Das Budget der Bundesregierung trifft viele Anspruchsgruppen. Verwunderlich ist aber, dass die neuen Belastungen, Kürzungen und Einsparungen die Menschen treffen, die ohnehin am Wenigsten haben.
Hatte nicht der amtierende Kanzler Wernern Faymann vor der Wahl von einer Zeit für Gerechtigkeit gesprochen?
Menschen mit Behinderung sind von einem Großteil der Maßnahmen zur Budgetsanierung direkt betroffen:
- Pflegegeld: Der Zugang zu den Pflegegeldstufen 1 und 2 wird erheblich beschwert, was 24.000 Menschen direkt trifft. Durch diese Maßnahme werden vor allem viele Frauen gezwungen, unentgeltlich alte und behinderte Angehörige zu pflegen. Gerüchteweise sollen auch die Assistenzleistungen in den Pflegestufen 3 und 4 eingefroren werden. Vor allem für viele Studierende mit Behinderung würde das den Ausschluss aus dem Bildungssystem bedeuten.
- Zivildienst: Weniger Geld für Zivildiener gepaart mit höheren Kosten für Zivildienstorganisationen führen zu erhöhten Betreuungskosten, und machen Betreuung für viele Menschen mit Behinderung nicht mehr leistbar.
- Gerüchten nach soll auch der Mobilitätszuschuss für Menschen mit Behinderung abgeschafft werden. Auch diese Maßnahme verhindert effektiv, dass Menschen mit Behinderung ein selbstbestimmtes Leben als Teil der Gesellschaft führen können.
- Fristverlängerung beim barrierefreien Umbau öffentlicher Gebäude um vier Jahre: Damit will die Regierung wohl die Verantwortung für kostspielige Umbauten in die nächste Legislaturperiode verschieben. De Facto verhindert sie aber die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft.
- Kürzungen beim AMS und im Bundessozialamt alleine in der Steiermark um 42 Millionen Euro: Diese Kürzungen führen zur Reduktion von Transitarbeitsplätzen, zum Wegfall von Ausbildungen und Arbeitsassistenzen und Einstellungshilfen. Menschen mit Behinderung werden so aus dem Arbeitsmarkt entfernt. Diese Einsparungen erscheinen fast schon zynisch, da Österreich versäumt hat, 93 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds abzuholen, die Österreich zustehen würden.
- Streichung der Rückvergütung der NoVA: viele Menschen mit Behinderung sind auf ein Auto angewiesen, da sie aufgrund ihrer Behinderung öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen können. Als Ausgleich einen Steuerfreibetrag zu gewähren, geht am Problem vorbei: Menschen die auf die NoVA-rückvergütung angewiesen sind, verdienen nicht genug, davon zu profitieren.
Zusätzlich zu diesen direkten Einschnitten belasten weitere Sparmaßnahmen Menschen mit Behinderung zusätzlich oder indirekt:
- Die Kürzung der Familienbeihilfe: Menschen mit Behinderung haben ein geringeres Einkommen und höhere Lebenshaltungskosten als gewöhnliche Österreicher und Östereicherinnen. Dire Kürzung der Familienbeihilfe trifft sie also proportional stärker.
- Vermögenszuwachssteuer (Wertpapier KEST): Diese Steuer betrifft als Kollateralschaden auch Pensionsfonds und die betrieblichen Mitarbeitervorsorgekassen nach der Abfertigung neu.
- Mineralölsteuererhöhung: Diese trifft Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sehr, da sie auf teure Hilfsmittel und Fahrzeuge angewiesen sind. Mehr als verwunderlich ist es, dass Landwirte, trotz der Krise nicht nur von der Erhöhung der Steuer ausgenommen werden, sondern sogar eine höhere Förderung kassieren.
- Kürzungen beim AMS und beim Bundessozialamt: Langjährig aufgebaute Maßnahmen zur beruflichen Integration von benachteiligten Personengruppen beeinträchtigen die Zukunftschancen von Menschen mit Behinderung massiv.
Alles in allem schätzt der Dachverband ÖAR, dass Menschen mit Behinderung insgesamt 650 Millionen Euro für die Budgetkonsolidierung beitragen. Die Zeit für Gerechtigkeit scheint also noch nicht über Österreich angebrochen zu sein. Blickt man auf weitere Kürzungen, die bereits für 2012 und 2013 angekündigt worden sind, so scheint es nicht sehr aussichtsreich, noch in dieser Legislaturperiode eine Zeit der Gerechtigkeit zu erwarten.