Neue Wege in einer neuen Österreichischen Verfassung

Sollte etwa ein Grundrecht auf Pflege, Soziale Sicherheit und Pflegevorsorge kommen? Wird es zur oft geforderten Vereinheitlichung des Baurechts und des Schulrechts kommen?

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Erst kürzlich wurde der mögliche neue Weg eines grundrechtlichen Diskriminierungsschutzes für Menschen mit Behinderungen in einer künftigen neuen Bundesverfassung, wie er sich in dem vom Vorsitzenden des Österreich-Konvents, Dr. Franz Fiedler, am 12. Jänner 2005 präsentierten Verfassungsentwurf findet, vorgestellt. Doch der jüngste Verfassungsentwurf enthält auch einen gänzlich neuen Ansatz im Hinblick auf soziale Grundrechte.

So findet sich im Grundrechtskatalog des Entwurfs in Art. 38 Abs. 1 neben dem Recht auf ein unabhängiges Leben und die umfassende soziale Integration älterer Menschen, auch ein Grundrecht auf Pflege:

„Rechte von älteren Menschen

Artikel 38. (1) Ältere Menschen haben Anspruch auf ein würdiges und unabhängiges Leben, auf Teilnahme am politischen, sozialen und kulturellen Leben und auf Pflege.

(2) Eine angemessene Alterssicherung, die auf dem Grundsatz der Generationensolidarität unter Berücksichtigung der Verteilungsgerechtigkeit beruht, ist zu gewährleisten.“

Diese Rechte älterer Menschen werden im Verfassungsentwurf noch durch ein allgemeines Grundrecht auf soziale Sicherheit ergänzt, worunter nicht nur ein Sozialversicherungssystem mit Leistungen beim Eintritt verschiedener sozialer Risken – z. B. Krankheit, Arbeitsunfall, Alter, Invalidität, Mutterschaft – zu verstehen ist, sondern auch nach Art. 63 Abs. 2 Leistungen des Staates bei Pflegebedürftigkeit grundrechtlich gesichert werden:

„Recht auf soziale Sicherheit

Artikel 63. (1) Jeder Mensch hat ein Recht auf soziale Sicherheit.

(2) Der Staat gewährleistet dieses Recht durch Einrichtung einer selbstverwalteten öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung, die auf Einkommens- und Risikosolidarität beruht und in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, geminderter Arbeitsfähigkeit, im Alter und bei Arbeitslosigkeit eine angemessene Versorgung sicherstellt. Der Staat gewährleistet dieses Recht weiters durch eine angemessene Versorgung im Fall von Pflegebedürftigkeit.“

Und auch in der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz im Sozialbereich werden durch den Entwurf neue Wege beschritten; so soll der Kompetenztatbestand „Soziale Sicherheit“, der ziemlich umfassend sein dürfte und jedenfalls über die Sozialversicherung hinaus geht, gänzlich dem Bund übertragen werden und die Gesetzgebungskompetenz „Sozialhilfe“, die derzeit als Grundsatzgesetzgebung dem Bund und als Ausführungsgesetzgebung den Ländern zukommt, gänzlich den Ländern übertragen werden. Die Behindertenhilfe bleibt weiterhin als Kompetenztatbestand unerwähnt, weshalb wohl davon auszugehen sein dürfte, dass diese Regelungsbereiche weiterhin als sogenannte „Querschnittsmaterie“ sowohl beim Bund als auch bei den Ländern im Sinne einer geteilten Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 93 des Entwurfes verbleiben.

Gerade im Bereich der Neuverteilung der Gesetzgebungskompetenzen finden sich aber für Menschen mit Behinderungen nicht unwesentliche Knüller:

Die so wichtige Materie Baurecht, die als solche nicht ausdrücklich in den Kompetenzbestimmungen aufgezählt wird, wandert offenbar nach diesem Verfassungsentwurf in die primäre Gesetzgebungskompetenz des Bundes, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 93 Abs. 2 Z 2 des Entwurfes). Lediglich die Regelung der „baulichen Gestaltung“ – z. B. Ortsbildgestaltung – verbleibt in der Landesgesetzgebungskompetenz. Und auch das Schulrecht, das derzeit zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist, würde nach dem Entwurf zur Gänze in Bundeskompetenz übergehen.

Nun, so interessant dieser Verfassungsentwurf auch klingt, so umstritten ist er in der politischen Landschaft. Erst jüngst wurde ein neuer Entwurf der Länder angekündigt, der gerade im Bereich der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz wohl einigermaßen anders aussehen dürfte, als der Entwurf Dr. Fiedlers. Für ausgedehnte und hitzige weitere Diskussionen und Verhandlungen dürfte wohl gesorgt sein.

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