Menschenrechte: Österreich hat eine Grundhaltung „alles passt“

Anlässlich des bevorstehenden 5. Jahrestages der Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen am 30. März bat BIZEPS-INFO Mag. Marianne Schulze (Vorsitzende des Monitoringausschusses) um eine Einschätzung.

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BIZEPS-INFO: Das offizielle Österreich betonte bei der Ratifizierung der UN-Konention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), dass die Inhalte schon umgesetzt seien.

Konkret wurde in dem parlamentarischen Materialen festgehalten: „Den sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen wurde im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung bereits weitestgehend entsprochen, sodass durch die Ratifikation des Übereinkommens und des Fakultativprotokolls keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen entstehen.“

Wie kam es Ihrer Meinung nach zu dieser Einschätzung?

Marianne Schulze: Aus der Perspektive der Erfüllung von Menschenrechten hat Österreich eine Grundhaltung, wonach „alles passt.“ Das, was daran nicht passt, ist das Menschenrechtsverständnis: kein Menschenrecht kann einfach so „abgehackerlt“ und als „erfüllt“ angesehen werden.

BIZEPS-INFO: Was daran ist falsch?

Marianne Schulze: Menschenrechte sind dynamisch und bedingen eine stetige Weiterentwicklung, daraus ergibt sich auch eine Grundhaltung, in der man die Erfüllung ständig kritisch hinterfragt. Die Einschätzung ist ein Spiegel der mangelnden Menschenrechtsbildung und des daraus resultierenden, sehr österreichischen, Menschenrechtsverständnisses.

BIZEPS-INFO: Nun wurde in Konvention vor 5 Jahren unterzeichnet. Welche konkreten Auswirkungen sehen Sie in Österreich?

Marianne Schulze: Langsam aber sicher die Einsicht, dass es doch einiges zu tun gibt und ein ganz klein wenig auch eine Grundhaltung, die das als Chance für Veränderung zum Positiven und nicht nur als eine lästige Zusatzaufgabe sieht.

Die Arbeit des Monitoringausschusses absichern

BIZEPS-INFO: Wie bewerten Sie die bisherige Arbeit des Monitoringausschusses?

Marianne Schulze: Gemischt. Angesichts der Ausgangslage, dass ein ehrenamtliches Gremium mit keinem offiziellen Budget wenig zu tun haben wird, ist viel passiert. Ich glaube, dass die Mitglieder und das Büro auf gut 30 fundierte Stellungnahmen und fünf öffentliche Sitzungen, an denen cirka 800 Personen teilgenommen haben, durchaus stolz sein können.

Im Bereich der individuellen Beschwerden scheitert der Ausschuss kläglich am Föderalismus und auch seinen mangelnden Ressourcen. Gerade Zuständigkeitsfragen und Fälle, bei denen Menschen im Kreis geschickt werden, erfordern andere finanzielle und personelle Möglichkeiten als der Ausschuss sie hat.

BIZEPS-INFO: Welche Auswirkungen hat Ihrer Einschätzung nach dieses Gremium bisher gehabt und worin zeigt sich die Notwendigkeit so einer Vorgabe durch die UNO?

Marianne Schulze: Dass die Konvention als Handlungsfeld wahrgenommen wird, ist auch das Verdienst des Ausschusses. Was die Frage partizipativer Prozesse betrifft, sind die Bemühungen des Ausschusses zwar erst am Anfang, nichtsdestotrotz sind sie ein wichtiger Beitrag zu den Möglichkeiten, die Partizipation bietet.

BIZEPS-INFO: Wo sind die Grenzen und Möglichkeiten des Ausschusses?

Marianne Schulze: Mit der derzeitigen Konstruktion und vorhanden Ressourcen hat der Ausschuss die Grenzen seiner Möglichkeiten de facto erreicht.

BIZEPS-INFO: Welcher Rahmenbedingungen bedarf es um die Arbeit langfristig abzusichern?

Marianne Schulze: Der Erfüllung der UN Prinzipien für nationale Menschenrechtsinstitutionen: umfassende Unabhängigkeit, d.h. auch Ansiedelung im Parlament, ausreichend Ressourcen, vor allem für die ehrenamtlich tätigen Mitglieder, aber auch für Büro, sowie Infrastruktur.

Es bedarf einer Erhöhung der Verbindlichkeit

BIZEPS-INFO: Welche Faktoren könnten die Umsetzung der Erkenntnisse des Monitoringausschusses vorantreiben?

Marianne Schulze: In vielen Fällen durch die Erhöhung der Verbindlichkeit durch Schaffung von Indikatoren, die die Umsetzung begleiten.

BIZEPS-INFO: Wie schätzen Sie die Monitoringarbeit in den Bundesländern ein?

Marianne Schulze: Potenzialgeneigt.

BIZEPS-INFO: Wie schätzen Sie die Umsetzung der Konvention in den Bundesländern ein?

Marianne Schulze: Da ist seit Ratifizierung einiges in Bewegung gekommen. Sagen wir so: Das Problembewusstsein, die Einsicht, dass es Handlungsbedarf gibt, hat sich vor allem in den Bundesländern grundlegend verbessert.

BIZEPS-INFO: Wie schätzen Sie die durch Volksanwaltschaft ab 1. Juli 2012 geplante Umsetzung von Artikel 16/3 UN-BRK (im Rahmen von OPCAT) ein, bei der Orte kontrolliert werden, „an denen Personen die Freiheit entzogen ist oder entzogen werden könnte“ – wie beispielsweise Behinderteneinrichtungen?

Marianne Schulze: Gewalt an Menschen mit Behinderungen ist eine der gravierendsten Menschenrechtsverletzungen, es können daher gar nicht genug Maßnahmen zur Prävention gesetzt werden.

Die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft halte ich für ein wichtiges Signal. Unter anderem auch dafür, dass die Anliegen der Konvention eine Querschnittsmaterie sind, also sämtliche Bereiche von Politik und Gesellschaft einen Beitrag zur Erhöhung von Barrierefreiheit und Inklusion leisten müssen.

Selbstbestimmung thematisieren

BIZEPS-INFO: Welche Themen werden Ihrer Einschätzung nach heuer im Sinne der UN-BRK die Öffentlichkeit beschäftigen bzw. von Ihnen forciert?

Marianne Schulze: Maßnahmen zur Maximierung von Selbstbestimmung: Persönliche Assistenz, Persönliches Budget und assistierte Entscheidungsfindung anstatt von Sachwalterschaft. Und dann der Dauerbrenner Bildung: gerade an den Diskussionen dazu sieht man, dass die Barrieren in den Köpfen noch dominieren, diese abzubauen, bleibt das Hauptthema des Ausschusses.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.

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