Neues Berufsbild für gehörlose Lehrlinge

"Der Standard": Natürlich hat er auch Probleme. Welcher Jugendliche in seinem Alter hätte die nicht. Auch mit der Lehre.

Gebärdensprachdolmetsch im ORF
Ladstätter, Markus

„Der Standard“ informiert: „Sein größtes Problem ist hier am Arbeitsplatz: „Daß ich am Wochenende immer so lang nach Haus fahren muß. Bis Bad Gastein“ Aber sonst? Die Frage versteht Rudolf S.* nicht. Was soll anders sein? Er ist ein Lehrling wie jeder andere auch.

Gut – Elektrotechniker war nicht unbedingt sein Traumberuf. Aber so viele Möglichkeiten haben Gehörlose und Schwerhörige auch wieder nicht. Meist wird ihnen zu Schneider oder Tischler geraten. Siemens ist hier eine Ausnahme und bietet seit drei Jahren eine neue Ausbildungsmöglichkeit an. Also hat Rudolf S. im vergangenen Jahr zugepackt. Auch wenn er eigentlich Technischer Zeichner werden wollte. Schließlich war er schon ein halbes Jahr zuhause gesessen.

Probleme hatte am Anfang eher Siemens – damals, vor drei Jahren. Nachdem sich der Betrieb entschlossen hatte, gemeinsam mit dem Bundessozialamt und EU-Mitteln nicht nur Behinderte, sondern vor allem auch Gehörlose als Schwachstrom-Elektriker auszubilden. „Im ersten Jahrgang haben wir eigentlich erst nach einem halben Jahr gewußt: Wir schaffen es“, erinnert sich Heinrich Kripel, der Projektleiter bei Siemens.

Und das trotz einjähriger Vorbereitungszeit: „Wir mußten ja den gesamten Lehrstoff visualisieren. Lichtstarke Projektoren anschaffen – weil nie abgedunkelt werden kann; da alles in Gebärdensprache gedolmetscht werden muß“, erläutert Kripel. „Wir mußten sogar Schulverordnungen und das Berufsbild neu definieren“, ergänzt Dieter Chmiel vom Bundessozialamt. „Bisher galt für Schwachstromtechniker: Sehr gutes Hören erforderlich.“

Diese Anfangsschwierigkeiten sind jetzt überwunden. Vor allem, wenn es so ein Zugpferd gibt, wie im zweiten Jahrgang. Walter G.* war an Krebs erkrankt und hatte erst durch die Chemotherapie sein Gehör verloren. Doch er hatte nicht nur die Gebärdensprache erlernt. Als er wieder ein halbes Jahr zur Therapie mußte, weigerte er sich, ein Zwischenzeugnis anzunehmen. Lernte alles nach und bekam dann nur Einser.

Gebärden entwickelt
Jetzt steht Walter G. im Lehrsaal und zeigt den anderen, wie es geht. Die Dolmetscherin, die wie in allen Lehrgängen immer dabei ist, hat nichts zu tun. „Wir versuchen ja grundsätzlich das Dolmetschen stufenweise zurückzunehmen.“ Und so helfen sich nicht nur die Gehörlosen untereinander. Und entwickeln auch ständig neue Gebärden. Etwa für „astabile-„, „bistabile-“ oder „monostabile Kippstufe“. Auch die Hörenden haben längst einige Grundbegriffe in Gebärdensprache erlernt.

Warum es derartige Projekte nur selten gibt, liegt auf der Hand: „Mit all dem ist ein unglaublicher Bürokratismus verbunden“, seufzt Kripel. „Die Länder, die jeweiligen AMS – pro Projekt sind bis zu zehn Kostenträger beteiligt.“

Trotzdem soll es jedenfalls einen vierten Jahrgang geben. Für dieses Projekt gibt es noch freie Plätze für Behinderte und vor allem Gehörlose. Interessenten können sich bei Heinrich Kripel (Siemens) melden: [TEL] (01) 17 07 23/445. Oder beim Bundessozialamt; Dieter Chmiel: [TEL] (01) 588 31/238

* Name von der Red. geändert.“

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich