Neuregelung der erhöhten Familienbeihilfe und dabei noch ungelöste Probleme

Die Debatte rund um die erhöhte Familienbeihilfe erfasste im Sommer völlig unerwartet auch Menschen mit Beeinträchtigungen, als diese plötzlich mit Einstellungen und Ablehnungsbescheiden konfrontiert waren.

Symbolbild: Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe
Norbert Krammer

Eine Begründung dieser neuen Vorgehensweise der Finanzämter gab es gegenüber den Familien und Leistungsbezieher*innen vorerst keine bzw. blieb diese sehr vage. Schließlich wurde auf jüngste Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Reformbedarf vom Zaun gebrochen

Jüngst bezog sich allerdings auf die Jahre 2013 und 2016 – also nicht mehr ganz so aktuell, um diese grundsätzlich neue Vorgehensweise zu erklären. Hinzu kommt, dass die Entscheidungen des Höchstgerichts sich auf sehr spezifische Bedingungen wie Strafhaft und Grundversorgung bezogen.

Eine Lebensrealität, die nichts mit jener von Menschen mit Beeinträchtigungen zu tun hat, die auf die Leistungen der erhöhten Familienbeihilfe im Sinne eines selbstbestimmten Lebens angewiesen sind.

Schnellschuss bei der Novellierung

Von Seiten der Regierungsparteien wurde noch im Sommer eine „Reparatur“ des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG), das den Bezug der Familienbeihilfe regelt, angekündigt. Nun sollte auch diese neue Gesetzesinterpretation durch die Finanzämter bei der Novellierung berücksichtigt werden.

Trotz der weitreichenden Auswirkungen des Gesetzes wurde auf ein Begutachtungsverfahren verzichtet. Von verschiedenen Organisationen wurden dennoch Stellungnahmen verfasst, um den Abgeordneten ihre Expertise vor der Beschlussfassung zur Verfügung zu stellen.

So kam es noch zu einem fachlichen Austausch mit den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses und der Fachabteilung des Familienministeriums, der später als Einbeziehen der Behindertenorganisationen präsentiert wurde. Am ungenau formulierten Gesetzestext änderte sich allerdings nichts mehr. Dieser wurde unverändert im Parlament beschlossen.

Was es jedoch geben sollte, ist eine Präzisierung durch einen Einführungserlass für den Vollzug. Außerdem soll ein laufendes Monitoring mit Bericht an das Parlament stattfinden, um die Auswirkungen und befürchteten Nachteile rechtzeitig sichtbar zu machen.

Leider bleibt der Erlass bisher auch sprachlich den veralteten Bezeichnungen des FLAG verpflichtet und verzichtet auf zeitgemäße, nicht diskriminierende Begriffe. Besonders verstörend wird die Tatsache erlebt, dass durchgehend vom leistungsberechtigten „Kind“ gesprochen wird, obwohl es sich um längst volljährige erwachsene Menschen mit Beeinträchtigungen handelt.

Entwurf zum Erlass bringt erste Klärungen

Der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Beeinträchtigungen muss wie bisher als Selbstbezug auch in selbständigen Wohnformen, wie z.B. eigene Wohnung, betreute Wohnformen, Trainingswohnungen, etc., möglich sein. Durch die Novelle muss nun eine „eigenständige Haushaltsführung“ nachgewiesen werden.

Dabei handelt es sich um einen sehr unbestimmten neuen Rechtsbegriff. Wenn dieser sehr eng ausgelegt wird, besteht die Befürchtung, dass nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen in stationären Einrichtungen den Anspruch der erhöhten Familienbeihilfe verlieren könnten, sondern auch jene, die beispielsweise mit Unterstützung in einer eigenen Wohnung leben.

Daher ist es entscheidend, dass der Begriff der Haushaltsführung im Sinn der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) definiert wird. Denn gerade das selbstbestimmte Wohnen mit erforderlicher Unterstützung wird durch die Konvention abgesichert.

Es muss deshalb in dieser Dimension bei den Bestimmungen zum Vollzug des Gesetzes berücksichtigt werden, um für Menschen mit Beeinträchtigungen den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe sicherzustellen.

Der mittlerweile vorliegende Entwurf des Einführungserlasses bietet für dieses Ziel bereits eine gute Basis. Er kann jedoch noch nicht alle Undeutlichkeiten des Gesetzes verbindlich klären und sollte daher noch ergänzt werden.

Jeder Beitrag soll als Eigenleistung gelten

Die Frage der Eigenleistung, als eine weitere leistungsauslösende Voraussetzungsvariante, wurde im Entwurf des Einführungserlasses bereits sehr lebensnah formuliert. Künftig soll jede auch noch so geringe finanzielle Beteiligung für den Anspruch auf Familienbeihilfe ausreichen.

Die Klärung, dass in diesem Fall der Lebensunterhalt eben nicht zur Gänze aus staatlichen Mitteln gesichert wird, ermöglicht die Auszahlung und damit selbstbestimmte Lebensformen.

Die Anregung, dass der Bezug eines sogenannten „Anerkennungsbeitrages“, beispielsweise „Taschengeld“ oder Erfolgsprämie der Werkstatt, als Voraussetzung anerkannt werden soll, wurde aufgenommen.

Hier besteht eine Besonderheit gegenüber anderen Einkünften. Denn diese Kleinbeträge sollten beim Menschen mit Beeinträchtigung verbleiben und nicht zwingend einen Kostenbeitrag zur Lebensführung darstellen, der tatsächlich geleistet wird. Diesbezüglich fehlt noch eine präzise Formulierung im Erlass.

Das könnte allerdings sehr einfach durch eine Ergänzung der „Fallbeispiele“, mit denen den vollziehenden Behörden die konkrete Umsetzung der komplexen Sachverhalte erleichtert werden soll, erreicht werden.

Was der Erlass noch klarer regeln muss

Derzeit sieht der Einführungserlass vor, dass kein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe bei Strafhaft oder Maßnahmenvollzug besteht. Dabei handelt es sich um eine überschießende Interpretation oder gar Erweiterung ohne gesetzliche Grundlage.

Es fehlt hier eine Abgrenzung zur Situation der bedingten Entlassung. Wenn zum Beispiel Menschen mit psychischen Erkrankungen aufgrund einer gerichtlichen Weisung in einer Forensik-Nachsorgeeinrichtung leben müssen, dann wird ihnen dafür auch ein Kostenbeitrag abverlangt. Diese Vorgehensweise ähnelt jedoch sehr deutlich den finanziellen Kostenbeiträgen, die als leistungsberechtigend für die Familienbeihilfe definiert werden. Daher muss hier eine Gleichbehandlung erfolgen.

Beteiligung als Gebot der Stunde

Der Prozess zur Novellierung des Familienlastenausgleichsgesetzes hatte erst durch vehemente Kritik eine Einbeziehung von Selbstvertreter*innen und Behindertenorganisationen zur Folge. Österreich hat sich allerdings mit der Ratifizierung der UN-BRK zu anderen Standards verpflichtet.

Die Beteiligung von Menschen mit Beeinträchtigungen sollte bei Regelungen des Staates, die sie betreffen, automatisch erfolgen und nicht erst bei Protesten. Das aktuelle Beispiel zeigt deutlich, dass direkte Kommunikation und Dialog mit den Anspruchsgruppen schon bisher zu tragfähigen und nachhaltigen Lösungen führt.

Daher nochmals der Appell, die Erfahrungen von Selbstvertreter*innen und Behindertenorganisationen im Einführungserlass zu berücksichtigen, um auf diese Weise ein selbstbestimmtes Leben im Sinne der UN-BRK zu ermöglichen.

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