Nationalrat: Konsens über Änderung des Bundesbehindertengesetzes

Bei Arbeitslosenversicherung wird noch nach Lösung gesucht

Parlament
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Auf der Tagesordnung der heutigen Nationalratssitzung standen auch zahlreiche Sozialvorlagen. Die Abgeordneten verabschiedeten unter anderem eine Novelle zum Bundesbehindertengesetz und stimmen einer Änderung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes und des Bauarbeiter-Schlechtwettergesetzes zu. Zudem wird im ASVG klargestellt, dass grundsätzlich nicht selbsterhaltungsfähige behinderte Menschen nach einem gescheiterten Arbeitsversuch am offenen Arbeitsmarkt automatisch wieder Anspruch auf eine Waisenrente haben.

Hinsichtlich der umstrittenen Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wird noch nach einer Lösung gesucht. Eine vorläufige Gesetzesreparatur stellt sicher, dass es in Folge eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs für Lehrlinge, ältere ArbeitnehmerInnen und selbstversicherte Selbständige zu keinen Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld kommt. Allerdings wären Wochengeld- und KrankengeldbezieherInnen sowie Präsenz- und Zivildiener schlechter als bisher gestellt, sollte es bei der vorgenommenen Reparatur bleiben, was besonders die Grünen empört.

Von den vielen Initiativen der Opposition wurde lediglich ein Entschließungsantrag des Team Stronach angenommen, der auf eine rasche Ratifizierung des „Vertrags von Marrakesch“ abzielt. Der Vertrag erleichtert blinden und sehbehinderten Menschen den Zugang zu Literatur und räumt unter anderem urheberrechtliche Hindernisse für Bücher in Braille-Schrift und in Großdruck aus dem Weg, tritt aber erst dann in Kraft, wenn er von mindestens 20 Staaten ratifiziert wurde.

Ausschreibungsverfahren für Behindertenanwalt wird transparenter

Mit der einstimmig beschlossenen Änderung des Bundesbehindertengesetzes werden unter anderem die Begriffe „Assistenzhund“ und „Therapiehund“ gesetzlich definiert, das Ausschreibungsverfahren zur Bestellung des Behindertenanwalts transparenter gestaltet und die Mitgliederzahl des Bundesbehindertenbeirats erhöht. Damit erhalten auch Menschen mit Lernbeeinträchtigung die Möglichkeit, ihre Interessen im Beirat selbst wahrzunehmen. Der Behindertenpass hat künftig Bescheidcharakter, was Beschwerden behinderter Menschen gegen die Einschätzung ihres Behindertengrades erleichtert.

Eine neue zentrale Kontaktdatenbank beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, in der unter anderem Menschen mit Behinderung, DienstgeberInnen und Betreuungskräfte im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung erfasst werden, soll wesentliche Verwaltungsvereinfachungen bringen.

Mit einem von Abgeordnetem Dietmar Keck (S) eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten S-V-G-Abänderungsantrag wurde die gesetzliche Definition des Begriffs „Therapiehund“ nochmals präzisiert. Um Qualität sicherzustellen und das Risiko bei Einsätzen von Therapiehunden zu minimieren, ist vorgesehen, dass Therapiehunde und ihre HalterInnen gemeinsam eine Ausbildung absolvieren und sich einer abschließenden Beurteilung durch Sachverständige unterziehen müssen. Gemäß Definition ist ein Therapiehund ein speziell für die therapeutische Arbeit ausgebildeter Hund, der durch gezielten Einsatz positive Auswirkungen auf das Erleben und das Verhalten von Menschen mit Behinderung erzielen soll.

Mitverhandelt mit der Novelle wurde die erwähnte Änderung des ASVG und anderer Sozialversicherungsgesetze zum Thema Waisenrente, die unter Berücksichtigung eines rein technischen S-V-Abänderungsantrags ebenfalls mit Stimmeneinhelligkeit angenommen wurde. Weiters standen der Entschließungsantrag des Team Stronach zum Vertrag von Marrakesch und weitere Oppositionsanträge mit zur Diskussion.

