Nationalrat beschließt neues Barrierefreiheitsgesetz

Betroffen sind etwa PCs, Smartphones, Modems, E-Reader, Smart-TV-Geräte, Spielkonsolen, Bankomaten und Fahrkartenautomaten sowie andere Produkte aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Sitzungssaal des Nationalrats im Parlament
Parlamentsdirektion/Anna Rauchenberger

Mit dem neuen Barrierefreiheitsgesetz setzt Österreich den sogenannten „European Accessibility Act“ um. Ab 28. Juni 2025 werden Unternehmen damit grundsätzlich verpflichtet sein, nur noch barrierefreie Produkte auf den Markt zu bringen, sofern diese vom Geltungsbereich des Gesetzes umfasst sind.

Betroffen sind etwa PCs, Smartphones, Modems, E-Reader, Smart-TV-Geräte, Spielkonsolen, Bankomaten und Fahrkartenautomaten sowie andere Produkte aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Allerdings sind Ausnahmen vorgesehen, etwa wenn die Anforderungen an die Barrierefreiheit eine grundlegende Veränderung des Wesens des Geräts bewirken oder diese zu einer unverhältnismäßigen Belastung für die betroffenen Unternehmen führen würden.

Bei Dienstleistungen fallen außerdem Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Mio. € nicht unter das Gesetz. Auch sind zum Teil längere Übergangsfristen vorgesehen.

Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben ist unter anderem die Verhängung einer Verwaltungsstrafe bis zu 80.000 € und als Ultima Ratio auch ein Produktrückruf bzw. die Verpflichtung zur Einstellung der Dienstleistung möglich. Als Marktüberwachungsbehörde wird das Sozialministeriumservice fungieren.

Die Zustimmung zum Gesetz erfolgte einhellig, wiewohl sich manche Abgeordnete weitergehende Regelungen gewünscht hätten.

So sprachen sich die NEOS etwa dafür aus, Produzenten und Importeure bzw. Dienstleistungsanbieter zu verpflichten, Gebrauchsanleitungen, Sicherheitsinformationen und Vertragsinformationen in einfacher Sprache – maximal Sprachniveau B1 – bereitzustellen, und damit die im Gesetz verankerten Vorgaben zu verschärfen bzw. zu präzisieren.

Auch sollten den NEOS zufolge alte Selbstbedienungsterminals maximal 15 Jahre nach ihrer ersten Inbetriebnahme – statt nach 20 Jahren – ausgeschieden werden müssen. Ein von Abgeordneter Fiona Fiedler dazu eingebrachter Abänderungsantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

Opposition kritisiert „Minimalumsetzung“ der Richtlinie

Neben Fiedler bedauerten auch die SPÖ-Abgeordneten Verena Nussbaum und Josef Muchitsch, dass sich die Koalitionsparteien lediglich auf eine „Minimalumsetzung“ der EU-Richtlinie verständigt hätten. Es wäre wichtig gewesen, auch die bauliche Umgebung von Geräten wie Fahrkartenautomaten und Bankomaten sowie den öffentlichen Personenverkehr in das Gesetz „hineinzupacken“, sagte Nussbaum.

Zwar müssten Betreiber künftig Informationen über die Zugänglichkeit ihrer Geräte bereitstellen und auf Barrieren wie Stufen hinweisen, das helfe den Betroffenen aber wenig. Auch SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch ist überzeugt, dass „mehr möglich gewesen wäre“. Auch bei den Verwaltungsstrafen sieht Nussbaum noch „viel Luft nach oben“, 80.000 € seien nicht abschreckend.

Der Kritik Nussbaums schloss sich auch FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger an. Das Gesetz decke nur einen kleinen Bruchteil dessen ab, was man sich im Bereich der Behindertenpolitik erwarten würde, sagte er und sprach von Fahrlässigkeit. Ragger drängte insbesondere darauf, den „Nationalen Aktionsplan Behinderung“ umzusetzen und Menschen mit Behinderung, die in integrativen Werkstätten arbeiten, Lohn statt „Taschengeld“ zu zahlen.

Koalition sieht deutliche Verbesserungen für Menschen mit Behinderung

Ihr sei bewusst, dass das Gesetz nicht perfekt sei, entgegnete Bedrana Ribo (Grüne) der Opposition. Sie erwartet sich von den neuen Bestimmungen aber deutliche Verbesserungen, und zwar nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern auch für ältere und andere Personen. Auch für jene, „die ihre Lesebrille vergessen haben“, sei es wichtig, die Schrift vergrößern zu können, skizzierte sie. Ebenso würden alle von Videos mit Untertiteln oder leicht lesbaren Vertragsinformationen profitieren.

Barrierefreiheit sei mehr als die Abwesenheit baulicher Hürden, betonte ÖVP-Behindertensprecherin Kira Grünberg. Es gebe auch sprachliche, optische und andere Barrieren. So sei es wichtig, dass Bankomaten auch von Personen selbstständig bedient werden können, die Sehbeeinträchtigungen oder motorische Einschränkungen haben. In diesem Sinn begrüßte sie das vorliegende Barrierefreiheitsgesetz ausdrücklich. Dieses bringe nicht nur mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung, sondern stärke auch den Wirtschaftsstandort Österreich, machte sie geltend.

Auch ihre Parteikollegin Elisabeth Scheucher-Pichler ist überzeugt, dass es sich nicht um einen kleinen Schritt, sondern um einen echten „Meilenstein“ handelt.

Rauch stellt mehr Beratung für Unternehmen in Aussicht

Auch Sozialminister Johannes Rauch hält das Gesetz für einen wichtigen Schritt in Richtung Inklusion. Das Sozialministeriumservice als Überwachungsbehörde werde nicht nur Strafen verhängen können, es sei auch vorgesehen, die Beratung zu intensivieren, betonte er.

Allgemein bekräftigte der Minister, in der Diskussion um die Teilhabe von Menschen mit Behinderung sei es wichtig, nicht die Defizite der Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern ihre Fähigkeiten.

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Ein Kommentar

  • Hi,
    Das mentale Narativ in unserer Zeitgeschichte gegen Menschen mit unterschiedlichen Handicaps wird wohl negative Geschichte sein. Unverständlich wie beschämend orentierte Gruppen“, die eingeschränkte physische Bewegung zu ihres gleichen, – Menschen “ ignoriert! Eigentlich kann sich kein moderner Bürger sich leisten, nicht an die Verletzlichkeit seiner Person zu denken. Meist ist in Sekunden: ,die Unversehrtheit des Körper kann vorbei sein. Auch bei einem großen Vermögen ist das unbeschwerte Leben vorbei. Ich denk zu politischen Sozial Verhandlungen, wird die pragmatische Diplomatie nicht sprechend gezielt genutzt.
    Frei sprechen werden Betroffene und Teile der solidarisch en Bevölkerung die Diplomatie bei Fakten Transparenz bei jeglicher Verhandlung zur Politik. Als Staatsbürger erfährt man nicht selten der korrumpierten Beispiele zur Republik. Transformationem zu all den staatlichen Protokollen könnte Streitereien reduzieren.
    Danke, m.Schäfer
    PS. Bei der ÖBB, bei all dn täglichen Passagieren, werden sicher einige schnelle Ausnahmen nicht alle Lichter ausfallen lassen!