Ninlil

Verein wider der sexuellen Gewalt gegen Frauen, die als geistig- oder mehrfachbehindert klassifiziert werden.

NINLIL
NINLIL

Im November 1992 fand in Wien – veranstaltet vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten – das Symposium „Gegen sexuelle Belästigung/Gewalt an Frauen mit Behinderung oder in der Nacht kommt der Mann ohne Gesicht wieder“ statt.

Im Anschluß an diese Veranstaltung gründeten wir, eine Gruppe von SozialarbeiterInnen, SozialpädagogInnen, BehindertenpädagogInnen und -fachbetreuerInnen aus verschiedenen sozialen Einrichtungen und Institutionen, einen Arbeitskreis, der das Ziel hatte, die Auseinandersetzung mit dem Thema zu intensivieren.

In unserer Arbeit waren (und sind) wir immer wieder damit konfrontiert, daß Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, sexuelle Gewalt erleben.

Zu Beginn unserer Zusammenkünfte gingen wir von unserer eigenen Hilflosigkeit als Betreuerinnen/Begleiterinnen von Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, im beruflichen Alltag aus, reflektierten über Gewalt in patriarchal strukturierten Institutionen und unsere eigene gelebte Frauengeschichte.

Dieser Prozeß wurde von Mag. Gertraud Grün im Rahmen ihrer Forschung zu ihrer Diplomarbeit an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien begleitet („Konflikterleben von Behindertenpädagoginnen und -fachbetreuerinnen im Umgang mit sexueller Gewalt an Frauen mit geistiger Behinderung“, Wien 1996).

Unsere Ziele
1996 gründeten wir den Verein Ninlil mit dem Anliegen:

  • sexuelle Gewalt an Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, als Thema aufzugreifen und sichtbar zu machen,
  • mit/für Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, Unterstützungsangebote aufzubauen und anzubieten und
  • Betreuerinnen/Begleiterinnen von Frauen, die als geistig und mehrfach behindert klassifiziert werden, einen Rahmen zu schaffen, in dem es möglich ist, sich mit anderen Frauen zu treffen, sich zu vernetzen, verschiedene Handlungsmöglichkeiten wahrzunehmen, zu entwickeln und zu ergreifen.

Unser Name
Den Namen unseres Vereins haben wir Vereinsfrauen dem Buch von Florence Rush „Das bestgehütete Geheimnis: Sexueller Kindesmißbrauch“ (1985) entnommen, welche einen Text einer sumerischen Tontafel zitiert, in dem beschrieben wird, daß Gott Enlil die Göttin NINLIL begehrte, als er sie in einem klaren Fluß baden sah:

„Der Herr spricht zu ihr von Beischlaf.
Sie will nicht.
Enlil spricht zu ihr von Beischlaf.
Sie will nicht.
Ninlil fühlte sich zu jung für Sex und erklärte höflich:
Meine Vagina ist zu klein.
Sie versteht den Beischlaf nicht.
Meine Lippen sind zu klein.
Sie verstehen nicht zu küssen.“ (Rush 1985:49)

„Diese mageren Fragmente geben uns einen schwachen Anhalt dafür, daß es vor etwa fünftausend Jahren ein junges Mädchen gab, daß sich ´zu klein´ für Beischlaf fühlte und dies auch sagte.“ (Rush 1985:50)

Wir sind uns der Problematik bewußt, den Namen bzw. die Geschichte eines Kindes als Motto eines Vereins mit der Zielgruppe erwachsener Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, und deren BetreuerInnen/AssistentInnen gewählt zu haben, da Menschen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, all zu oft Kindern gleichgesetzt werden.

Ausschlaggebend ist für uns aber hier die Erreichung des Wissens um die eigene weibliche Identität, die eigenen sexuellen Bedürfnisse und vor allem des Wissens um die Möglichkeit eines selbstbewußten „Nein“ zu den für sie unangemessenen Wünschen einer anderen Person. Ninlil zeigt ein wichtiges Verhalten für jede erwachsene Frau, und eines, das gerade für Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden, aufgrund ihrer Lebens- und Lerngeschichte in dieser Gesellschaft nicht eben leicht ist.

