Gesundheitsministerium regelt Abschaffung per Erlass
Gerade noch rechtzeitig, bevor Österreich in diesem Jahr erneut vom Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) geprüft wird, hat nun das Gesundheitsministerium eine langjährige Forderung von VertretungsNetz umgesetzt:
Netzbetten werden verboten. Bis 1.7.2015 müssen alle sogenannten „psychiatrischen Intensivbetten“ und andere „käfigähnliche Betten“ entsorgt werden.
„Wir sind sehr froh, dass nun endlich die internationalen menschenrechtlichen Standards in diesem Bereich umgesetzt werden“, freut sich Susanne Jaquemar, Fachbereichsleiterin der Bewohnervertretung bei VertretungsNetz und Mitglied im Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft. Jahrelang war der Einsatz von Netzbetten u.a. von der Volksanwaltschaft, vom CPT, von zahlreichen Organisationen, aber auch von MedizinerInnen und PsychiaterInnen als erniedrigende Behandlung der Betroffenen kritisiert worden.
Massive Kritik an Netzbetten
Das Netzbett wurde bisher in psychiatrischen Abteilungen, aber auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe eingesetzt. Es diente als Maßnahme zur Freiheitsbeschränkung von Personen, die durch ihr akutes Verhalten sich selbst oder andere gefährden. Fast alle europäischen Staaten haben Netzbetten mittlerweile abgeschafft, nun zieht auch Österreich nach. Speziell im Raum Wien hatten BefürworterInnen der Netzbetten bis zuletzt an der Verwendung festgehalten – mit dem Argument, es sei in einer Notsituation mitunter das gelindere Mittel und somit im Interesse der Betroffenen.
Dem widerspricht Andreas Gschaider, Fachbereichsleiter der Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz. „Die langjährigen Erfahrungen aus der Vertretungstätigkeit belegen, dass Netzbetten viel öfter verwendet und tendenziell länger geschlossen bleiben, als dies notwendig wäre. Jemanden in ein Netzbett zu sperren stellt eine geringere Hürde dar, als jemanden anzugurten.“ Die Zahlen zeigen: Werden Netzbetten in einer Einrichtung nicht mehr verwendet, steigt die Anzahl der anderen Beschränkungsformen (z.B. Gurt-Fixierungen) nicht dauerhaft an – insgesamt gehen dann die Beschränkungen zurück.
Freiheitsbeschränkungen generell verhindern
Nun, wo Netzbetten und käfigähnliche Betten endlich bald der Vergangenheit angehören, setzt sich VertretungsNetz weiter dafür ein, dass auch andere freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zurückgedrängt werden. Denn das Ziel ist nicht, eine Beschränkungsart durch eine andere zu ersetzen. Vielmehr sollte man schon im Vorfeld einer Zwangsmaßnahme ansetzen, indem man verstärkt die Sicht des/der Betroffenen miteinbezieht. Hintergrund aggressiver Verhaltensweisen ist sehr oft die große Angst oder situationsbedingte Überforderung in psychischen Ausnahmezuständen.
Auch entsprechend Art. 15 der UN-Behindertenrechtskonvention („Freiheit von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“) ist das Verbot von Netzbetten nur als ein erster von mehreren notwendigen Schritten zu sehen. Die Handlungsempfehlungen der Vereinten Nationen zur Konvention fordern, auch Fixierungen und andere Zwangsbehandlungen in psychiatrischen Spitälern und Institutionen abzuschaffen.
Konkret heißt dies, an institutionellen Rahmenbedingungen zu arbeiten. Andreas Gschaider dazu: „Wir schlagen vor, in den Einrichtungen adäquate Stufenpläne zur Krisendeeskalation zu entwickeln und anzuwenden. Das Personal muss außerdem ausreichend in Deeskalationsmaßnahmen geschult werden.“ Auch die Gestaltung der räumlichen Gegebenheiten ist wichtig, ergänzt Susanne Jaquemar: „Schon lange ist bekannt, dass durch generell mehr Raum, Rückzugsmöglichkeiten, Privatsphäre und professionelle menschliche Zuwendung viel Aggressionspotenzial wegfällt – sodass sich Freiheitsbeschränkungen oft erübrigen.“