Parlament

Neues Gesetz für die Betreuung pflegebedürftiger Menschen zu Hause

Beschlossen wurden von den SPÖ- und ÖVP-Mitgliedern des Sozialausschusses auch die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes (Gewährung einer Zuwendung aus dem Unterstützungsfonds) und das Hausbetreuungsgesetz (Rund-um-die-Uhr-Betreuung).

Im Bundespflegegeldgesetz wird die Möglichkeit geschaffen, pflegebedürftigen Menschen oder ihren Angehörigen Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung zur Förderung der 24-Stunden-Betreuung zu gewähren. Voraussetzung für die Gewährung einer solchen Zuwendung ist u.a. der Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 5, eine angemessene Beteiligung anderer Gebietskörperschaften an den Kosten der Betreuung und die theoretische Ausbildung der Betreuungskraft, die im Wesentlichen der Ausbildung eines Heimhelfers entspricht. Nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Zuwendung gewährt werden kann, hat der Sozialminister in Form von Richtlinien zu erlassen.

Für den „Aufbau einer leistungsfähigen und intelligent differenzierten Versorgungslandschaft“ für pflegebedürftige und alte Menschen hat die Bundesregierung dem Nationalrat einen Entwurf für ein Hausbetreuungsgesetz samt begleitenden Änderungen in der Gewerbeordnung vorgelegt. Der Gesetzentwurf soll eine Rechtsgrundlage für die bedarfsgerechte Rund-um-die-Uhr-Betreuung alter und pflegebedürftiger Menschen zu Hause und damit einen speziellen Beschäftigungstyp schaffen.

Arbeitsrecht, Sozialrecht und Berufsrecht werden an die Besonderheiten selbständiger und unselbständiger Betreuungsleistungen im privaten Haushalt einer PflegegeldbezieherIn angepasst. Kriterien für die Förderung durch die öffentliche Hand sind Betreuungsausmaß, Pflegebedürftigkeit und soziale Lage. Vorgesehen sind selbständige oder unselbständige Betreuungspersonen für pflegebedürftige Menschen mit Pflegegeld ab der Pflegestufe 3, sofern die Arbeitszeit mindestens 75 % der Normalarbeitszeit beträgt.

Es gelten neue Arbeitszeitregelungen auf der Grundlage des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes und besondere Regelungen für die Bewertung der Arbeitsbereitschaft. Geprüft wird, ob die Notwendigkeit sonstiger arbeitsrechtlicher Sonderregelungen besteht. Qualitätssicherungsmaßnahmen stellen die Voraussetzung für die Inanspruchnahme öffentlicher Förderungen dar.

Der Entwurf lässt Arbeitszeitmodelle zu, die die derzeit illegale durchgehende Betreuung während 14 Tagen durch meist ausländische ArbeitnehmerInnen unter Beachtung ihres notwendigen Schutzes auf eine rechtliche Grundlage stellen. Für andere Betreuungsformen gilt weiterhin das bewährte Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz.

Die Entlohnung richtet sich wie bisher nach den Mindestlohntarifen bzw. Kollektivverträgen. Es wird davon ausgegangen, dass rasch neue Mindestlohntarife beantragt bzw. Änderungen in den Kollektivverträgen vorgenommen werden, die eine gesonderte Bewertung der in den vereinbarten Arbeitszeitmodellen anfallenden Bereitschaftszeiten enthalten.

Die 48-Stunden-Grenze der EU-Arbeitszeitrichtlinie für die Beschäftigung in Privathaushalten kommt auch dann nicht zur Anwendung, wenn ein Arbeitsverhältnis zu einer Trägerorganisation besteht, die Arbeitnehmer/innen jedoch für die Zeit der Betreuung in die Hausgemeinschaft aufgenommen und somit funktional als Hausangestellte tätig werden. Ausübungsvorschriften für Selbständige werden in der Novelle zur Gewerbeordnung getroffen. Sie betreffen Handlungsleitlinien, Zusammenarbeit und Verschwiegenheit.

GRÜNE-Abgeordneter Karl Öllinger kritisierte, dass die illegalen Verhältnisse einfach fortgeschrieben werden. Durch die Fortschreibung

der Arbeitszeit und der Arbeitsverhältnisse gerate man sehenden Auges in eine Situation, die auf beiden Seiten zu Missbrauch und Verfehlung führen könne. Was vorliegt, sei keine Lösung für den bestehenden Notstand. Eine qualitativ hochwertige Palette an alternativen

Dienstleistungen gebe es nicht.

Abgeordneter Franz-Joseph Huainigg (ÖVP) meinte, mit den beiden zur Diskussion stehenden Gesetzen werde die Pflegeproblematik nicht zur Gänze gelöst. Wissen wollte der Mandatar, ob sichergestellt sei, dass die Leistungen aus dem Unterstützungsfonds nicht gekürzt werden.

Sozialminister Erwin Buchinger betonte, dass die Bundesregierung bereits während der Koalitionsverhandlungen wichtige Schritte im Zusammenhang mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung gesetzt habe. Seinem Vorredner gab der Minister Recht, dass die Pflegeproblematik nicht zur Gänze gelöst werde; noch viele Schritte sind zu setzen, so Buchinger. Heute werde „nicht der wichtigste, aber ein dringlicher Schritt“ getan. Nun werde die legale Grundlage für eine 24-Stunden-Betreuung gelegt.

