Neue Homepage der Grünen „im negativen Sinne nicht wiederzuerkennen“

Die Grünen haben eine neue Homepage für den Wahlkampf. Die Seite ist für behinderte Menschen kaum nutzbar.

Homepage der GRÜNEN aus dem Jahr 2008
BIZEPS

Bei der Vorstellung der neuen Seite schwelgten die Grünen in Superlativen. „Im Medium Internet beweist die Partei damit abermals ihre Führungsrolle“, hält die Partei anlässlich der Vorstellung der „rundum erneuerten Website“ fest.

Die Grünen geben sich mit dem bisher Erreichten nicht zufrieden und haben „mit dem Relaunch ihrer Website die Latte gleich um mehrere Etagen höher“ gelegt, heißt es im Bezug auf die politischen Mitbewerber. Die Homepage warte „selbstverständlich auch mit einer barrierefreien Version“ auf, geben die Macher bekannt.

2005: Gut nutzbar

Die Grünen fielen in der Vergangenheit schon öfters, durch recht gut nutzbare Internetauftritte auf. „Die Barrierefreiheit ist grundsätzlich für jede Seite von www.gruene.at gegeben“, hielt beispielsweise deren Bundesgeschäftsführerin im Jahr 2005 zu einer neuen Homepage fest. Es wurde besonderer Wert auf die Barrierefreiheit gelegt, betonte man.

Die in Wien lebende Internetexpertin Eva Papst beurteilte damals die Seite als gut nutzbar und lobte die klare Strukturierung.

2008: Der Test

Es lag daher nahe, Eva Papst die neue Seite der Grünen wieder testen zu lassen. Die Fachfrau im Bereich barrierefreies Internet – und Vorsitzende der Plattform accessible media – führte einen Kurztest der Seite durch, den sie schlussendlich sogar abgebrochen hat, weil die Ergebnisse erschreckend waren.

„Ein Relaunch ist auch eine Möglichkeit Barrieren zu errichten“, hält sie fest und zählt exemplarisch jene Barrieren auf, die sie feststellen musste:

  • Die Seite enthält Links, die mit ‚Gridbild‘ beschriftet sind und daher keinerlei Anhaltspunkt bieten, was sich dahinter verbirgt. Die Seite enthält eine Vielzahl von unbeschrifteten Links.
  • Das Suchformular enthält kein „Label“, welches für blinde Benutzerinnen und Benutzer beim korrekten Ausfüllen erforderlich ist.
  • „Da weder Sprungmarken noch einzelne hierarchisch logische Bereichsüberschriften vorhanden sind, ist die Orientierung sehr schwierig“.

„Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich die Orientierung angesichts der ohnehin ‚unbeschrifteten Türen‘ in Form von nicht benannten Links überhaupt lohnt. Schließlich würde kein Mensch in ein Hotel gehen, das keine Zimmernummern hat“, zeigt sich die blinde Expertin erstaunt.

Ihr Resümee: „Verglichen mit dem Relaunch vor einigen Jahren ist die Seite im negativen Sinn nicht wieder zu erkennen“, meint sie und hält abschließend „Unkenntnis in Sachen Barrierefreiheit“ als Grund für die mangelhafte Realisierung fest.

Ein ergänzender Test einer sehenden Person ergab zusätzlich, dass die Seite mit der Tastatur nicht bedienbar ist, weil mit dieser weite Bereiche der Seite nicht erreicht werden können. Die Schriftvergrößerung ist in dieser Form nahezu nutzlos, weil kaum eine Vergrößerung stattfindet. Die Bildbeschriftungen sind äußerst mangelhaft und oft überhaupt nicht vorhanden, wodurch – selbst bei der Navigation – Informationen verloren gehen.

Die Seite muss als unbenützbar eingestuft werden und widerspricht damit dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, weil Bundesförderungen – und die Parteienförderung ist eine solche Bundesförderung – seit dem Jahr 2006 nicht mehr in diskriminierender Art eingesetzt werden dürfen.

