Neues Erwachsenenschutzgesetz: Justizminister Brandstetter reformiert das Sachwalterrecht

Mit der Reform soll das seit bereits 30 Jahren bestehende System der Sachwalterschaft ersetzt werden.

Wolfgang Brandstetter
BMJ / Christian Jungwirth

Am 7. Juli 2016 schickt Justizminister Wolfgang Brandstätter das Erwachsenenschutzgesetz in die Begutachtung. (siehe auch)

„Wir haben den Erwachsenenschutz komplett neu erarbeitet und legen nun einen Entwurf vor, der die Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe für die Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Deren Entscheidungsfähigkeit soll wesentlich gestärkt werden und die Familien sollen stärker eingebunden werden, damit unnötige Besachwalterungen künftig vermieden werden können“, so Brandstetter.

Künftig vier Säulen der Vertretung

Mit der Reform soll das seit bereits 30 Jahren bestehende System der Sachwalterschaft ersetzt werden. Der Sachwalter wird zum Erwachsenenvertreter, und das Erwachsenenschutzgesetz wird auf insgesamt vier Säulen der Vertretung aufgebaut: Vorsorgevollmacht, die gewählte, die gesetzliche und die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Mit diesen Vertretungsmöglichkeiten soll es verschiedene Möglichkeiten der Vertretung mit mehr Selbstbestimmung geben. Eine Voraussetzung dafür ist ein stärkeres Hinschauen, Reflektieren und Differenzieren aller Beteiligten.

„Für jede Situation soll die bestmögliche Lösung gefunden werden, damit den Betroffenen so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Handeln ermöglicht wird. Durch die vier Säulen der Vertretung kann künftig individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse der betroffenen Person eingegangen werden. Die Einschränkung der Autonomie wird auf das absolut notwendige Maß begrenzt“, so Bundesminister Brandstetter.

Aufwertung der Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine

Die Sachwalter- bzw. Erwachsenenschutzvereine werden zur Drehscheibe der Rechtsfürsorge ausgebaut. Neben der Ausweitung ihrer Beratungsfunktion kann bei ihnen künftig auch eine Vorsorgevollmacht errichtet und ein Erwachsenenvertreter gewählt werden. Da die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters wie bisher nur das letzte Mittel sein soll, ist künftig auch ein „Clearing“ bei den Vereinen im Vorfeld der Bestellung verpflichtend.

Dieses „Clearing“ soll sicherstellen, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist oder nicht. Das Modellprojekt „Unterstützung zur Selbstbestimmung“ hat bestätigt, dass sich dieses seit 2006 bestehende Angebot in der Praxis sehr gut bewährte, und damit eine große Zahl an gerichtlich angeordneten Sachwalterschaften vermieden werden konnte.

Beispielhafte Konzepterarbeitung durch Einbeziehung aller Beteiligter

In die Neugestaltung des Erwachsenenschutzes waren alle betroffenen Personen und Personengruppen (Anwaltschaft, Notariat, Behinderteneinrichtungen, SeniorenvertreterInnen, Sachwaltervereine, Volksanwaltschaft, Angehörige etc.) durch regelmäßige Gesprächsrunden, Arbeitskreise und Diskussionsgruppen intensiv eingebunden. Auch Betroffene selbst wurden befragt.

„Durch diese Zusammenarbeit haben wir nicht nur ein komplett neues Gesetz geschrieben, wir haben einen neuen Prozess der Mitgestaltung geschaffen“, so Wolfgang Brandstetter.

Das vorgelegte Reformkonzept erfüllt die Vorgaben der UN-Behindertenrechtekonvention und schafft eine moderne rechtliche Grundlage, die jedem internationalen Vergleich standhält. „Allgemein lässt sich ein Trend erkennen, der schutzbedürftige Menschen nicht mehr automatisch als pflegebefohlen ansieht. Mit der Reformbestrebung nach mehr Selbstbestimmung und Autonomie für die betroffenen Personen sind wir voll auf der Höhe der Zeit“, so Brandstetter abschließend. Die Begutachtungsfrist ist bis 12. September 2016 angesetzt, in Kraft treten sollen die Neuerungen am 1. Juli 2018.

Volksanwältin Brinek: Quantensprung in der Erwachsenenhilfe

Zentrale Forderungen der Volksanwaltschaft werden mit dem vorliegenden Gesetz berücksichtigt. Hunderte Fälle und Beschwerden langen bei Volksanwältin Brinek jährlich ein. Bisher wurden Sachwalterschaften als zu früh, zu umfassend, zu lange und de facto als Entrechtlichung erlebt. Nunmehr ist immer der Wille der Betroffenen maßgeblich und die gerichtliche Erwachsenenvertretung ultima ratio, nicht für alle Angelegenheiten, zeitlich befristet und die Angehörigen bekommen Rechte.

Mit diesem Gesetz sind die justiziellen Rahmenbedingungen geschaffen. Gefordert bleiben aber weiterhin die Gesundheits- und Sozialpolitik, um eine Selbstständigkeit in allen Lebenslagen zu gewährleisten.

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3 Kommentare

  • Bitte bei der Änderung des Sachwalterrechtes das ungerechte Schicksal der betroffenen Personen zu berücksichtigen, bzw. aufzuheben. Es darf nicht sein, dass „entmündigt, enteignet und entrechtet“ rechtlich in Ordnung sind, das ist mehr als eine Menschenrechtsverletzung. Das Vermögen der besachwalterten Person ist TREUHAND-Vermögen und muss als solches vomSachwalter und auch vom Gericht anerkannt werden. Der § 277 ABGB (Haftung des Sachwalters) hat nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Anwälte als Sachwalter zu gelten. Bisher und heute gilt: Richter und Anwälte sind Kollegen und ein Kollege wird nicht belangt, diese Situation ist ungehäuerlich und hat in unserem Rechtssystem keinen Platz, es muss unbedingt und sofort abgeschafft werden. Auch Anwälte sind wie Privatpersonen gleich zur Verantwortung und zum Schadensregress heranzuziehen. Richter müssen auch einen Anwalt zu Schadenersatz anklagen, auch wenn dieser ein Kollege ist. Bitte schaffen Sie endlich das Ende dieser Schonung für Anwälte als Sachwalter.

  • Ich bin Spezialist fuer Vormundrecht in Japan. Ich habe grosse interesse an der Reform der oesterreichische Sachwalterrecht.