Gut gemeint ist das Gegenteil von gut

"Unsere Kleidung ist auch für behinderte Kinder", meint man bei Benetton, wo sich Kreativchef Oliviero Toscani für den neuen Herbstkatalog auf das "Tabuthema Behinderte in der Werbung" verlegt hat.

Werbekatalog Benetton
Toscani, Oliviero

Toscani meint ganz richtig: „Behinderte sind Teil unserer Gesellschaft“ (Gut, weil eigentlich selbstverständlich.)

Leider jedoch setzt er im Kurier-Interview vom 13. September 1998 fort: „Bei ihnen ist die Welt noch in Ordnung. Hier ist Schönheit und Wahrheit. Hier gibt es keine Lüge.“ (Gut gemeint, also ganz, ganz schlecht.)

Soviel Schönfärberei, und das noch unter der Prämisse, Tabus brechen zu wollen??

Ach ja – haben Sie eigentlich den Benetton-Katalog mit den „mongoloiden“ Kindern schon selbst gesehen? Wie finden Sie den?

Tja, wie werden Sie jetzt antworten?
Werden Sie zu einer Brandrede ansetzen und das Selbstverständliche erklären?

Erläutern, wie furchtbar unaufgeklärt Sie es finden, das Wort „mongoloid“ zu verwenden und nicht von Menschen mit Down-Syndrom zu sprechen?

Den Unterschied erklären zwischen Krüppeln und behinderten Menschen, zwischen Negern und Schwarzen, zwischen (zumindest) PolitikerInnen und der Frau Landeshauptmann?

Oder auf den furchtbaren Titel des Kataloges – „Die Sonnenblumen“ – eingehen (reden wir von Pflanzen am Wegesrand oder eventuell doch von Menschen??), das stellenweise grauenhafte Vorwort der italienischen Bestsellerautorin Susanna Tamaro – Kitsch as Kitsch can – erwähnen?

Die schaurig-schöne Lüge von den ewig glücklich lächelnden behinderten Kindern ansprechen, die „keine Bosheit, keine Lüge, keine Falschheit“ kennen, die „mit strahlenden Augen“ kommen, um „unsere Herzen zu sprengen“?

Kritisieren Sie, daß in diesem Zusammenhang natürlich kein Platz bleibt für die Erwähnung von menschlichen Regungen, wie zum Beispiel die sprichwörtliche Dickköpfigkeit und Sturheit dieser „lieben Kleinen“?

Und dann haben diese Kinder auch noch den Fehler, zu Jugendlichen heranzuwachsen, die Akne genauso haben wie sexuelle Bedürfnisse. Was passiert mit diesen Kindern, wenn man sie nicht mehr nur in bunte Pullis zu stecken braucht, um sie „putzig“ und „drollig“ finden zu können?

Sie werden dann lang schon nicht mehr in die grellbunten Klamotten passen, die sie als Honorar für ihre Model-Dienste behalten durften.

Allerdings – in der Institution St. Valtenin/BRD werden die meisten von ihnen wohl immer noch leben, die dezidierte, über Jahre hinweg erfolgte Aussonderung ohne jeden Anspruch auf Integration wird Früchte getragen haben – in Form von neuen Sonderinstitutionen, in denen auf der einen Seite die Kranken, die Behinderten stehen und auf der anderen die „Gesunden“.

Werden Sie sich diese Fragen stellen? Dann findet die angekündigte Revolution, der große Tabubruch ja vielleicht doch statt und wir lernen alle, daß wir uns nicht fürchten müssen – nicht vor geistig behinderten Kindern und Erwachsenen, nicht vor Menschen im Rollstuhl oder mit anderen körperlichen Behinderungen, nicht vor Dingen, die einfach nur anders sind.

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