So hat die FPÖ ihre schon in der letzten Legislaturperiode erhobene Forderung nach Einführung einer Pflegelehre neuerlich in Form eines Entschließungsantrags bekräftigt. Die Grünen fordern sowohl einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit als auch einen Rechtsanspruch auf die Finanzierung von Ersatzpflege, um pflegende Angehörige temporär zu entlasten. Überdies drängen sie darauf, die österreichischen Gesetze zu durchforsten, um bestehende Hürden für die Verwendung der Österreichischen Gebärdensprache zu beseitigen.

Breite Zustimmung zur Änderung des Bundesbehindertengesetzes

Im Rahmen der Debatte wurde die Novelle des Bundesbehindertengesetzes unter anderem von den Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), Ulrike Königsberger-Ludwig (S), Helene Jarmer (G), Dietmar Keck (S), Franz-Joseph Huainigg (V) und Gertrude Aubauer (V) ausdrücklich begrüßt.
Das Gesetz bringe eine Fülle von Verbesserungen für Menschen mit Behinderung, hob etwa Königsberger-Ludwig hervor. Besonders erfreut zeigte sie sich auch darüber, dass Menschen, die in Tageswerkstätten arbeiten, künftig Arbeitsversuche am offenen Arbeitsmarkt unternehmen können, ohne die Angst haben zu müssen, dass sie die Waisenrente verlieren.

Abgeordneter Keck wies darauf hin, dass er lange für eine gesetzliche Regelung für Assistenz- und Therapiehunde gekämpft habe. Nunmehr werde klar festgelegt, welche Kriterien für den Erhalt öffentlicher Förderungen zu erfüllen seien, sagte er. Abgeordnete Jarmer zeigte sich darüber erfreut, dass dafür ein Vorschlag der Grünen übernommen wurde.

Nicht mit allen Punkten des Gesetzes zufrieden zeigte sich NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker (N). Er brachte zur Frage der Kontaktdatenbank einen Abänderungsantrag ein, der letztendlich aber in der Minderheit blieb. Loacker bezweifelt, dass dabei der Datensicherheit ausreichend Augenmerk geschenkt wird, und forderte überdies eine eindeutige Klarstellung, dass in der Datenbank keine sensiblen Gesundheitsdaten erfasst werden dürfen.

Loacker unterstützte darüber hinaus einen von Grün-Abgeordneter Jarmer eingebrachten Entschließungsantrag. Jarmer fordert darin eine Weiterentwicklung des Bundesbehindertenbeirats. Dieser soll ihr zufolge nicht nur das Sozialministerium, sondern alle Bundesministerien beraten. Zudem will sie die Vertretung der Bundesländer im Beirat stärken und ihn um zusätzliche ExpertInnen in eigener Sache erweitern. Derzeit setze sich der Beirat nur zu einem Drittel aus BehindertenvertreterInnen zusammen, skizzierte Jarmer. Der Entschließungsantrag fand allerdings keine Mehrheit.

Bedauern äußerte Jarmer auch darüber, dass ihr Antrag zur Gebärdensprache im Sozialausschuss auf Ablehnung gestoßen ist. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Gebärdensprache bringe im Alltag nichts, wenn es dazu keine entsprechenden ausführenden Gesetze gebe, betonte sie.

Nach Meinung von ÖVP-Behindertensprecher Huainigg hätte die Einrichtung eines zusätzlichen Arbeitskreises zur Gebärdensprache jedoch keinen Sinn, er wies darauf hin, dass es bereits zwei Arbeitskreise – einen im Bundeskanzleramt zum Thema Medien und einen im Sozialministerium zum Nationalen Aktionsplan Behinderte Menschen – gebe. Generell forderte Huainigg die Verankerung der Menschenwürde in der Verfassung.

ÖVP-Abgeordnete Aubauer machte darauf aufmerksam, dass weder die Besuchergalerie noch die Ministerbank noch das Präsidium im Parlament derzeit barrierefrei zugänglich seien. Sie begrüßte daher den bevorstehenden Umbau des Hohen Hauses, der auch Barrierefreiheit bringen soll.

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