Erst die sogenannten ungelernten Pflegekräfte ermöglichen die umfassende Betreuung

Die heutige Pressekonferenz und „Mahnwache für qualifizierte Pflege“, die von der Fachgruppe für Gesundheitsberufe heute im Wiener Café Landtmann organisiert worden war, wurde von wütenden Protesten zahlreicher Rollstuhlfahrer begleitet.
„Wir fühlen uns von dieser Gewerkschaft jedenfalls nicht vertreten!“ stellt Eduard Riha, Generalsekretär der ÖAR, fest, „es ist einfach ein Unding, Pflege ausschließlich als hoch qualifizierte Arbeitsleistung zu benennen, wenn etwa Handreichungen wie Unterstützung beim Essen auch dazugezählt wird!“
Mit der Ausweitung von Kompetenzen ungelernter Pflegekräfte wird in Österreich niemandem Arbeit weggenommen, stellt der Generalsekretär ausdrücklich fest. Es ist nur die – im Übrigen längst fällige – Legalisierung jener Praxis, ohne die tausende Österreicherinnen und Österreicher, die auf Betreuung oder Persönliche Assistenz angewiesen sind, nicht selbständig leben könnten.
Wenn etwa das Verabreichen von Getränken und Essen nur von diplomierten PflegerInnen durchgeführt werden dürfte, dann gäbe es folglich nur die Alternativen mit ausgebildetem Fachpersonal für alle Menschen, die Zuhause leben wollen, oder ein Leben auf der Intensivstation einer Klinik.
In Behindertenfragen agierte die Gewerkschaft bisher meist gegen die Selbständigkeit von Menschen mit Behinderungen, denkt man da etwa an die Forderung von Rudolf Kaske, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft VIDA, der die Abschaffung des Pflegegeldes und die Einführung von Schecks forderte, die nur bei diplomierten Pflegern und ihren Vereinen einzulösen sein sollten.
„Familienangehörige oder auch andere – nicht diplomierte – Pflegepersonen betreuen in der Regel sorgfältig und liebevoll. In schöner Regelmäßigkeit finden sich Medienmeldungen über fahrlässige oder vorsätzliche Vergehen von qualifiziertem Personal an dessen Schutzbefohlenen – das sollte auch Gewerkschafter zum Nachdenken bringen“, so Riha abschließend.
Gerhard Lichtenauer,
21.03.2008, 17:58
Sehr geehrte Frau Beatrix Eiletz, ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu. Lediglich diese Aussage, „… auch auf Kosten der Qualität der Betreuung und Pflege“ sehe ich etwas differenziert: Gerade aufgrund der von Ihnen völlig zu Recht beklagten Ökonomisierung seitens der öffentlichen Hand, hin zur „Stoppuhr-Abfertigung“, wurde gerade die Qualität der Pflege und Betreuung (mural und extramural) immer mehr torpediert. Darunter haben die Hilfebedürftigen, ihre Angehörigen und vor allem auch die angesprochenen Berufsgruppen zu leiden. Es ist eine bodenlose Schande für unsere Wohlstandsgesellschaft und Österreich sogar als viertreichstes EU-Land, dass seit etwa 13 Jahren letztlich zur Erfüllung der Maastricht Kriterien, gerade bei hilfebedürftigen Menschen eingespart wird, weil sie dagegen am wenigsten aufbegehren können.
Wesentliche Aspekte, die mit den neuen Regelungen aber an Stellenwert gewinnen, sind erstens der Faktor „Zeit“, welcher für alle Beteiligten (auch die Helfer) einen Qualitätsgewinn bringt und zweitens die beginnende Anerkennung der Autonomie bzw. Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen „wo, von wem und wie“ gepflegt und betreut zu werden, was m.E. mit Menschenrechten und Menschenwürde zu tun hat. In diesen beiden genannten Aspekten sollen auch die fachlich qualifizierten Berufsgruppen, in einem zu entwickelndem besseren Hilfesystem, bessere Perspektiven und Erfüllung in der Arbeit bekommen.
Betreffend Lohndumping: Die scheinlegalisierte Ausbeutung der fälschlich so genannten „24-Stunden-Betreuung“ ist ein Rückfall in eine Dienstbotengesellschaft, nichts anderes als moderne Sklaverei, welcher in dieser Form ohnehin nur ein kurzes Leben beschieden sein wird. Herrn SM Dr. Buchinger ist sehr entschieden zu widersprechen, dass dieser Bereich gelöst sei. (www.daheim-statt-heim.at)
beatrix eiletz,
21.03.2008, 16:33
An Gerhard Lichtenauer: Ich habe als sogenannte Personenbetreuerin in dem Bereich zu arbeiten begonnen. Ich hatte genügend Zeit den Menschen bei den tagtäglichen Bedürfnisse zu unterstützen, auch für das seelische Wohlbefinden. Das war mehr als nur „satt,warm sauber“. Heimhilfen hatten Zeit, den Menschen zu unterstützen wo sie Hilfe benötigten, zu motivieren und auch das Soziale Umfeld aufrecht zu erhalten oder auch wieder zu aktivieren.