Äußerst kritisch zu den beiden Vorlagen äußerte sich Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ). Er sah insbesondere riesige Finanzierungslücken und bezweifelte, dass diese tatsächlich gedeckt werden. Auch im Hinblick darauf, dass das Lohnniveau in den neuen EU-Ländern steigen werde, werde man sich diese Pflegekräfte nicht mehr leisten können, bemerkte er. Unabhängig von der Kostenfrage blieben für ihn zahlreiche weitere Punkte offen, woraus er den Schluss zog, man müsse sich ein neues System einfallen lassen.

Ebenfalls ablehnend waren die Wortmeldungen der Abgeordneten Birgit Schatz und Theresia Haidlmayr (beide GRÜNE). Schatz prangerte insbesondere die Art der Arbeitsverhältnisse an, die durch das neue Hausbetreuungsgesetz entstehen werden, und meinte, dass diese den heutigen Anforderungen in keiner Weise entsprechen. Dazu komme, dass in diesem Bereich das Arbeitsinspektorat nicht berechtigt ist zu

prüfen.

Sie hielt es auch für inakzeptabel, dass Pflegekräfte nach dem Tod von betreuten Personen etwaige anstehende Ansprüche über das Verlassenschaftsverfahren einfordern müssen. Abgeordnete Haidlmayr fand harte Worte zu der Vorlage und sagte, die Regierung führe damit die Menschen hinters Licht. Sie forderte die Zurückziehung des Hausbetreuungsgesetzes und die Verlängerung der Amnestie. Der vorliegende Vorschlag werde an der gegenwärtigen Situation nichts ändern, meinte sie, man gebe dem Ganzen nur ein anderes Mascherl. Auch ihrer Ansicht nach sind die tatsächlich anfallenden Kosten zu gering berechnet.

Abgeordnete Ursula Haubner (B) konzedierte, die Regierung habe sich zwar bemüht, ihrer Einschätzung nach ist das vorliegende Hausbetreuungsgesetz jedoch nicht geeignet, Teil einer späteren Gesamtlösung zu sein. Den Auftrag, die Pflege legal, leistbar und Qualität sichernd zu gestalten, leiste der Gesetzesvorschlag nicht.

Auch könne niemand sagen, was im Endeffekt die Betreuung kostet. Das alles führe zu Verunsicherung und in weiterer Folge bestehe die Gefahr, dass die Betreuung in weiten Bereichen weiterhin illegal erfolgt. Haubner ortete auch eine mangelnde Abstimmung zwischen dem Bundespflegegeldgesetz und dem Hausbetreuungsgesetz und forderte, vor allem die Chancen für die einheimischen Pflegekräfte zu wahren.

Im Gegensatz zu diesen kritischen Äußerungen vertraten die Abgeordneten der ÖVP die Auffassung, dass das Hausbetreuungsgesetz als ein erster Schritt betrachtet werden müsse. Vor allem werde es jene Frauen entlasten, die Betreuungsarbeit leisten, betonte Abgeordnete Ridi Steibl (V). Sie räumte ein, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind. So sei der Teil der Finanzierung noch nicht abgeschlossen, weil die Verhandlungen mit den Ländern noch zu keinem Ergebnis geführt haben. So sei nun vorerst der Bund am Zug.

Sie hoffe aber, dass Bundesminister Erwin Buchinger die Verhandlungen mit den Ländern fortführe und dass die Frage auch im Rahmen des Finanzausgleichs gelöst wird. Während der Teil des Sozialministeriums somit unvollständig sei, fasste Steibl zusammen, habe das Wirtschaftsministerium unter Minister Bartenstein und Staatssekretärin Marek gut gearbeitet. Ähnlich äußerte sich Abgeordnete Maria Grander, die unterstrich, dass es notwendig sei, an der Materie weiter zu arbeiten und nach einer Ist-Analyse eine umfassende Lösung anzustreben.

Als einen Mosaikstein betrachtete Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ) das Hausbetreuungsgesetz. In Richtung Opposition merkte sie an, es gebe kein Entweder-Oder, vielmehr müssten weitere Maßnahmen gesetzt werden. Die vorgeschlagenen Bestimmungen würden nun geordnete Verhältnisse schaffen. Ihr sei es wichtig, dass darin Qualitätsstandards festgeschrieben sind, Finanzierungsmöglichkeiten vorliegen und es eine Absicherung gibt. Gegenüber Abgeordneter Steibl verteidigte sie den Sozialminister, der aus ihrer Sicht sehr gute Arbeit geleistet hat.

Staatssekretärin Christine Marek hielt am Beginn ihrer Stellungnahme fest, beim vorliegenden Gesetz handle es sich um einen Kompromiss. Man habe damit einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gesetzt und einen ersten Versuch gestartet, einen Rahmen zu schaffen.

Man werde die Umsetzung und Auswirkung evaluieren und dann beurteilen, welchen Änderungsbedarf es gibt. In Beantwortung einzelner Fragen wies sie u.a. darauf hin, dass mit der Novelle zur Gewerbeordnung genauere Formulierungen zur Betreuung getroffen werden und darauf basierend entsprechende Verordnungen in Begutachtung geschickt werden, um die Qualität zu sichern. Sie stellte auch klar, dass Pflege und Gesundheitsleistungen vom vorliegenden Gesetz ausgenommen sind. In Bezug auf die Entlohnung werde es Verhandlungen der Sozialpartner geben müssen, sagte sie, ebenso im Hinblick auf die Arbeitszeit. Die im Gesetz genannten Arbeits- und Ruhezeiten stellten lediglich einen maximalen Rahmen dar.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich