Bundesgesetzblatt

Neue begünstigte Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für pflegende Angehörige

Das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005 (SVÄG 2005), BGBl. I Nr. 132/2005, bringt eine weitere Verbesserung der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung pflegender Angehöriger.

Wie zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zur Pflegevorsorge in Österreich belegen, werden rund 80 bis 85% aller pflegebedürftigen Menschen von Angehörigen zuhause gepflegt. Damit nimmt die Pflege in der Familie den größten Stellenwert im System der Pflegevorsorge ein. Die Pflege naher Angehöriger zuhause bringt für die pflegenden Familienangehörigen jedoch oftmals gravierende Einschnitte in ihrem Leben mit sich; nicht zuletzt wird gerade bei der Pflege von Personen, die in einem höheren Ausmaß pflegebedürftig sind, die Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung durch eine Erwerbstätigkeit nahezu unmöglich.

Diesem Umstand trug der Bundesgesetzgeber bereits seit dem Jahr 1997 Rechnung, als er nach und nach folgende Maßnahmen zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung von pflegenden Angehörigen, die wegen der Pflege keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnten, schuf:

  • Familienhospizkarenz: Bei der lediglich auf 3 bis höchstens sechs Monate begrenzten Möglichkeit, der auch gegen gänzlichen Entfall des Arbeitsentgelts, der Bezüge, des Arbeitslosengeldes oder der Notstandshilfe offenstehenden Karenzierung zur Begleitung sterbender Angehöriger oder im gemeinsamen Haushalt lebender schwerst erkrankter Kinder, besteht für die Dauer der Karenzierung weiterhin ein Pensions- und Krankenversicherungsverhältnis und es ist für den Einkommensentfall eine Unterstützung aus dem Hospizkarenz-Härteausgleichsfonds möglich.
  • Begünstigte Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger: Personen, die aus der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgeschieden sind, um einen nahen Angehörigen/eine nahe Angehörige zuhause zu pflegen, steht eine begünstigende Weiterversicherung offen. Die Begünstigung besteht darin, dass der Bund den fiktiven Dienstgeberanteil am Beitrag zu dieser Versicherung entrichtet, wenn die Pflege die gänzliche Arbeitskraft der Pflegeperson beansprucht und der/die Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach den Pflegegeldgesetzen hat. Der pflegende Angehörige hat diesfalls nurmehr 10,25% statt 22,8% der Bemessungsgrundlage als Beitrag zu zahlen.
  • Begünstigte Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes: Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird, können eine begünstigende Selbstversicherung in Anspruch nehmen: die Beiträge zu dieser Versicherung werden zur Gänze aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen.

Soviel zur bis 31. Dezember 2005 offenstehenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung pflegender Angehöriger. Demnach musste bislang für den Zugang pflegender Angehöriger zu einer der obgenannten beiden begünstigten Pensionsversicherungsmöglichkeiten einerseits die Arbeitskraft der Pflegeperson zur Gänze durch die Pflege beansprucht sein und andererseits musste eine Pflegeperson, um die begünstigende Weiterversicherung beanspruchen zu können, unmittelbar vor Aufnahme der Pflege der Versichertengemeinschaft als pflichtversicherte Person angehört haben; die bisherige begünstigende Selbstversicherung wiederum ist auf die Pflege von behinderten Kindern eingeschränkt gewesen.

Bislang nicht in den Genuss einer begünstigten Pensionsversicherungsmöglichkeit kamen daher insb. jene pflegenden Angehörigen, die noch nie oder bereits vor langer Zeit das letzte Mal der Versichertengemeinschaft angehört haben bzw. jene pflegenden Angehörigen, deren Arbeitskraft nicht zur Gänze, sondern nur teilweise durch die Pflege beansprucht wurde und die z. B. noch einer geringfügigen Beschäftigung nachgingen.

Mit dem durch das SVÄG 2005 nun mit Wirkung ab 1. Jänner 2006 neu geschaffenen §§ 18b und 77 Abs. 8 des allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) wird nun in Entsprechung der diesbezüglichen Vereinbarung im aktuellen Regierungsprogramm eine begünstigte Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger geschaffen, die man ab 1. Jänner 2006 unter folgenden Voraussetzungen als pflegender Angehöriger in Anspruch nehmen kann:

  • Nach § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach den Landespflegegeldgesetzen unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern.
  • Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein.
  • Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
  • Diese Selbstversicherung beginnt gem. § 18b Abs. 2 mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
  • Die Selbstversicherung endet nach § 18b Abs. 3 mit dem Ende des Kalendermonats,

    1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach § 18b Abs. 1 weggefallen ist oder

    2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

  • Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.
  • Nach § 18b Abs. 5 steht das Ende der Selbstversicherung hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung gleich.
  • Die selbstversicherte Person ist gem. § 18b Abs. 6 dem Zweig der Pensionsversicherung nach dem ASVG zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig.

Durch diese neue Selbstversicherungsmöglichkeit soll nun die sozialversicherungsrechtliche Absicherung auch für jene pflegenden Angehörigen geschaffen werden, die bislang noch nicht der Versichertengemeinschaft angehört haben bzw. für die die Inanspruchnahme der bereits vor dem SVÄG 2005 bestanden habenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherungen für pflegende Angehörige mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in betracht gekommen ist.

In den Fällen dieser neu geschaffenen begünstigten Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger übernimmt der Bund, wie bei der bereits bestehenden Möglichkeit der begünstigten Weiterversicherung in der Pensionsversicherung den fiktiven Dienstgeberbeitrag.

Die monatliche Beitragsgrundlage beläuft sich nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage auf € 1.350, das ist jener Betrag, der auch als allgemeine Beitragsgrundlage für Kindererziehende heranzuziehen ist; da der fiktive Dienstgeberbeitrag zu dieser Selbstversicherung vom Bund zu tragen ist, hat die selbstversicherte Pflegeperson einen monatlichen „Eigenbeitrag“ in der Höhe von € 138,38 zu leisten.

Die neue Selbstversicherung kann auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit bestehen, da hier ja die Arbeitskraft für die Pflege nicht wie bislang zur Gänze, sondern nur erheblich beansprucht werden muss.

Da anzunehmen ist, dass der auf die Pflegeperson entfallende Beitragsteil in der Regel durch das Pflegegeld finanziert werden wird, wurde mit dem SVÄG 2005 daher auch für diese Fälle eine Ausnahmebestimmung vom grundsätzlichen Ruhen des Pflegegeldes im Umfang der Beitragshöhe bei einem stationären Krankenhausaufenthalt eines Pflegegeldbeziehers im Bundespflegegeldgesetz (BPGG) vorgesehen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich