Zu verbreiten, dass FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer wegen seiner Behinderung (und unterstellten Überforderung) zurückgetreten ist, ist eine böse und behindertenfeindliche Vorgangsweise. Behindertenfeindlichkeit ist in der Politik noch ziemlich verbreitet. Ein Kommentar.
Am 1. Juni 2021 überschlugen sich die Ereignisse. FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer trat völlig überraschen zurück. Der innerparteiliche Machtkampf war damit beendet. Norbert Hofer wollte sich die dauernden Attacken seines Parteikollegen Herbert Kickl nicht mehr antun.
Innerparteiliche Machtkämpfe sind nichts Ungewöhnliches in der Politik. Was mich aber immer wieder sehr stört ist, wenn dabei Behindertenfeindlichkeit hervortritt. Und so war es auch dieses Mal. In einer FPÖ-Pressekonferenz am Tag des Hofer-Rücktritts waren sich einige FPÖ-Spitzenpolitiker nicht zu blöd, seinen Entschluss auf seine Behinderung und gesundheitliche Belastung zu schieben. (Lesenswert auch dieses KRONE-Interview einige Tage vor seinem Abgang.)
Wenn Politik gemacht wird, gibt es leider immer wieder behindertenfeindliche Aussagen. Das musste Norbert Hofer schon im Präsidentschaftswahlkampf 2016 erfahren, wo ihm der SPÖ-Mitarbeiter Paul Pöchhacker des Gegenkandidaten Rudolf Hundstorfer öffentlich das Krüppellied schickte. (Es folgten Entschuldigungen; die Hofer annahm).
Es gab 2016 sogar Vorwürfe, weil er nach seinem Unfall Pflegegeld beantragte.
Kein Einzelfall – Noch übliches Muster
Politische Kritik an einer Beeinträchtigung einer Person festzumachen, ist in Österreich leider noch immer üblich. Mehrfach wurde Rudolf Anschober (GRÜNE) in seiner Zeit als Gesundheitsmininster unterstellt, nicht mehr amtsfähig zu sein; immer mit dem Hinweis, dass er im Jahr 2012 ein Burnout hatte.
Ähnlich ging es auch dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Er sah sich sogar im Jahr 2019 dazu gedrängt, eine persönliche Erklärung abzugeben. Aufgrund einer Beeinträchtigung im Kehlkopf hat er massive Stimmprobleme: Er wolle kein scheinheiliges Mitleid von politischen Mitbewerbern und auch nicht, dass mit seiner Beeinträchtigung Politik gemacht werde. „Ich kann ihnen heute mit 100prozentiger Sicherheit sagen, dass meine angeschlagene Stimme kein Hindernis für mich darstellt, die notwendigen und richtigen Entscheidungen für das Burgenland zu treffen!“
Helene Jarmer war ab 2009 die erste gehörlose Nationalratsabgeordnete in Österreich und Mitglied des GRÜNEN-Parlamentsklubs. Ihr traute man am Anfang nicht zu, Gesetzestexte zu verstehen und war unsicher, ob es überhaupt möglich ist, komplexe Sachverhalte vollinhaltlich in Österreichische Gebärdensprache zu übersetzen.
Die Zeit des Versteckens sollte vorbei sein
Franklin D. Roosevelt, US-Präsident von 1933 bis 1945, konnte nur wenige Schritte gehen und nutzte einen Rollstuhl. Wie damals üblich, versteckte er seine Beeinträchtigungen, um in der Öffentlichkeit nicht als schwach angesehen zu werden.
Selbst noch 50 Jahre nach seinem Tod – anlässlich der Einweihung des Franklin D. Roosevelt Memorials Anfang Mai 1997 in Washington, wurde heftig diskutiert, ob man seine Behinderung zeigen sollte. (So sieht das Denkmal nun aus.)
Es reicht nicht, wenn Parlamente und Landtage barrierefrei werden – was noch lange nicht alle sind. Es braucht auch ein Klima in der Politik, in dem Behindertenfeindlichkeit keinen Platz hat.
Klaudia Karoliny
06.06.2021, 09:59
Das ist mir auch aufgefallen, dass hier wiederum die Behinderung und daraus folgend „die Überlastung“ vorgeschoben wurde, obwohl FPÖ-Hofer selbst nicht davon gesprochen hat, obwohl die wahren Hintergründe in der Öffentlichkeit mehr als deutlich auf der Hand lagen und liegen.