Erster europäischer Tag für seltene Erkrankungen am 29. 2. 2008

Oft ist es schwierig, für eine seltene Erkrankung Verständnis zu schaffen, da man manchmal schon im Vorfeld sehr lange dafür braucht, etwas relativ Komplexes mit wenigen und im besten Fall einfachen Worten zu erklären.

Logo: Rare Disease Day
Orphanet

Endlich! Als Mutter einer Jugendlichen, die mit einer seltenen Erkrankung geboren ist, erfuhr ich von unserer Selbsthilfegruppe, der Cystischen Fibrose (kurz CF) Hilfe vor kurzem vom Aktionstag („Ein seltener Tag für ganz besondere Menschen“ – „A Rare Day for Very Special People„) dachte mir: Endlich – es wird Zeit!

Petition

Im Internet unter www.orphanet-austria.at finden Interessentinnen und Interessenten die wichtigsten Informationen zum Aktionstag, der am 29. Februar stattfindet, weiters kann die „Petition für einen Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen in Österreich“ unterzeichnet werden. Diese wird dann der Gesundheitsministerin persönlich übergeben. Wer auch immer sich angesprochen fühlt, möge diese Petition bitte unterzeichnen!

Was ich an Orphanet so toll finde, ist das europaweit gesammelte Wissen, das Patienten, Ärzten und Organisationen gleichermaßen gratis zur Verfügung steht. (Siehe internationale Seite)

Womit man als Betroffene/r einer seltenen Erkrankung oder auch als Elternteil im Laufe seines Lebens konfrontiert wird, liefert mitunter Stoff für mehrere Bücher.

Oft ist es schwierig, für eine seltene Erkrankung Verständnis zu schaffen, da man manchmal schon im Vorfeld sehr lange dafür braucht, etwas relativ Komplexes mit wenigen und im besten Fall einfachen Worten zu erklären. Egal ob im Freundeskreis, im Kindergarten, in der Schule oder dann im Beruf.

Medizinische Betreuung findet meist nur in Spezialambulanzen statt, hohe Ausgaben für Medikamente sowie überdurchschnittliches Organisationstalent betreffend Vereinbarkeit von Schule / Beruf mit häufigen ambulanten Kontrollen oder Spitalsaufenthalten fordern sehr viel Kraft, in erster Linie von den Betroffenen selbst, aber auch von ihren Eltern.

Weiters ist man auf wenige Fachärzte angewiesen und muss selbst ein großes Fachwissen erwerben. Wenn man also an einer Behandlungsempfehlung seine Zweifel hat, so bleibt kaum die Möglichkeit, sich eine Zweitmeinung zu holen. Allerdings sind hier die Selbsthilfegruppen und das Internet mit seinen Foren eine große und nicht mehr wegzudenkende Gemeinschaft, die im Einzelfall helfen kann, Entscheidungen zu überdenken.

Beispiele aus der Praxis

Diese Beispiele betreffen Menschen mit CF und ich hoffe, dass sie irgendwann der Vergangenheit angehören werden, sofern die Petition gelesen, aber vor allem umgesetzt wird und nicht in irgendeiner Schublade verschwindet:

Beispiel 1: Kosten für Medikamente

CF ist eine Erkrankung, bei der meist von Geburt an lebenslang sehr viele Medikamente eingenommen werden müssen. Unsere Personengruppe erlebt laufend, dass Pharmafirmen die Produktion von Großpackungen für Medikamente, die als Dauertherapie verordnet wurden, einfach eingestellt, da sich das für sie nicht rechnet.

Das bedeutet in der Praxis: statt einer Groß- oder Bündelpackung muss man 10 Einzelpackungen kaufen, um die selbe Menge Medikament zu erhalten, um den Preis von € 4,80 pro Packung (Rezeptgebühr Stand 2008). Wer ein so geringes Einkommen hat, dass er eine Rezeptgebührenbefreiung erhält, hat da noch „Glück“.

Bei CF-Erwachsenen (oder AlleinerzieherInnen – und/oder verdienerInnen von CF-Kindern) sieht das dann oft schon anders aus: liegt man (wenn auch nur geringfügig) über bestimmten Einkommensgrenzen, gibt es auch keine Befreiung. Wer von dieser Vorgehensweise der Firmen / Krankenkassen profitiert, überlasse ich der Fantasie der LeserInnen.

Beispiel 2: Bewilligungen und Kosten für Physiotherapie oder andere therapeutische Angebote sowie Heilbehelfe

Speziell bei CF ist tägliche Physiotherapie unumgänglich weil lebenserhaltend. Die Bewilligungen für Verordnungen sind ständig (für jeweils 10 Behandlungen) aufs Neue vom Hausarzt zu holen und vom Chefarzt zu bewilligen – und das bei einer Erkrankung, die als fortschreitend und bis dato nicht heilbar klassifiziert ist.

Die Kasse bezahlt in unserem Fall (habe eine mobile Physiotherapeutin, da organisatorisch anders kaum möglich) ca. 2/3 des Stundensatzes, NACHDEM die 10 Stunden beansprucht und bezahlt sind. Bei 2 Stunden wöchentlich bedeutet das (jeder, der für Physiotherapie selbst bezahlen muss, kennt die Stundensätze), dass ich monatlich Beträge auslegen muss, die ich eigentlich gar nicht habe …

Beispiel 3: Pflegegeld

So lobenswert die Einführung des Pflegegeldes ist, das perverse bei CF ist: je mehr Maßnahmen (physiotherapeutische und medizinische) durchgeführt werden, desto eher kann man einen befriedigenden gesundheitlichen Zustand erhalten. Hat man nun die Pflegegelduntersuchung und dem Patienten geht es gut, so wird man entweder von vornherein sehr niedrig eingestuft oder im schlimmsten Fall um eine Stufe runtergesetzt.

