Nationalratswahlen 1999 – eine Nachlese

Waren behinderte Menschen bei den vergangenen Nationalratswahlen ein Thema?

Wenn man die Berichterstattung in den Medien verfolgt hat, konnte man diesen Eindruck nicht gewinnen. Wir müssen wohl selbstkritisch feststellen, daß es der Behindertenbewegung bedauerlicherweise nicht gelungen ist, mit ihren Anliegen einen angemessenen Platz in der öffentlichen Diskussion zu erringen.

Leider ist es aber auch so, daß das Interesse der PolitikerInnen und der JounalistInnen am Thema Behindertenpolitik bei den vergangenen Wahlen ständig abgenommen hat und rund um den 3. Oktober 1999 besonders gering ausgefallen ist.

Fehlt noch, daß der künftige Bundeskanzler es dem derzeitigen nachmacht und in seiner Regierungserklärung behinderte Menschen mit keinem Wort erwähnt … Hier nun beispielhaft einige der wenigen Äußerungen zum Thema:

Pflegevorsorge sichern?
Positiv, aber allein auf weiter Flur: die ÖVP spricht in einem Inserat davon, die „Pflegevorsorge sichern“ zu wollen – was immer das bedeuten mag.

Behindertenparkplatz für ALLE?
Ing. Richard Lugner, Spitzenkandidat der Unabhängigen (DU), winkt auf seiner Fahrt zu einer Wahlveranstaltung den schmunzelnden St. Pöltnern aus dem Fenster zu, fährt gegen die Einbahn und parkt auf einem Behindertenparkplatz („steh´ eh nur halbert drinnen“). …
FALTER vom 31.August 1999

„Wer nichts leistet, muß weg“
Inhaltliche Gemeinsamkeiten entdeckt Lugner (DU) dagegen mit VP-Justizsprecherin Dr. Maria Fekter. Wie sie, spricht sich auch Lugner gegen den Kündigungsschutz für Behinderte aus: „Wenn einer nichts leistet, muß ich ihn wegbringen.“
Standard vom 30. August 1999

Pflegegeld für Sparpaket verantwortlich …
Parteiobmann Dr. Jörg Haider (FPÖ): „… und was mich besonders empört, ist einfach diese Kaltschnäuzigkeit, mit der man bei den Behinderten drübergefahren ist. Wo man nicht einmal davor zurückgeschreckt ist, den behinderten Menschen auch das Taschengeld wegzunehmen“.

Finanzminister Rudlolf Edlinger (SPÖ) antwortete: „Wir haben in den frühen 90er Jahren das Pflegegeld eingeführt. Eine Einrichtung, um die uns viele europäische Länder beneiden. Macht ein Volumen von 22 Milliarden aus, um eben den Bedürftigsten am stärksten zu helfen. Und wir haben damals im Jahre 1995 erkennen müssen, daß wir uns mit den sehr notwendigen Maßnahmen, die gesetzt worden sind, budgetmäßig ein wenig überhoben haben und es war daher das Sparpaket erforderlich.“
ORF-Konfontation am 22. September 1999

… daher müssen wir es kürzen
Finanzminister Rudlolf Edlinger (SPÖ), befragt danach, ob es stimmt, daß er ein einkommensabhängiges Pflegegeld einführen will: „Konkret gibt es aber noch keine Überlegungen. Aber man muß sich darüber unterhalten, ob es nicht Sinn macht, Transferleistungen sozial zu staffeln, auch das Pflegegeld. Ich bin gegen das Gießkannenprinzip! Es ist ungerecht, daß ein behinderter Mensch, der 20.000 Schilling verdient, das gleiche Pflegegeld erhält, wie einer, der nur über ein Einkommen von knapp über 5.000 Schilling im Monat verfügt.“
Wahlkampfveranstaltung der SPÖ am Wiener Meiselmarkt am 18. September 1999

Abgetaucht !
Die neue Behindertensprecherin der SPÖ, Abg.z.NR Heidrun Silhavy, war während des gesamten Wahklkampfes – aber auch schon vorher – auf Tauchstation.

Integration „gewähren“?
Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) spach von schulischer Integration, der sie einen Freiraum „gewährt“, ohne die Integration wirklich als Recht anzuerkennen. Die Bundessprecherin des LIF, Dr. Heide Schmidt, ist dagegen der Auffassung, daß „Minderheiten nicht davon abhängig sein können, was ihnen die Mehrheit wohlwollend zugesteht“.
ORF-Konfrontation am 18. September 1999

Salzburger Bahnhofsvorplatz
Trotz modernster Planung haben Rollstuhlfahrer wenig Chancen, die zahlreichen Hürden ohne fremde Hilfe zu bewältigen. Als „Testpilotin“ stellte sich die Grüne Nationalratsabgeordnete Theresia Haidlmayr zur Verfügung.
Salzburger Nachrichten vom 27. September 1999

„Behinderte kein Thema?“
In einer Pressekonferenz wirft die Behindertensprecherin der FPÖ, Abg.z.NR Dr. Helene Partik-Pable den beiden Regierungsparteien vor, Behindertenthemen im Wahlkampf nicht zu erwähnen. Die Behindertensprecherin der ÖVP, Maria Rauch-Kallat, erwidert noch am selben Tag: „Die ÖVP hat ganz bewußt die Anliegen behinderter Menschen aus der parteipolitischen Auseinandersetzung des Wahlkampfes herausgehalten“.
Presseaussendungen vom 28. September 1999

Zunehmender Rassismus
Die „Initiative Minderheiten“ registriert im abgelaufenen Wahlkampf zunehmenden Rassismus, der in den ausländerfeindlichen FP-Plakaten in Wien einen alarmierenden Höhepunkt erreicht habe. Als positiv wertet Cornelia Kogoj, Sprecherin der „Initiative Minderheiten“, lediglich, daß die Minderheit der Homosexuellen von der SPÖ erstmals als Wählergruppe beachtet worden sei. Dagegen seien behinderte Menschen ignoriert worden.
Standard vom 2. Oktober 1999

Welche Parteien haben behinderte KandidatInnen aufgestellt ?
SPÖ: keine
ÖVP: Annemarie Wicher, Dr. Elisabeth Wundsam
FPÖ: keine
LIF: Gerd Dobner, Mag. Helene Jarmer
Grüne: Theresia Haidlmayr
KPÖ: Sigi Maron

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