Mit tiefer Betroffenheit müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass unsere geschätzte, geliebte Freundin und Vereinsvorsitzende, Elisabeth Wundsam, am 21. Oktober 2003 verstorben ist.
Elisabeth Wundsam wurde am 12. Juni 1948 in Wien geboren und war von Geburt an sehbehindert. Sie besuchte integrativ eine öffentliche Volksschule und dann das Realgymnasium, an dem sie mit Auszeichnung maturierte. Danach absolvierte Elisabeth Wundsam die Ausbildung zur Heilmasseurin und Heilbademeisterin und studierte in den Jahren 1966 bis 1970 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Von 1972 an arbeitete Dr. Elisabeth Wundsam als Monitorredakteurin für den ORF. 1988 erblindete sie völlig.
Einen sehr hohen Stellenwert in Elisabeth Wundsams Leben nahm ihre Familie ein. 1974 heiratete sie und bekam insgesamt vier Kinder, Marina, Eleonore, Wolfgang und Veronika. Große Freude bereiteten ihr auch ihre zwei Enkel, Sebastian und Lukas.
Besonders wichtig war ihr stets, den Haushalt und die Erziehung der Kinder selbständig zu besorgen, was Elisabeth Wundsam auch ausgesprochen exzellent gelang; so waren ihre Kochkünste wohl weithin bekannt und unübertroffen und ihr ungeheures Organisationstalent war verblüffend.
Wichtig war Elisabeth Wundsam auch, dass ihre Wohnung als Ort der Begegnung für jedermann galt; hier traf sich die Familie, kamen Freunde zu Besuch, wurden Vereinssitzungen abgehalten, Interviews gegeben, Gäste empfangen und sogar beherbergt und das alles bei großzügiger und hervorragender Bewirtung, die Elisabeth Wundsam stets selbst herstellte.
Dr. Elisabeth Wundsam wurde 1995 Mitglied im Verein Blickkontakt und hat seit März 1999 mit bewundernswerter Ausgeglichenheit, Flexibilität und Mut zur Innovation und zu berechtigtem Protest gegen Behindertendiskriminierungen die Geschicke des Vereines Blickkontakt als Vorsitzende gelenkt. Ihre großen Stärken waren dabei ihr stets freundliches und gewinnendes Wesen, die Fähigkeit, mit jedem Menschen eine Gesprächsbasis zu finden, ihre Offenheit und die Gabe, durch ihren eigenen Mut zum Leben, ihre Stärke und ihre unvergleichbare Fröhlichkeit für uns alle als Vorbild und Motivation zu wirken, wofür wir ihr unendlich dankbar sind!
Elisabeth Wundsam packte überall an, wo sie konnte, ob es bei der Vervielfältigung unserer Kassettenzeitschrift „Blickkontakt-News“, dem Versand von Kassetteninfos, Rundschreiben, Presseaussendungen, bei stundenlangen Telefonrundrufen oder ob es die Organisation von nahezu unmöglich geglaubten Vorhaben, wie etwa einen Megaphonwagen innerhalb von 24 Stunden samt behördlicher Demonstrationsgenehmigung aufzutreiben, war; dabei ließ sie nicht locker, bis ihr selbst gestecktes Ziel tatsächlich erreicht war.
Ein besonderes Anliegen war es ihr als Vereinsvorsitzende stets, die verschiedenen Organisationen der sehbehinderten und blinden Menschen zu einem gemeinsamen Handeln und Auftreten in wichtigen behindertenpolitischen Fragen zu bewegen. Den absoluten Durchbruch schaffte sie diesbezüglich mit der auf ihre Initiative erfolgten Begründung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Verkehrssicherheit visuell behinderter Menschen (ÖAVV) am 30. November 2000, in der sich zunächst Blickkontakt, der Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband und die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs zusammenschlossen und der sich etwas später dann auch die Österreichische Blindenwohlfahrt anschloss.
Nicht zuletzt ob ihrer eigenen Erkrankung und der damit verbundenen persönlichen Erfahrungen als Frau mit Behinderung im Krankenhaus und anderen Gesundheitseinrichtungen war es ihr ein großes Anliegen, dort etwas zu bewegen und zu verbessern. Sie hielt deshalb Schulungen in der Krankenpflegeschule im AKH Wien ab, bei denen sie mit ihrem heiß geliebten Blindenführhund Sindy den KrankenpflegeschülerInnen vermittelte, wie man mit sehbehinderten und blinden PatientInnen am besten umgeht und arbeitete an der Erstellung der Broschüre „Krank, behindert, ungehindert … in Wien“ engagiert mit.
Elisabeth Wundsam scheute aber auch nie den Kampf gegen Diskriminierungen, wie beispielsweise gegen den behindertendiskriminierenden Ausschluss blinder JuristInnen vom Richteramt. Dabei entstand auch das Blickkontaktsche Symbol für Gerechtigkeit, die Justitia mit Blindenstock, die Elisabeth Wundsam sogar von einem Bühnenbildner als Skulptur herstellen ließ und seither als Maskottchen bei den Blickkontaktveranstaltungen mit dabei ist.
Im Jahr 2002 stand sie voll der Begeisterung hinter dem Projekt, den internationalen Tag des weißen Stockes am 15. Oktober einfach zum Aktionstag gegen Behindertendiskriminierungen in Österreich umzufunktionieren und einen Megaphonwagen zu organisieren, mit dem die Menschen in der Wiener Innenstadt unüberhörbar auf die alltäglichen Diskriminierungen behinderter Menschen aufmerksam gemacht wurden.
Wesentliche Ziele waren für Dr. Elisabeth Wundsam aber auch, die Verwirklichung des selbstbestimmten Lebens und der gleichberechtigten Anerkennung behinderter Menschen; in diesem Sinne setzte sie sich vehement für eine sinnvolle Umsetzung der EU Gleichbehandlungsrichtlinie in Beschäftigung und Beruf und die Schaffung eines Behindertengleichstellungsgesetzes in Österreich ein, wofür sie zuletzt noch anlässlich des internationalen Tages des weißen Stockes am 15. Oktober 2003 appellierte.
Wir haben mit Elisabeth Wundsam eine wunderbare und unglaublich starke Frau, eine sehr geschätzte und geliebte Freundin und eine wichtige Persönlichkeit in der Österreichischen Behindertenbewegung verloren.
Unsere ganz besondere Anteilnahme gilt nun ihrer Familie, mit der wir aufrichtig trauern.
Wir werden Elisabeth Wundsam stets als Teil von uns im Herzen und in der Erinnerung bewahren.