Im BIZEPS-Interview spricht Nico Langmann, erfolgreicher österreichischer Rollstuhltennisspieler und Paralympics-Teilnehmer, offen über seine Erfahrungen und Gedanken zu ableistischen Darstellungen in den Medien.
Besonders die ORF Castingshow „Die große Chance“ vom 12. April 2024 hat bei Nico Langmann tiefe Eindrücke hinterlassen.
Der Auftritt der Tanzgruppe „Indeed Unique“ aus Wien auf dieser Plattform war für Langmann besonders irritierend.
Kurze Zeit nach der Ausstrahlung der Show nahm Langmann seine Eindrücke und Gedanken auf Instagram auf.
Er teilte mit, dass er schockiert war und bat seine Follower um deren Meinungen zum besagten ORF-Beitrag.
Der Post stieß auf großes Interesse und es gab dazu nahezu 2.000 Reaktionen.
Im Interview mit BIZEPS erläuterte Langmann weiter, warum es ihm wichtig war, diese Diskussion öffentlich zu führen.
Nico Langmann im Gespräch: Ableismus in der Medienwelt am Beispiel von „Die große Chance“
BIZEPS: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie diesen Auftritt gesehen haben?
Nico Langmann: Ich bin mir durchaus bewusst, dass ableistisch geprägte Klischees in weiten Teilen der Gesellschaft das Bild von Menschen mit Behinderungen ausmachen.
Deswegen war die Darstellung bei dem Auftritt für mich nicht sonderlich überraschend, aber wie sehr man hier „auf die Tränendrüse“ gedrückt hat, war doch beinahe befremdlich. Und ich wusste eigentlich sofort, dass man das nicht so stehenlassen kann.
BIZEPS: Was hat Sie zu dem vielbeachteten Instagram-Post motiviert?
Nico Langmann: Die ausbleibende Reaktion auf den Beitrag hat mich motiviert. Sowohl bei der Sendung, wo direkt nach dem Auftritt nur Standing Ovations und emotional berührte Gesichter gezeigt wurden.
Als auch danach ist die mediale Kritik ausgeblieben, auch auf Social Media habe ich keinen kritischen Kommentar gefunden. Dann dachte ich, ok, dann muss ich mal meine Sicht der Dinge schildern.
BIZEPS: Was hat Sie besonders am Beitrag in der Castingshow gestört bzw. irritiert?
Nico Langmann: Die offensichtliche und mit diversen Mitteln unterstrichene Botschaft: Nur ohne Behinderung ist das Leben lebenswert. Während der Protagonist in der „virtuellen Realität“ seinen Traum lebt und wieder gehen kann, ist das Bühnenbild hell ausgeleuchtet, farbenfroh und es spielt fröhliche Musik („I‘ve been locked out of heaven, for too long“).
Als er aber aus dieser Welt zurück kommt (und von diversen Tänzer:Innen zurück in den Rollstuhl getragen wird) ist das Bühnenbild dunkel und grau, die Darsteller haben traurige, verzweifelte Gesichtsausdrücke und im Hintergrund singt Radiohead „I‘m a creep, I‘m a weirdo„.
Seinen Unmut über seine nicht funktionierenden Beine tut der Protagonist auch kund, indem er immer wieder auf sie einschlägt. Also kurz: mich hat alles an dem Beitrag irritiert.
BIZEPS: Viele sagen, dass dieser Beitrag ableistisch war; sehen Sie das auch so?
Nico Langmann: Ja, wegen den oben genannten Gründen. Auf dem Rücken von Menschen mit Behinderungen wurde der Beitrag emotional aufgeladen und bedient alle Klischees, die ich einfach langsam Leid bin.
BIZEPS: Was hätte der ORF Ihrer Meinung nach besser machen können?
Nico Langmann: Ich glaube, dass alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Nur bei diesem Beitrag wurde glaube ich einfach vergessen, dass es sich um eine Inklusionsthematik handelt und man hier vielleicht Expert:innen zu Rate ziehen und abklären sollte, ob denn der Beitrag im öffentlich rechtlichen Rundfunk gezeigt werden kann.
Ich glaube aber auch, dass wir gemeinsam durch stetes Aufzeigen von genau solchen Fällen eine generelle Sensibilisierung vorantreiben und hoffe, dass wir in Zukunft nicht mehr über solche Geschichten im Fernsehen diskutieren müssen.
BIZEPS: Wie schätzen Sie bisher die Reaktionen ein?
