Nationaler Aktionsplan Behinderung: Nicht mehr als Lippenbekenntnisse

Inklusion und Umsetzung von Menschenrechten kann es nicht zum Nulltarif geben

Österreichischer Behindertenrat
Österreichischer Behindertenrat

Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2022–2030 soll die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bundesweit vorantreiben. Der Österreichische Behindertenrat kritisiert scharf, dass die Umsetzung mit diesem Plan kaum gelingen wird.

Österreich ratifizierte im Oktober 2008 die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und verpflichtete sich, die in der Konvention verbrieften Menschenrechte umzusetzen. 2012 wurde der Nationale Aktionsplan Behinderung (NAP) für die Jahre 2012–2020 beschlossen.

Nach dessen Auslaufen entschied sich die Bundesregierung, mit Beteiligung der Länder einen weiteren NAP zu erarbeiten. Der Österreichische Behindertenrat (ÖBR) war von Beginn an in den Erarbeitungsprozess involviert.

Rückschritt in vielen Bereichen

„Trotz guter und durchaus zukunftsorientierter Ansätze werden wesentliche Bereiche im NAP nicht bzw. unzureichend behandelt. Dass nur wenige unserer Anregungen im NAP zu finden sind und die unbedingt nötige budgetäre Bedeckung fehlt, spricht Bände“, zeigt sich Klaus Widl, 1. Vizepräsident des ÖBR, enttäuscht. (Siehe NAP 2022-2030)

Darüber hinaus vermisse er ein koordiniertes Vorgehen der Länder. Der aktuelle NAP stelle in vielen Bereichen gegenüber dem vorangegangenen einen Rückschritt dar. Dies betreffe vor allem die Bewusstseinsbildung, Barrierefreiheit, Beschäftigung, Bildung, Deinstitutionalisierung und mangelnde Sicherstellung Persönlicher Assistenz in allen Lebensbereichen.

„Es fehlen klare Strategien, Pläne zur Umsetzung festgeschriebener Ziele und ein deutliches Bekenntnis zur Finanzierung. Der ÖBR erwartete sich einen ambitionierten und visionären Zukunftsplan bis zum Jahr 2030, denn das sind 22 Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK“ meint Widl.

Chronologie des Scheiterns

Für ÖBR-Vizepräsidentin Roswitha Schachinger sind sowohl der Entwicklungsprozess als auch der Text des NAP eine herbe Enttäuschung.

„Der NAP bringt 14 Jahre nach Ratifizierung der UN-BRK weder substanzielle Fortschritte beim selbstbestimmten Leben noch wird Inklusion ernsthaft angegangen. Die NAP-Entwicklung ist eine Chronologie des Scheiterns“, stellt Schachinger fest.

ÖBR-Präsidiumsmitglied Martin Ladstätter kritisiert: „Wieder schaffen es der Bund und die Länder nicht, einen ordentlichen Plan zur Umsetzung der UN-BRK vorzulegen. Weder bei der schulischen Inklusion, beim selbstbestimmten Leben noch beim Abbau von Heimen gibt es Fortschritte.“

Mehr als ein paar Bekenntnisse seien nicht herausgekommen. Und alles würde darin gipfeln, dass es für den Aktionsplan keine Finanzierung gibt, „weil schon der dritte Sozialminister nicht fähig war, Geld für einen Inklusionsfonds auszuverhandeln“, so Ladstätter.

Für ÖBR-Vizepräsident Markus Neuherz stellt der NAP keinen nationalen Schulterschluss aller Ressorts und Länder dar, es sei auch keine behindertenpolitische Gesamtstrategie zu erkennen.

„Der NAP ist maximal ein Arbeitspapier, das als Ausgangsbasis für die Arbeit der nächsten Jahre gilt. Wir fordern die Resorts und Länder, die sich noch nicht ausreichend eingebracht haben, auf, im Zuge dieses Arbeitsprozesses nachzubessern. So bieten sich die Ferien an, gleich mit dem Kapitel Bildung zu beginnen“, betont Neuherz.

Behindertenanwalt Hansjörg Hofer zufolge sei es durch die unklare Formulierung nicht gelungen, den notwendigen und vonseiten der Behindertenanwaltschaft wie auch von Interessensvertretungen von und für Menschen mit Behinderungen wiederholt geforderten Inklusionsfonds einzurichten.

„Ohne diesen Inklusionsfonds ist der NAP das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt wurde“, so Hofer.

Demonstration im Herbst

„Möglicherweise geht man davon aus, dass sich Menschen mit Behinderungen nicht ausreichend wehren können. Hier sollte man sich nicht täuschen. Wenn unsere Menschenrechte, zu denen sich Österreich bereits vor 14 Jahren bekannt und verpflichtet hat, weiterhin ignoriert werden, werden wir kämpfen und für deren Einhaltung im Herbst auf die Straße gehen“, kündigt Klaus Widl an.

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2 Kommentare

  • Ich würde die Aufregung gerne verstehen: ein Aktionsplan ist eine Absicht – Erklärung, Absichten sind viele drinnen, wenig verbindliches, schon gar nicht einklagbar.
    Kann mir daher irgendwer die Aufregung erklären, schließlich erfüllt er seine Aufgabe mehr als gut.
    Jeder, der sich mehr erwartet hat, hat schlicht und ergreifend Aktionsplan nicht verstanden.
    Liebste und ich die Steigerungsstufe wie Klagen will jedoch niemand, weil die so genannte Interessensvertretungen sehr, sehr oft viel zu sehr vom Staat abhängig sind.
    Insoweit: jeder, der jammert, muss jetzt aktiv werden.

  • War wohl nichts anderes zu erwarten,von unserer „hohen“ Politik!
    Einfach nur erbärmlich!