Löchriges Sozialhilfegesetz

SozialRechtsNetz berichtet vom behördlichen Zwang, Eltern auf Unterhalt zu klagen, damit volle Sozialhilfe anerkannt wird

Problem: Eltern verklagen für Sozialhilfe = Unmenschliche Sozialhilfe
Armutskonferenz

Menschen mit Behinderungen werden in Niederösterreich in die Rolle unmündiger Kinder gedrängt. Volljährige Kinder mit Behinderungen werden gezwungen, ihre Eltern zu verklagen, um Anspruch auf Sozialhilfe zu haben. Das SozialRechtsNetz konnte für Frau Friedel die notwendige Existenzsicherung durchsetzen.

Ausgangssituation Niederösterreich

Frau Friedel (Name von der Redaktion geändert) lebt in Niederösterreich und hat von Geburt an eine 50%ige Behinderung auf Grund derer sie als arbeitsunfähig gilt. Sie wächst größtenteils in einem Heim auf und absolviert auf Grund ihrer kognitiven Einschränkung die Sonderschule.

Frau Friedel kann sich aus diesem Grund nicht selbst den Unterhalt verschaffen. Um dennoch am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, absolviert sie diverse Trainings und eine Jobwerkstatt und besucht ein Jugendcoaching.

Da Frau Friedel nicht für ihren eigenen Unterhalt sorgen kann, ist sie auf die Sozialhilfe angewiesen. Ein entsprechender Antrag von Frau Friedel wird jedoch von der zuständigen Behörde nur zu einem kleinen Teil bewilligt. Bei der Berechnung der Sozialhilfe wird ein Unterhaltsbetrag der Mutter von EUR 383 zum Abzug gebracht, obwohl diese keinerlei Unterstützung leistet.

Eltern verklagen für Sozialhilfe? Menschen mit Behinderungen werden in NÖ in die Rolle unmündiger Kinder gedrängt und müssen ihre Eltern verklagen um Anspruch auf Sozialhilfe zu haben.
Armutskonferenz

Das Niederösterreichische Sozialhilfeausführungsgesetz sieht in § 8 Abs 3 vor, dass Hilfe suchende Personen zunächst alle anderen Ansprüche gegenüber Dritten verfolgen müssen: „Eine Hilfe suchende Person hat Ansprüche gegen Dritte, bei deren Erfüllung Leistungen der Sozialhilfe nicht oder nicht in diesem Ausmaß zu leisten wären, zu verfolgen, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Solange sie alle gebotenen Handlungen zur Durchsetzung solcher Ansprüche unternimmt, dürfen ihr die zur unmittelbaren Bedarfsdeckung erforderlichen Leistungen nicht verwehrt, gekürzt oder entzogen werden.“

Die niederösterreichischen Sozialhilfebehörden schlussfolgern daraus, dass Kinder jedenfalls zunächst ihre Eltern auf Unterhalt verklagen müssen, bevor ihnen Sozialhilfe gewährt werden kann. Frau Friedel erhebt Beschwerde gegen den Bescheid. Im Beschwerdeverfahren muss sie nachweisen, dass sie eine Klage gegen ihre Mutter beim zuständigen Bezirksgericht eingereicht hat.

Sie tut dies schließlich widerwillig, obwohl man ihr beim für das Unterhaltsverfahren zuständigen Gericht die Auskunft gegeben hat, dass die Erfolgsaussichten nicht gut seien und die Situation, zur Klage gegen die eigene Mutter gezwungen zu werden, für Frau Friedel äußerst belastend ist.

SozialRechtsNetz Einschätzung

Das Niederösterreichische Sozialhilfegesetz kann als Negativ-Beispiel österreichweit gelten. Kaum anderswo werden Menschen in Notlage derart schikaniert und weiter in die Armut gedrängt. Frau Friedels Situation beschreibt die Auswirkungen einer besonders zynischen Praxis der Niederösterreichischen Sozialverwaltung.

Hier werden Menschen, die gesellschaftlich ohnehin auf schwierige Startbedingungen treffen, systematisch Hürden in den Weg gelegt. Sie werden von einer Behörde zum nächsten Gericht weitergereicht, und ihnen werden sämtliche unangenehmen Schritte zugemutet.

Ein derartiges System, das für die Schwächsten der Gesellschaft statt Hilfestellung nur Hürdenlauf bereit hält, ist für die Existenzsicherung oder gar einen Weg raus aus der Armut völlig ungeeignet.

Frau Friedel erhält schließlich, mit Hilfe einer Sozialarbeiterin und einer Juristin, nach eingebrachter Klage und einer Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung, Sozialhilfe.

Zusammenfassung:

Der Fall zeigt einmal mehr: Die Niederösterreichische Sozialhilfe verfehlt ihren Zweck, nämlich die Existenzsicherung und versagt jene Unterstützung, um aus der Armut zu kommen, für Menschen in Notlage. Frau Friedel ist in Niederösterreich leider einer von vielen Menschen, die schikanös in ökonomischer Prekarität getrieben werden; auf Grund der geschilderten Praxis werden es mehr und mehr. (Details zu einem anderen Fall hier nachlesen).

Das SozialRechtsNetz unterstützt Fälle, bei denen Menschen zu Unrecht Sozialleistungen verwehrt werden.

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Ein Kommentar

  • In Oberösterreich ist es genau dasselbe! So eine Schweinerei. Oft sind es die selben Eltern die unentgeltlich ihre erwachsenen behinderten Kinder pflegen oder sonst Tag und Nacht unterstützen, die dann auch noch durch einen Unterhalt zur Kassa gebeten werden. Das Pflegegeld (aufgenommen Pfl.G.-Taschengeld) wird für institutionelle oder ambulante Dienste abgeschöpft, die aber nur eine Bruchteil des Notwendigen abdecken. Der Rest der Unterstützung bleibt an der Familie hängen oder es heißt ab ins Heim. Und dafür dann auch noch Unterhalt von den Eltern zu verlangen ist schlichtweg ungerecht! Wann kapieren das auch einmal die Behörden und unsere PolitikerInnen?