Stellungnahme der Grünen

BIZEPS-INFO bat nach diesem erschreckenden Ergebnis die Grünen um Stellungnahme. Mag. Niki Nickl, bei den Grünen für den Internetauftritt zuständig, nahm telefonisch dazu Stellung.

„Es gab dieses Mal einen enormen Zeitdruck“, verwies sie auf die ungünstigen Rahmenbedingungen aufgrund der vorverlegten Nationalratswahlen. Man habe nur knapp einen Monat für die Realisierung des neuen Internetauftrittes Zeit gehabt.

Bezüglich der Vielzahl der Barrieren zeigte sie sich erstaunt, da ihr von der durchführenden Agentur die Einhaltung der Barrierefreiheit (gemäß WCAG Stufe A) zugesagt worden sei, hält sie im Telefonat fest. Man werde „so schnell wie möglich“ an einer Verbesserung arbeiten und bitte um Verständnis.

Parteiseiten genauer ansehen

BIZEPS-INFO plant, die Internetauftritte aller bundesgeförderten Parteien auf die Einhaltung der Barrierefreiheit zu testen und in nächster Zeit über die Ergebnisse zu berichten.

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0 Kommentare

  • Haben die sich die Homepage vom ORF machen lassen?

  • Wenn jetzt noch die Grünen keinen kompetente(n) „Rolli“ an wählbarer Stelle beim Bundeskongress nominieren, dann ist diese Partei wieder auf dem „besten Weg“ zur „Chaoten-Truppe“ zu werden, trotz eines Wirtschaftsprofessor „Van der Bellen“ als ihren Spitzenkandidat. Die „Grünen“ – schlecht organisiert oder „stink-normale“ Partei?

  • 1 Monat hat nicht gereicht um Überschriften und die grundlegendsten Barrierefreiheitsmerkmale zu implementieren? Ich hoffe, die Agentur hat dieses Projekt unentgeltlich umgesetzt, das entspricht ziemlich genau dem aktuellen Zustand der Seite.

    Das man sich als Partei so potenzielle Wähler/innen von eigenen Inhalten aussperrt ist unverantwortlich, im Sinne der Partei kann das doch auch nicht sein. Und zur Zusicherung von WCAG Stufe A: Das ist doch hoffentlich ein Witz, das man von der Agentur nur solch eine niedrige Stufe einfordert. AA ist das absolute Minimum, gerade in diesem Bereich. Das ist alles andere als ambitioniert oder überhaupt das Thema ernstgenommen.

    Die Seite ist nicht nur hurtig umgesetzt – mir schoss sofort die treffende Bezeichnung „hingerotzt“ durch den Kopf – sondern auch ein Signal an die Wählerinnen und Wähler. Man darf Qualität nie auf der Strecke lassen. „Qualität, Schnelligkeit, Preis – Wählen Sie zwei!“ ist ein Leitspruch an den man sich halten sollte, mit der Einschränkung, dass man als Partei an der Qualität nicht sparen darf (meiner Meinung nach aber auch in keinem anderen Bereich).

    Das Redesign ist (vor allem technisch) einfach lächerlich, das dieser Ausrutscher ausgerechnet bei den Grünen passiert ist dann enttäuschend.

  • Mein erster Eindruck ist, dass die Startseite der Grünen mit der von BBC teilweise ähnlich aussieht (Ajax-Elemente). Ich nehme an, BBC hat es besser gelöst.

  • Weder gut anzuschauen noch barrierefrei. Und die Ausrede „unter Zeitdruck“ wird ja gerne hergenommen um eigene Unzulänglichkeiten zu vertuschen. Ist ja nicht so, als ob es nicht genug Leute gibt, die sich auf dem Bereich auskennen.

    Wieder ein MINUSPUNKT für die Grünen …