänzen möchte ich eine Passage aus den Handlungsempfehlungen des UN-Kinderrechteausschusses vom Februar 2020, der sich äußerst besorgt darüber zeigte, dass „Kinder mit Behinderungen in den Medien bisweilen als Wohltätigkeitsempfän-gerinnen und -empfänger und nicht als Trägerinnen und Träger von Rechten dargestellt werden.“ Österreich wurde aufgefordert „Aufklärungskampagnen für die Medien, öffentlich Bedienstete, die Öffentlich-keit sowie Familien durchzuführen, um Stigmatisierung und Vorurteile gegen Kinder mit Behinderungen zu bekämpfen und ein positives Bild dieser Kinder zu fördern.“ Eigentlich bräuchte es eine Verbandsklage o.ä. gegen den ORF wegen der diskriminierenden Darstellung von Kindern mit Behinderungen, die den Kinderrechten widerspricht. Die Nichtdiskriminierung von Kindern mit Behinderungen tät als Kinderrecht sogar in der Verfassung stehen.

  • Stehe voll hinter den Ausführungen! Es ist unglaublich welche Hürden man als Mutter einer autistischen Tochter zu überwinden hat, um halbwegs zu dem Wenigen zu kommen was einem zusteht!
    Manchmal hat man das Gefühl, die Beamten an den vielen verschiedenen Stellen sind nur dazu da um den Betroffenen das Leben noch schwerer zu machen!Man ist ständig Bittsteller!

  • Frau Wahl spricht eine Situation an, die leider absolut zutreffend ist. Eine seinerzeit gute Idee, wird heute absolut dazu missbraucht, um, von sich als Gutmenschen überzeugten Personen, die ihnen hier dargebotene Bühne für ihre Selbstdarstellung zu bieten! Behinderte Menschen werden dazu missbraucht, die Spendenfreudigkeit für Spenden, um die sie selbst dann betteln müssen, zu heben. Richtiger wäre, endlich auf die Umsetzung der von Österreich unterzeichneten UN-Konvention
    zu bestehen, und die Rechte von MmB umzusetzen! Dem Kommentar von Herrn Dr. Hinteregger kann man nur zustimmen! In Zeiten von Corona zeigt sich vieles, was, nicht richtig läuft, so auch hier! Es ist Zeit für die Änderung der Aktion LiD!

  • Frau Wahl spricht die Problemkerne dieser Sendung an, nämlich die Darstellung von Behinderten als erbarmungswürdige Hascherln, denen zu Weihnachten das Licht in ihr Dunkel gespendet wird. Die als arme Schnorrer erscheinen, um die Bereitschaft zum Geldbörserl öffnen zu erhöhen. Die Darstellung von Großkopferten, die ihre Charity am Spendentelefon präsentieren können, um danach zu Kaviar und Champagner bei der Weihnachtsparty zurückzukehren. Ein paar salbungsvolle Botschaften und ein paar großzügig überreichte Großschecks von diversen Firmen, die als Werbespesen bei der Einkommensteuer abgesetzt werden. Die jährliche Verkündigung eines neuen Spendenrekords, den sich die Initiatoren des ganzen Zaubers als Orden an die Brust heften. Die wohltätige und nicht öffentlich kontrollierte Verteilung der Spendenmillionen durch eine Vereinskonstruktion in einem Staat, der sich bislang zu den reichsten Staaten der Welt zählte, der aber offenbar weder willens noch mental fähig ist, seinen behinderten Angehörigen ein würdiges Leben mit bedarfsgerechter Ausstattung zu sichern, eine Schande, die man mit stolz präsentierten Bettelaktionen nur umso deutlicher aus dem Dunkel ins Licht hebt!
    Shame on you, Herr Bundespräsident, shame on you, Damen und Herren Ministerinnen, shame on you, Damen und Herren Abgeordnete, Vertreterinnen des Volks mit Ausnahme der behinderten Menschen. Möget ihr nie in die Lage des Almosenempfängers kommen!

  • Sehr geehrte Frau Wahl,
    dieses gelungene Schreiben müsste bei jeder Wohltätigkeitsveranstaltung
    bis in die kleinsten Gemeinden hinein, für jeden sichtbar aufgehängt werden!
    Vielen Dank dafür!

  • Sehr geehrte Frau Wahl!
    Sie haben leider so recht mit Ihrem Kommentar!

  • Es gebe eh das Vorbild von „Aktion Mensch“ aus Deutschland , das ganze Jahr „läuft“. Aber Licht ins Dunkel ist halt so super für Spender und für die Initiatoren, ergo den ORF.
    Anfangen muss man mit einer Protestaktion – und zwar während der Liveübertragung am 24. Dezember. Dann muss auch zuerst Van der Bellen einsehen, dass das für uns Menschen mit Behinderung so nicht funktioniert und sich zukünftig für diese Tschärity nicht mehr einsetzt.