Menschen mit Behinderungen: Aktueller Schattenbericht zeigt dringenden Handlungsbedarf

Anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen am 3.12. wird ein Schattenbericht zur Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich veröffentlicht.

MonitoringAusschuss.at Unabhängiger Monitoringausschuss zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
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Monitoringorgane von Bund und Ländern stellen mit ihrem Schattenbericht ihre Analyse zur aktuellen Situation der Menschen mit Behinderungen zur Verfügung.

„Uns, als Überwachungsorgane, war es wichtig aufzuzeigen, wo aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf besteht. Der Schattenbericht macht deutlich, dass es in Österreich seit der letzten Staatenprüfung in vielen Bereichen Stillstand und sogar Verschlechterungen gibt“, erläutert Christine Steger, Vorsitzende des Bundes-Monitoringausschusses. Der Schattenbericht steht hier zum Download bereit.

Vor über 10 Jahren hat sich Österreich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichtet. Damit hat man auch zugestimmt, regelmäßig von den Vereinten Nationen überprüft zu werden, ob zielführende Maßnahmen gesetzt werden, um die UN-BRK und ihre Menschenrechte zu realisieren.

Dazu erhält die Republik die „List of Issues“, die im Vorfeld der Staatenprüfung zu beantworten ist. Der Schattenbericht orientiert sich an den Fragen der Vereinten Nationen und stellt eine Analyse der Situation von Menschen mit Behinderungen aus Sicht der Überwachungsorgane dar.

Covid-19-Pandemie verdeutlicht Missstände

Die aktuelle Covid-19-Pandemie zeigt, dass Großinstitutionen wie Wohn- und Betreuungseinrichtungen besonders gefährden: Zum einen herrscht dort ein erhöhtes Infektionsrisiko, zum anderen führten zum Teil überschießende Besuchsverbote und Ausgangsbeschränkungen zu Isolation und Einsamkeit. Es wurden teils gravierende Verstöße gegen Grund- und Freiheitsrechte bekannt.

„Umso bedenklicher ist es, dass es bisher keinen erkennbaren systematischen Ansatz gibt, um die veralteten Strukturen aufzubrechen und das Recht auf selbstbestimmtes Leben umzusetzen. Es werden sogar weiterhin öffentliche Gelder in neue Institutionen investiert, wie uns z.B. der Neubau der Landeseinrichtung ,Konradinum‘ in Salzburg zeigt“, so Karin Astegger, Vorsitzende des Salzburger Monitoringausschusses.

Recht auf Persönliche Assistenz immer noch eine Baustelle

Das Modell der Persönlichen Assistenz ist der Schlüssel zu selbstbestimmtem und unabhängigem Leben. Daher müssen dringend rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, sodass Menschen mit Behinderungen – ungehindert – „Persönliche Assistenz“ aus einer Reihe von Unterstützungsangeboten auswählen können.

Michael Fink, Vorsitzender der Wiener Monitoringstelle, stellt klar: „Persönliche Assistenz muss allen Menschen mit Behinderungen offenstehen. Das heißt, völlig unabhängig davon, um welche Behinderungsform es sich handelt.“ Dazu benötige es einen Rechtsanspruch mit der Möglichkeit, diesen bei Gericht bzw. den Verwaltungsbehörden durchzusetzen.

Mangelnde Barrierefreiheit behindert selbstbestimmtes Leben

Auch im Bereich der baulichen Barrierefreiheit sind massive Rückschritte zu verzeichnen, wie uns Beispiele aus Salzburg und der Steiermark zeigen.

„Eine Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die Prozesse der Gesetzgebung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonventionen hätte derartigen Verschlechterungen entgegenwirken können“, kritisiert Heinz Sailer, Vorsitzender des Steiermärkischen Monitoringausschusses.

Nur durch Partizipation und gemeinsame Gespräche könne man konstruktive Lösungen finden. Im Falle der Novellierung des Steiermärkischen Baugesetzes wurden Verschlechterungen zumindest teilweise nach massivem Widerstand zurückgenommen. Viele andere Rücknahmen im barrierefreien Wohnbau schränken nach wie vor Menschen mit Behinderungen in der freien Wahlmöglichkeit ihres Wohnortes und ihrer Selbstbestimmung ein.

Stillstand in Sachen inklusiver Bildung

„In Österreich sind inklusive Schulen, obwohl von der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert, immer noch kein Regelfall. Stattdessen werden ausgrenzende Sonderschulsysteme gestärkt und neue Sonderschulen errichtet“, merkt Isolde Kafka, Vorsitzende des Tiroler Monitoringausschusses, an.

Dass die Abschaffung der Sonderschulen möglich sei, zeige ein Tiroler Bezirk. Nach wie vor gibt es in Österreich weder einen politischen Willen noch eine Gesamtstrategie zur Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems. Zudem müssen Schulgebäude barrierefrei (um)gebaut, Schulassistenz und Stützlehrer*innen in Regelschulen eingesetzt und Unterricht tatsächlich inklusiv gestaltet werden.

In den folgenden Monaten werden die Monitoringorgane von Bund und Ländern auf vorhandene Missstände aufmerksam machen. Die Vorsitzenden von Bund und Ländern stehen gerne für Interviews und Nachfragen zu diesen Themen bereit.

Der Schattenbericht steht hier zum Download bereit.

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