Nico Langmann: Öffentlich habe ich sehr viel Zuspruch erfahren, sehr viele Leute haben meine Sichtweise geteilt und die Botschaft weitergeleitet. Sowohl der ORF als auch die Tanzgruppe haben sich sehr betroffen gezeigt und wollen alles daran setzen, das Thema wieder gerade zu biegen.
Kritische Stimmen habe ich nur in privaten Nachrichten erhalten, was normal ist, wenn man seine Meinung öffentlich macht – nicht jeder teilt diese.
BIZEPS: Vielen Dank für das Interview.
Hier kann man den Tanz-Auftritt auf YouTube nachsehen.
Update zur Aufarbeitung: ORF und Indeed Unique reagieren
Nico Langmann hat auf Instagram ein Update gegeben. Er teilte mit, dass sowohl der ORF als auch die Tanzgruppe Indeed Unique auf sein Video reagiert haben und sich verpflichtet fühlen, das Thema gründlich aufzuarbeiten.
Langmann kündigte an, dass bald weitere Informationen folgen werden. Abschließend dankte er seiner Community: „Vielen Dank an alle, die geholfen haben, dieses wichtige Thema zu verbreiten! 🙂“
Siehe: ORF
Monika Schmerold,
12.06.2024, 14:08
Ich danke Nico Langmann für sein Statement! Die Behindertencommunity braucht genau solche Persönlichkeiten, die öffentlich gehört werden, derartige Mißstände aufzeigen und eine öffentliche Diskussion anregen. Damit endlich alle verstehen, Menschen mit Behinderung sind weder Opfer noch Helden.
Thomas Kovacs,
03.05.2024, 09:51
Leider sind diese Bilder und Sichtweisen in die Gesellschaft einbetoniert
das man sich denkt verdammt nochmal hat sich den in 40 Jahren wirklich so wenig geändert letztens hätte mich eine Verwandte fast zum Explodieren gebracht, mit der Bemerkung
„Du machst das alles großartig wie toll Du Dein Leben meisterst“
ich hätte ihr fast das Gesagt, was Ihr Vater immer sagte
„was wäre den die Alternative ich könnt mich aufhängen“
warum sieht man mich (uns) nicht einfach als normalen Menschen
Selina,
03.05.2024, 00:45
Ich kann die Aufregung verstehen. Leider wurde die Message von den Nummer ganz falsch interpretiert, denn es geht eigentlich um was ganz anderes! Die Nummer dreht sich um die Mutter-Sohn Beziehung und ein unausgesprochener Vorfall, den sie und ihn distanziert. Schade, dass eine so tolle Nummer so viel Hate abbekommt. Leider hat auch Schnitt beigetragen, dass die Geschichte nicht zu 100% rüberkommt.
Selina,
02.05.2024, 20:10
Heutzutage kann man auch wirklich alles kritisieren. Das war eine tolle Performance mit netter Geschichte. Klischee hin oder her. Außerdem hab ich die Geschichte ganz anders verstanden und das Gefühl, dass Herr Langmann grade diesen „SkAnDaL“ für falsche Zwecke verwendet. Ich stehe voll hinter ganz vielen Sachen über die man streiten kann. Gendern, bitte immer, Feminismus durch und durch. Aber das jetzt auch noch kritisieren? Euer Ernst?
Thomas Kovacs
03.05.2024, 09:55
Ja absolut unser Ernst Behinderung ist nichts was bedauernswert ist oder negativ und es ist auch nichts heroischen dran als Behinderter zu leben
martin bruno walther,
02.05.2024, 17:08
ich bewundere nico, er ist wirklich ein toller mensch und sportler! und ich finde es gut, dass er einfach etwas TUT!
danke an euch und danke an nico fuer das interview!
Johannes
02.05.2024, 20:37
Ich war ein riesiger Nico Langmann Fan. Verfolge ihn aufgrund meiner eigenen Situation schon sehr sehr lang. Aber grade beweist er mir nur, dass er Publicity genießt. Die arme Tanzschule anfeinden ist nicht der richtige Weg. Könnte man das nicht friedlich lösen? Ich dachte, die Nummer erzählt von einer rührenden Mutter – Kind Beziehung. Und auf einmal schafft man nicht awareness, dass es Missstände um uns Rollstuhlfahrer gibt, sondern feindet eine Tanzschule an, DIE UNS WENIGSTEN SIEHT. Die macht was zum Thema. JA, man kann im Rollstuhl glücklich sein. Absolut. In der Geschichte is er es halt einfach nicht. Realitycheck gibt es auch. Verstehe Nico leider nicht mehr…