Nehmt mir nicht meine Arme und Beine

Ein Persönlicher Assistent ist ein Mensch, der mir seine gesunden Arme und Beine zur Verfügung stellt. Dank ihm kann ich Auto fahren oder ein Glas mit Wasser an meine Lippen halten. Ein Kommentar.

Fritz Pötzelberger sitzt im Rollstuhl und sieht nach links zu uns. Vor ihm ein Tisch mit einem belegten Brot, Saft und ein Handtuch. Man erkennt er sitzt vor einer Wüstenlandschaft mit strahlend blauem Himmel.
Fritz Pötzelberger

Damit ich meinem Beruf als Radiomoderator nachgehen kann, steckt mir der Persönliche Assistent meine Spezialtastatur an den Sende-PC und positioniert mir das Mikrofon.

Ohne diese Hilfestellungen ist es mir nicht möglich zu arbeiten. Viele Freizeitaktivitäten sind ohne Assistenz unmöglich. Das Einzige, was ich dann kann, ist, mit meinem elektrischen Rollstuhl Spazieren zu fahren und zwar nur so lange, bis ich aufs Klo muss.

Von März bis Mitte Juni 2020 musste ich auf einen Persönlichen Assistenten verzichten.

1. Lockdown von März bis Juni 2020

Mein Name ist Fritz und ich bin 26 Jahre alt. Ich wohne in einem Heim für junge, körperlich beeinträchtigte Menschen. Dort wird mir bei allem geholfen, aber ich führe auch ein Leben außerhalb der Heim-Mauern.

Noch Anfang März bin ich mit meiner Sportgruppe zu einem Wettkampf gefahren, obwohl das den Verantwortlichen des Heimes eigentlich nicht recht war. Wir Sportler waren uns aber einig: Da wir nicht bevormundet sind, gilt für uns alles, was rechtlich für alle anderen Menschen in Österreich erlaubt ist. Das war ein Irrtum, denn danach durfte ich das Heim nicht mehr verlassen.

Mir war damals klar, dass das in Österreich rechtlich nicht korrekt sein kann. Also habe ich an die Geschäftsführung des Heimes ein höfliches Mail geschrieben, das mit den Worten endete: „… bis dahin nehme ich mir das Recht heraus, dass ich meine Termine wahrnehme und dafür das Heim verlassen werde.“

Allerdings weigerte sich der Persönliche Assistent, der im Heim auch als Pfleger arbeitet, mich zu fahren, weshalb ich zu Hause bleiben musste. Als es dann hieß, es sei in ganz Österreich Lockdown, dachte ich, nun wären wenigstens alle gleichberechtigt und für mich war es ok. Doch nach Ende des einmonatigen Lockdowns änderte sich das Leben von fast allen Menschen komplett, für mich änderte sich erstmal nichts.

Meine Möglichkeiten wurden stark eingeschränkt

Ich habe die WG-Leitung gefragt, ob ich mit meinem Assistenten Autowandern fahren dürfe – natürlich mit Maske. Es hieß: „Nein! Wir wissen nicht, ab wann es wieder möglich sein wird. Wenn du mit jemanden zweiten rausgehst, musst du danach zwei Wochen in Zimmerquarantäne.“

Wieder schrieb ich eine E-Mail an die Geschäftsführung. Man verwies mich an das Land Oberösterreich. Von dort kam die Antwort: „Wir sperren euch nicht ein, es gelten die normalen Corona-Maßnahmen. Ob Sie mit ihrem Assistenten mit ihrem Auto fahren dürfen, müssen Sie mit dem Heimleiter besprechen.“ Dieser hat mich erneut an die Geschäftsführung verwiesen.

Drei Wochen später wurde eine Besucherregelung eingeführt, die bis heute gilt. Persönliche Assistenten sind darin nicht extra erwähnt – was bedeutet, dass sie als Besucher gelten und damit keine Extra-Rechte besitzen.

Bis heute sind gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Hauses in Absprache mit der Leitung möglich, ich befürchte aber, dass wieder eine Maßnahme, zum Beispiel eine anschließende Quarantäne, eingeführt werden könnte, die mir Ausgänge unmöglich machen würde. Schlimm genug wäre auch, würde ich keinen Persönlichen Assistenten mitnehmen dürfen. Ich möchte mein Recht auf Ausgang aber genauso wahrnehmen können, wie Menschen, die nicht in einem Heim leben.

Mein Vorschlag

Ich möchte Verantwortung für mich und meine MitbewohnerInnen tragen dürfen. Meine Vorschlag für das Heim, in dem ich lebe, wäre daher, BewohnerInnen aufzuteilen.

Eine Gruppe (A), in der sie die volle Verantwortung für sich tragen – auch im Falle einer Infektion. Eine Gruppe (B) in der sie sich gemeinsam mit dem Personal und der Leitung ein Konzept mit Maßnahmen überlegen. Eine Gruppe (C), für die im Sinne der BewohnerInnen ein passendes Konzept überlegt wird, weil die Betroffenen geistig nicht in der Lage sind, die Bedrohung ernst zu nehmen.

Für alle muss gelten: So wenig Einschränkungen der individuellen Bedürfnisse wie möglich.

Ja, ich weiß, wir haben eine Pandemie, vor der wir uns alle schützen müssen. Doch das ist kein Grund, Menschenrechte zu missachten auch nicht bei Randgruppen. Ich zumindest sehe das nicht ein.

2. Lockdown November 2020

Im zweiten Lockdown ist es besser geregelt. Man kann das Haus verlassen und Therapien sind weiterhin möglich, sogar an einem externen Ort. Und was ich besonders erfreulich finde: Das Personal hat endlich nach einem halben Jahr von der Einrichtung FFP2 Masken bekommen.

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5 Kommentare

  • Dieses Beispiel zeigt wie problematisch Behindertenheime zu bewerten sind. Allein durch die exkludierende Wohnform kommt es zu einer Machtverlagerung, die durch das gestaltete soziale Umfeld verschärft wird.
    Hier wären wohl rechtliche Schritte angebracht oder zumindest eine Sachverhaltsdarstellung an die Volksanwaltschaft.

  • DEN spannenden Aspekt, der offensichtlich durch COVID-19 zu Tage tritt, würde ich in der Verzweigung stationär/mobil sehen, weil der Artikel gut aufzeigt, dass das „Mischformwohnen“ offensichtlich mehr denn je an Grenzen stößt. Gibt es zum Autor irgendwie die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen, denn ich hättte da einige Punkte, die mich interessieren würden. DANKE!!!

    • Hallo Jakob! Ich werde nachfragen.

  • Dass der persönliche Assistent gleichzeitig Pfleger in dem Heim ist ist aber kein idealer Zustand oder?
    Da kommt der ja automatisch in einen Interessenskonflikt.

  • hallo guten morgen aus Tirol coole Geschichte weiter so alles gute weiterhin
    lieber Fritz. lg. Harald aus Innsbruck.