DAMIT es aber einem Menschen mit CF gut geht, muss dieser sehr viel Zeit in die oben genannten Maßnahmen investieren, die aber nach dem derzeitigen Modell der Zuerkennung von Pflegegeld nicht angerechnet werden.

Beispiel 4: Personalknappheit und/oder Sparmaßnahmen im Spital

In Wien als Einzugsgebiet für Niederösterreich und das Burgenland stehen in Summe 12 Spitalsbetten für eine Personengruppe von ca. 150 – 200 CF-PatientInnen und einige wenige Fachfrauen und -männer für diese Erkrankung zur Verfügung. Wenn nun Ärzte in der Spezialambulanz fehlen oder diese verlassen, kommt es bei der Versorgung der Patienten ganz schnell zu einem Engpass.

Weiters werden Einzelzimmer in den Spitälern benötigt, weil durch die Lungenproblematik bei CF eine erhöhte Infektionsgefahr durch andere PatientInnen besteht. Auch das ist ein Kostenfaktor für die Spitäler. Auch wenn meine Tochter persönlich noch nie die Erfahrung machen musste, lange auf ein Bett zu warten – die immer massiver werdenden Sparmaßnahmen in den Krankenanstalten und -kassen wirken sich auch hier aus.

Beispiel 5 : e-Card

Die e-Card birgt für chronisch kranke Menschen das Problem, dass sie nun für jedes Rezept und jeden Vorgang (z. B. die Ausstellung einer Verordnung oder Überweisung für eine Untersuchung) extra zum Arzt gehen müssen – früher gab man einmal im Quartal den Krankenschein ab und konnte ggf. telefonisch erbetene Rezepte einfach abholen.

Wenn meine Tochter also zum Beispiel ein neues Medikament verordnet bekommt, für das sie noch keine Langzeitbewilligung von der Krankenkasse hat, so muss ich mindestens 1-2 mal pro Woche zum Hausarzt, da dieser ja bei den meisten Medikamenten maximal 2-3 Packungen auf ein Rezept schreiben darf. Wie zuletzt erlebt, ein Antibiotikum als Dauertherapie mit einer Packungsgröße von 14 Stück, wobei 3 Tabletten pro Tag genommen werden müssen.

Sie können selbst nachrechnen, wie viele Packungen man pro Woche / Monat benötigt. Und dann für jede Packung ein Rezept holen und natürlich auch zur Apotheke gehen, etc. …

Wenn ich mir was wünschen dürfte, käm´ ich NICHT in Verlegenheit

Manchmal wünsche ich mir eine eigene Mitarbeiterin, die nur die „Amts- und Arztwege“ für mich erledigen würde. Die meine unzähligen Briefe für Bewilligungen schreibt, kopiert und eingeschrieben bei der Post aufgibt.

Die mit mir gemeinsam mit Ärzten diskutiert, am besten über umfangreiches medizinisches Wissen verfügt, das mit jedem neuen Aspekt der Erkrankung gefragt ist und hilft, die für meine Tochter richtigen Entscheidungen zu treffen.

Weiters würde ich mir freie Wahl für den Besuch eines Lokals oder Restaurants für CF-PatientInnen wünschen: Meine Tochter kann zum Beispiel nur in der warmen Jahreszeit (also wenn es Schanigärten gibt) ein Lokal oder große Veranstaltungen besuchen, da die verrauchte Luft in den meisten Lokalen und Veranstaltungsorten für ihre Lunge fatal ist.

Ein anderes Beispiel betrifft einen jungen Erwachsenen, der auf der Universität Wien Lungenblutungen bekommt, da auf den Gängen vor den Hörsälen trotz Rauchverbot geraucht wird. Er kann daher für sein Studium relevante Vorlesungen nicht besuchen!

Und manchmal denke ich sogar darüber nach, noch Medizin zu studieren, und zwar aus zwei Gründen:

  1. hat man es als Elternteil in einem Krankenhaus gegenüber behandelnden Ärzten leichter (andere Gesprächsbasis, vielleicht wird man dann eher als vollwertiger Gesprächspartnerin gesehen,…) und
  2. dürfte ich einige Maßnahmen zu Hause durchführen, für die meine Tochter 3 – 4 wöchig zu Kontrollen muss bzw. auch wochenlang im Spital verbringen muss (Port-a-Cath spülen, IV-Antibiotika-Therapien, etc.).

Konklusio

Ich bin froh darüber und dankbar, in Österreich zu leben und dass es hier eine gute medizinische Versorgung für Menschen mit seltenen Erkrankungen gibt, denn wir brauchen oft nur über die Grenzen unserer Nachbarländer zu sehen, um so manches Ärgernis oder manche Forderung zu relativieren.

Andererseits bemerke ich – wie in vielen Bereichen, in denen es um medizinische und soziale Themen geht – eine steigende Tendenz, gut funktionierende Strukturen durch Sparmaßnahmen zu zerstören. Ich hoffe daher für alle Menschen mit einer seltenen Erkrankung, dass die o.a. Petition etwas bewirkt und möchte Sie als Leserinnen und Leser anregen, diese zu unterstützen.

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