Nicht um Mitleid geht es

Der 3. Dezember, der "Internationale Tag der Menschen mit Behinderung", wird seit 1993 jährlich als Gedenk- und Aktionstag begangen.

Ortschild mit Aufdruck Oberösterreich
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Dabei denke ich aber nicht an Mitleid oder gar an die „Reservate der frömmelnden Fürsorge und des Wohlfahrtsstaates“, wie Papst Franziskus kritisch feststellte, sondern um die Würde und die Rechte von Menschen.

Ich denke an Inklusion und an die uneingeschränkte Teilhabe in allen Lebensbereichen, wie sie in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben wurde. In den ersten acht Jahren, seit diese „Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ beschlossen wurde, hat es in Österreich auf Bundesebene und in einigen Bundesländern erste Pläne zu deren Umsetzung gegeben.

Zögerlich zwar und mit langen Übergangsfristen wurden Strategien entwickelt, wie ein selbstbestimmtes und von Diskriminierungen freies Leben von behinderten Menschen ermöglicht werden könnte.

So gibt es Vorhaben in Bereichen wie individuelles Wohnen, gemeinsame Bildung, Berufsleben, Mobilität oder Persönliche Assistenz. Sie alle eint das Ziel, Inklusion, Barrierefreiheit und Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen zu verwirklichen. Nur an Oberösterreich scheinen die ersten acht Jahre der Behindertenrechtskonvention spurlos vorbeigegangen zu sein.

Die Wartelisten auf Wohnplätze reichen weit ins nächste Jahrzehnt, individuelles Wohnen außerhalb von Einrichtungen sind kein Thema, die Inklusion in der Grundschule stagniert, Barrierefreiheit ist eine Baustelle, die Mobilität außerhalb von Linz ein Desaster und auf Persönliche Assistenz – um selbstbestimmt leben zu können – warten inzwischen 360 Betroffene.

Für einen Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention wurden in Oberösterreich bisher nicht einmal Vorarbeiten geleistet.

Und der „Monitoringausschuss“, ein gesetzlich vorgeschriebenes unabhängiges Gremium, das die Verwirklichung der Konvention begleiten und kontrollieren soll, hat am 7. September 2015 zuletzt getagt.

Der Grund: Der Vorsitz des Kontrollgremiums ist seit 15 Monaten unbesetzt! Es ist eine traurige Bilanz, die 2016 zum „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ gezogen werden muss: Alle vollmundigen Bekenntnisse zu Inklusion und zu selbstbestimmtem Leben für eine große Gruppe unserer Gesellschaft blieben bisher nur an den Lippen hängen.

Dabei geht es am 3. Dezember – wie gesagt – nicht um Mitleid oder um einen sozialen Wunschkatalog, sondern um Verpflichtungen, die die Republik Österreich vor acht Jahren eingegangen ist.

Es sind Menschenrechte, um die es hier geht!

Dieser Kommentar ist zuerst am 2. Dezember 2016 in den Oberösterreichischen Nachrichten erschienen.

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3 Kommentare

  • noch ein Link zu einem TV-Beitrag auf LT1 über Oberösterreich und einer kürzlich stattgefundenen Podiumsdiskussion mit PolitikerInnen zum Thema „Selbstbestimmung anstatt Wartelisten“:
    https://www.lt1.at/programm/06-12-2016/episode/abstellgleis-behinderte-kritisieren-ooes-regierung

  • Vielen Dank lieber Gunther, dass du die oberösterreichische Situation so klar auf den Tisch bringst. Menschenrechte sind in unserem Bundesland echt schon wenig wert. Es zählt nur noch der Sparwahn unter Schwarz-Blau.

    • Danke, Klaudia! Aber mit MitstreiterInnen wie Dich und anderen von der SLI-OÖ werden wir schon weiter dran bleiben. Den „langen Atem“ haben wir noch nicht verloren!