Dann, mit der Zeit, wurde in der Steiermark die Sprengelaufteilung beschlossen und die öffentliche Hand hat sich immer mehr bei der Beteiligung der Finanzierung zurück gezogen. Was zur Folge hatte, dass auch die Betreuungsstunden z.B. 3-5 Stunden auf halbe Stunden max. 1 Stunde am Tag reduziert wurden. Meine KollegInnen in der Zwischenzeit sogar schon in Minuten ihre Zeit schreiben müssen. Mit der Zeit wurde auch die Dokumentation immer umfangreicher.
Auch ich habe am Anfang ohne Ausbildung medizinische Salben aufgetragen, Medikamente verabreicht usw. ohne mir bewußt zu sein, welche Folgen es haben kann. Gott sei Dank, bin ich nie in die Situation gekommen, dass gesundheitsgefährten Kompliktionen eingetreten sind.
Zwischenzeitlich haben wir es auch geschafft für die MitarbeiterInnen – fast ausschließlich Frauen – eine Kollektivvertrag zu erwirken, damit diese Frauen auch sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert sind.
Nun wurden durch ein Gesetz zwei Berufe mit einem neuen Gesetz in Frage gestellt. Ein neuer Beruf wurde geschaffen, der wieder billigere Betreuung und Pflege macht – auf Kosten der Personenbetreuerinnen und meiner Meinung nach auch auf Kosten der Qualität der Betreuung und Pflege.
Es gäbe verschieden Möglichkeiten, den Menschen zu unterstützen, die Mobilen Sozial- und Gesundheitsdienste ist nur ein Teil neben vielen. Ich bin der Meinung, es ist auch Aufgabe des Staates, dafür Sorge zutragen das ein Altern in Würde leistbar und eine Qualität gewährleistet ist. Das wünsche ich mir, auch in meinem Alter.
Gerhard Lichtenauer,
11.03.2008, 12:22
An Frau Beatrix Eiletz und ihre KollegInnen: Mir scheint, der Kampf von Gewerkschaft und Pflege- Berufsvertretungen ist leider (noch) auf Bewahrung eines für den extramuralen Bereich rückwärtsgewandten Systems von Bevormundung und Fremdbestimmung ausgerichtet. Es war ein historischer Fehler, das GuKG überhaupt in dieser Form dem häuslichen Bereich überzustülpen. Befürsorgungs- Konzepte der Pflege- und Betreuung „bettlägriger“ (ein Unwort!) müssen der Ermöglichung von gesellschaftlicher Teilhabe und Inklusion sowie der Selbstbestimmung und Wahrung von Grundfreiheiten und Grundrechten weichen, wenn wir ein menschenwürdiges Leben für alle pflege- und assistenzbedürftige Menschen in Behindertenhilfe und Altenpflege anstreben wollen.
Der Kampf von Pflegeberufen und Gewerkschaften soll sich vielmehr auf die Umsteuerung zu einem zeitgemäßen und zukunftsorientierten Hilfesystem konzentrieren, statt zu polarisieren. Es ist möglich, ein System zu entwickeln in dem alle profitieren: In erster Linie die Hilfenutzer aber auch alle Hilfegeber, sowohl aus dem Profisystem, als auch ausreichend entlohnte (auf Einzelpersonen spezialisierte) Laienhelfer und (freiwillig) ehrenamtliche (ausreichend entlastete) Helfer.
Derzeit haben wir ein System, das pflegende Angehörige exzessiv ausbeutet, obwohl dies der größte (höchst professionalisierte) Pflegedienst ist. Die Gewerkschaften haben dem unverantwortlichen Kahlschlag am Pflegegeld, bisheriger Regierungen der letzten 12 Jahre, leider nichts entgegengesetzt. Sie mögen sich nun endlich um die wirklichen Probleme annehmen. Ein Kampf um gerechte Löhne und Rahmenbedingungen für ALLE helfenden Berufe (inkl. pflegender Angehörigen!), gegen die Ökonomisierungstendenzen von Regierungen und Gebietskörperschaften ist natürlich zu unterstützen und im Interesse aller Menschen. (www.daheim-statt-heim.at)
beatrix eiletz,
10.03.2008, 11:49
Ich bin ausgebildete Heimhilfe. Im Jänner 08 wurde in der Steiermark das Sozialberufegesetz beschlossen und nun muss ich und meine KollegInnen eine Aufschulung machen um weiterhin als Heimhilfe arbeiten zu können und zu dürfen. Trotzdem darf ich dann z.B. keine Essen eingeben und kein Insulin spritzen – denn das dürfen nur PflegehelferInnen mit einer ärztlichen schriftlichen Anordnung und unter Aufsicht.