Unsere feministischen Grundhaltungen

Empowerment
Grundsatz unserer Aktivitäten ist, „Behindertenarbeit“ soll nicht entfremdete Arbeit sein, daher muß sie Teil des Kampfes behinderter Menschen sein, die Definitionsmacht über ihre Unterdrückung übernehmen und ihre subjektive Realität übersetzen und darauf abzielen, daß behinderte Menschen Macht bekommen (empowerment). (vgl. Morris: Feminismus und Behinderung, Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, „Gewalt-tätig“, 37, Köln 1994, 70/71)

Parteilichkeit und Betroffenheit
Zentral ist, daß wir uns auf die Seite der betroffenen Frau stellen, ihre Gefühle und Empfindungen ernst nehmen und versuchen, ihr einen Raum zu schaffen, in dem sie, wenn sie möchte, über Ihre Erlebnisse sprechen bzw. sich nonverbal ausdrücken kann, ohne Vorwürfe zu erhalten und Unglauben zu erleben.

Unsere Arbeit mit Frauen wird von der Gewißheit getragen, daß wir bei allem, was einer geschieht bzw. eine erlebt, potentiell selbst betroffen sein können.

Das Persönliche ist politisch
Persönliche Frauenlebensgeschichten sind nie unabhängig von gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen zu sehen. Die Vielfältigkeit der Erfahrungen der Frauen stehen in ihrem sozialen Lebenszusammenhang, der mitbestimmt und daher auch verändert werden kann. Oftmals entwickeln sich Frauen als Einzelkämpferinnen und/oder sehen das Mißlingen ihrer Bemühungen als persönliches Versagen.

Unser Ansatzpunkt ist, gemeinsam mit anderen Frauen weibliche Entfremdungserlebnisse und -erfahrungen gesellschaftspolitisch und individuell in ihrem dialektischen Zusammenspiel zu verdeutlichen sowie Änderungsmöglichkeiten zu erproben.

Unsere aktuellen Aktivitäten

  • Vernetzungsaktivitäten mit der AÖF (Aktionsgemeinschaft der autonomen österreichischen Frauenhäuser)
  • Seminarangebote für Frauen, die als geistig oder mehrfach behindert klassifiziert werden.
  • Seminare und Vorträge zu Themen wie „Sexuelle Gewalt gegen Frauen, die als geistig behindert oder mehrfach behindert klassifiziert werden“, Praktische Präventionsarbeit“, für Betreuerinnen/Assistentinnen auf Anfrage.

Unsere Aktivistinnen
Lisi Buxhofer, Liesi Chlebecek, Maria Köberl, Barbara Kreilinger, Karin Waidhofer, Esther Weinberger

Unser Wunsch
Möglichst viele interessierte Menschen (Männer können außerordentliche Mitglieder unseres Vereines werden), die sich kreative Formen der Unterstützung für die Anliegen des Vereines einfallen lassen und diese dann auch umsetzen, daher: Wenn Ihr Interesse, Fragen, Wünsche oder Anregungen habt, ruft einfach an oder schreibt uns:

Ninlil
c/o Frauenhetz
Hetzgasse 42/1, 1030 Wien
Tel: 01/714 39 39, Fax: DW 20
office@ninlil.at

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Ein Kommentar

  • Sehr geehrte Frau Chlebecek!

    Andrea, meine behinderte Schwester, eine Frau mit Down Syndrom, hat des Öftern bei Seminaren von NINLIL teilgenommen, als wir noch in Wien lebten.
    Doch wir sind in die Steiermark übersiedelt und es sehr mühsam, wegen eines Seminars, welches Andrea, meine Schwester, liebend gerne besuchen würde.
    Könnten Sie mir sagen, ob es auch in der Steiermark ähnliche Veranstaltungen für Behinderte gäbe?
    Wir leben am Land und da gibt es für diese Menschen so gut wie gar nichts.
    Wir wären auch bereit, nach Graz zu fahren oder hier etwas Dergleiches zu initiieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Nicka Christa