Viele Fragen

Morgen packe ich mich wieder in die (Einrichtungs)wundertüte

Einen Einblick in die Einrichtungswelt hat ein behinderter Mensch mit hohem Unterstützungsbedarf, der nicht spricht, der kobinet-Redaktion zur Verfügung gestellt.

Im folgenden veröffentlicht kobinet den mit unterstützter Kommunikation geschriebenen Beitrag einer Person, die wegen ihrer großen Abhängigkeit von der Einrichtung anonym bleiben möchte.

Die Redaktion leitet eventuelle LeserInnenbriefe an den Autor weiter.

Morgen packe ich mich wieder in die (Einrichtungs)wundertüte

Das heisst leben mit zwei lange entstandenen ichs.

Ein ich lebt die pläne die für mich geschrieben sind.

Ein ich benutzt die pausen um die fehler auszubessern die mich verändern.

Deshalb sind die langen leeren zeiten wichtig.

Ich rechne

4 stunden täglich damit ich überlebe – essen und pflege

1 stunde täglich mit schweigsamen wgbewohnern – ich stehe irgendwo zufällig rum

1 stunde fördern was meinem körper gut tun soll – ich liege irgendwie herum

1 stunde täglich ratespiele – aus den redeteilen der mitarbeiter puzzle ich einen tagesablauf

1 stunde täglich bildung durch fernsehroulette und alte zeitungen – zufall heisst was mir die mitarbeiter wie lange überlassen

20 minuten täglich direkt angesprochen sein – das tust du, man fragt mich ohne chance auf antwort.

Der rest ???

Ein kalendertag hat 24 stunden.

Meine arbeit passiert in den leeren zeiten – ich denke, ich plane lebensmöglichkeiten, ich träume. Im leben draussen werden viele menschen genau dafür hoch bezahlt.

Ich bringe die ergebnisse nie gewinnbringend ein, keiner hat etwas davon, für den sozialstaat bin ich ein minusposten.

Ich lebe gerne, sogar (in meiner einrichtung) und ich liebe die mitarbeiter, die sich um mich sorgen. Heimat ist ein grosser begriff. Ich bin im heim zuhause.

Für mich sorge ich wenn ich denke, plane und träume.

Ich brauche neuen denkstoff. Dafür könnten menschen draussen sorgen.

Immer nur (in meiner einrichtung) setzt ständig das gleiche gedankenkarussell in bewegung.

Ein volksfest mit nur einem karussell ist langweilig, oder?

Achterbahn, riesenrad, schiessbuden und schiffschaukeln, nicht zu vergessen geisterbahn und spiegelkabinett geben einem volksfest die richtige stimmung. In bayern braucht es auch das bierzelt unbedingt.

Letzten Montag war in xxx ein festtag für kinder und behinderte. Den habe ich saussen lassen. Das fest hier ist einfach besser.

Damit ich nicht den faden nach draussen verliere bitte ich alle die das lesen.

Ich lese gerne. Meine post bekomme ich gezeigt. Antworten ist nur selten möglich weil die einbahnstrasse kommunikation (in meiner einrichtung) noch nicht in beide richtungen geöffnet ist. Aber verkehrsplanungen und strassenführungen ändern sich manchmal.

Ihr könnt mir schreiben. Vielleicht hilft das den planern (in meiner einrichtung) neu zu denken und verkehrsregeln zu ändern.

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0 Kommentare

  • Hallo, ich finde keinen Namen von dir. Du hast mich sehr hellhörig gemacht. Ich arbeite in einer Einrichtung mit 12 behinderten Jugendlichen.(17J-35J), in Salzburg. Mit 10 Personen kann ich nur nonverbal kommunizieren. Ich gebe zu, sehr oft könnten die Klienten mir zeigen was sie meinen, aber ich gebe schon vorher die Antwort auf eine Frage. Es geht schneller, aber es ist bestimmt nicht fair. Ich bemühe mich zumindest das zu ändern und nicht mit meinen Gedanken schon wieder einen Schritt weiter zu sein. Wenn du mir schreibst würde ich mich freuen und ich könnte es aus der Sicht des beeinträchtigten Menschen sehen, was wichtig ist. freue mich auf deine Antwort. Hilde

  • Martin Hackl (der den Artikel über sein Leben in einer Einrichtung geschrieben hat, gestützt von I. Stubenvoll) antwortet auf den Brief von Ulrike Hackl:

    Liebe Namensgleiche im Nachbarland, ich habe mich gefreut, das zu lesen. Viel Glück für deine Familie! Wer so denkt wie du wird immer aus der Erfahrung lernen und gut genug sein um klug zu handeln. Meine Adresse: Martin Hackl, Auhof WG 32, D-91161 Hilpoltstein

  • Lieber/liebe Unbekannte/r! Dankeschön für diesen Text – er bringt mich als Mutter sehr zum Nachdenken. Mein Sohn ist noch sehr jung und in keiner „Einrichtung“ untergebracht, nach diesem Text denke ich, dass auch er seeeeeehr viel Geduld mit Betreuern, Therapeuten, Lehrer und seinen Eltern aufbringen muss, weil wir alle in unserem Bemühen und Eifer und in unserer Hilflosigkeit ein ganz anderes Tempo vorgeben. Oft wird auch die Richtung, die wir einfach vorgeben eine ganz andere sein, als unser Sohn möchte.
    Ich bewundere die Möglichkeit der Mitteilung, die Sie mithilfe der Unterstützten Kommunikation nutzen können – und Ihren Mut! Und ich bewundere Ihre Geduld mit Ihrem Umfeld. In einem Kurs für Unterstützte Kommunikation konnte ich für einen Bruchteil erfahren, wie hilflos man sich fühlen kann, wenn man etwas mitteilen möchte und man keine geeigneten Möglichkeiten dafür zur Verfügung hat. Ich sollte ohne Sprache, ohne Deuten, ohne Hilfsmittel sondern nur durch Ja/Nein-Anzeigen auf die ratenden Fragen meines Gegenübers mitteilen, dass mich das Etikett meines T-Shirt kratzt…..nach 3 frustrierenden Minuten hab ich hilflos geweint.
    Ich hoffe für meinen Sohn, dass ich die geeigneten Möglichkeiten finde, ihn zu unterstützen in seinen Wünschen. Und ich hoffe für mich und meinen Sohn, dass wir in Tempo und vorrangiger Wichtigkeit von Dingen einen Gleichklang finden werden.
    Ich werde Ihren Text an Betreuer und Einrichtungen in meiner Umgebung weiterleiten, denn es ist notwendig, darüber nachzudenken.
    Liebe Grüße, Ulrike Hackl