Luft und Gummi

Am 14. August 1997 tagte in Bern eine Subkommission der "Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit" des Nationalrates.

Flagge Schweiz
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Auf der Tagesordnung stand der Text der Einzelinitiative Suter zur Gleichstellung Behinderter in der Schweizerischen Bundesverfassung.

Wir waren über die geplanten Abstriche im Originaltext informiert worden. Mehr als hundert Betroffene kamen zu der von uns organisierten Demonstration auf dem Platz vor dem Parlament, um diese „Gummiparagraphen“ abzuwenden.

Wir verteilten Ballons mit der Aufschrift „Grundrechte – auch für Behinderte“ und interviewten während etwa einer Stunde verschiedene Anwesende über Lautsprecher. So sammelte sich schnell eine rechte Menschenmenge an. Dann kam die gesamte Kommission aus dem Parlamentsgebäude, um das von uns versprochene „Gegengeschenk für ihre Arbeit“ von uns in Empfang zu nehmen: Luft-Ballons.

Vor der Übergabe mußten sie allerdings noch eine bissige Rede über sich ergehen lassen. Dann wurden alle Ballons vor laufender Fernsehkamera mit Nadeln zerstochen. Kommentar: „So erhalten sie nun von uns zurück, was sie uns schenken wollten: viel Luft und etwas leeren Gummi. Mit bestem Dank“.

Zum Abschluß warf die Menge aus Gummimatten gefertigte „Paragraphen“ aufs Parlamentsgebäude. Kameras und ReporterInnen filmten und notierten fleißig. Das Resultat unserer Anstrengung war, daß die Kommission folgenden Text zu handen des Nationalrates (2te Kammer !) verabschiedete:

„Keine Person darf wegen ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung benachteiligt werden. Das Gesetz sorgt für die Gleichstellung der Behinderten mit den Nichtbehinderten: es sieht in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung Maßnahmen und Anreize zum Ausgleich oder zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen vor.

Der Zugang zu öffentlichen Bauten und Anlagen oder die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Leistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sind soweit zumutbar gewährleistet.“

Ein Sieg zumindest, daß die Drittwirkung wieder im Text aufgenommen wurde und eine der Gummipassagen entfällt. Dieser Text muß jetzt noch 2 Kammern und eine Volksabstimmung überstehen, was noch Jahre dauern kann. Die VertreterInnen der Behindertenverbände haben am 19. August 1997 beschlossen, den jetzt vorliegenden Text als MINIMUM zu akzeptieren.

Bei weiteren Verschlechterungen oder bei Verzögerungen soll das Mittel der Volksinitiative (100.000 Unterschriften) ergriffen werden, um auf den Originaltext zurückzukommen. Eine solche Volksinitiative muß gut vorbereitet und finanziert werden – doch wir werden bereit sein.

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