Nun soll ein anderes Gesetz beschlossen werden, dass ermöglicht PersonenbetreuerInnen alle Tätigkeiten (auch solche für die ich ins Gefängnis komme, wenn ich das mache)machen zu dürfen. Da hebt ein neues Gesetz zwei Berufe aus.
Das sich Behinderte nicht vertreten fühlen verwundert mich. Es müsste doch auch in Ihrem Interesse sein, dass leistbare aber dennoch qualifizierte Betreuung und Pflege gewährleistet wird. Oder würden Sie auch zu einen angelernten Arzt gehen und sich behandeln lassen. Wer übernimmt die Verantwortung wenn etwas passiert?
Der Gesetzesgeber versucht auf Kosten der Behinderten und auch auf Kosten der Beschäftigten in diesem Bereich, eine Lösung zusammenzuflicken die der öffentliche Hand nichts kostet. Unter dem Motto: Wir brauchen qualifiziert, flexible und rund um die Uhr Betreuung und Pflege – aber kosten darf es nichts.
Meiner Meinung nach müssten sich die Behinderten mit den Beschäftigten zusammen schließen und gemeinsam sollten wir die Regierung in Ihre Verantwortung und Verpflichtung nehmen, anstatt gegenseitig zu bekämpfen.
helga neira zugasti,
10.03.2008, 09:54
Es sollte im Bereich der Unterstützung von Personen, die diese für die selbstbestimmte Bewältigung des Alltags brauchen – und da geht es nicht nur um Pflege, sondern auch um weitere Bereiche wie Assistenz… – die Kirche im Dorf gelassen werden. Vor lauter Professionalisierung mit zum Teil unprofessionell agierenden Fachleuten, wird der Blick verstellt für alle jene Leistungen, die eigentlich selbstverständlich sind zwischen Menschen, die sich verantwortungsbewusst und hilfsbereit für einen anderen Menschen einsetzen, der ihnen ein Anliegen ist.
Ein großer Teil dieser humanen Qualität ist mit Geld nicht zu erreichen, vom zunehmenden Bedarf her auch gar nicht mehr zu bewerkstelligen. Ziviles Engagement sollte in seiner Bedeutung nicht geschmälert und schon gar nicht diskreditiert, sondern geschätzt und durch Informationsmöglichkeiten aufgewertet werden. helga neira
Anonymous,
08.03.2008, 23:25
Gewerkschaft hin Gewerkschaft her – Der Artikel ist gut – Die Gewerkschaft ist leider unglaubwürdig geworden – Ich denke nicht, daß Eddi Riha trotz SPÖ Nähe, und Luxuskarrosse(n), PA und in Anspruch nimmt, bzw. in Anspruch nehme wird – Er hat genug „Kohle“ und wartet mit Recht auf seine Pensionierung. Er hat viel für die Behindertenbewegung getan. Glaube auch dass persönliche Angriffe, Fehl am Platze sind.
Anonymous,
08.03.2008, 20:55
an Marina: Pflege wollen und brauchen sie, zahlen will keiner was, dafür kann man beobachten welche Luxusauto so manche Behinderte fahren … aber wenn jemand die Wahrheit sagt dann wird er gleich verdammt!
maria,
08.03.2008, 20:52
Ich brauche keine Gewerkschaft, aber trotzdem unterstütze ich diese Maßnahme, endlich was vernünftiges von seiten der Gewerkschaft. Bravo.
Bruno,
08.03.2008, 20:47
Herr Riha wenn sie nur eine BETREUUNG brauchen dann genügt ihnen ja ein Hilfsdienst, niemand zwingt sie eine Fachkraft zu nehmen,die kann ihnen auch bei der Hausarbeit helfen, sollten sie jedoch eine Fachkraft benötigen dann kann es nicht sein das sie nur eine Hilfskraft einstellen! Aber bedenken sie bitte wenn durch unbewusst falsche Pflege ein schaden entsteht wer dafür in frage kommt. Man hat sehr schnell einen Schuldigen nach Lainz gesucht … und gefunden!
Marina Hauser,
06.03.2008, 22:46
Seltsam, die Aussendung gibt eigentlich nicht die Stimmung bei der Pressekonferenz wider. Dort haben die Gewerkschaftsvertreter, unter anderem Dwora Stein von der GPA betont, dass es darum geht, dass insgesamt mehr Geld von der öffentl Hand in die Pflege und Betreuung fließen, und die geplante „Lösung“ eigentlich keine ist. Für die Betreuungsbedürftigen kaum leistbar, für das Betreuungspersonal schaun dagegen nur Mini-Löhne raus. Seltsam auch, dass sich die Behindertenorganisationen so wenig für die Arbeitsbedingungen und Löhne der Menschen, die die Betreuung leisten (sollen), interessieren.