Nur kleine Fortschritte in der Behindertenpolitik für gehörlose Menschen

Anpassung des Nationalen Aktionsplans (NAP) und schnellere Maßnahmenumsetzung gefordert

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Österrreichischer Gehörlosenbund

Am 03. Dezember wird der alljährliche „Tag der Menschen mit Behinderung“ begangen. Die Zwischenbilanz des Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012-2015 wurde Ende November 2016 vom Sozialministerium veröffentlicht. Der ÖGLB möchte mit dieser Aussendungen zu einigen Punkten Stellung nehmen.

Zu wenige ÖGS-DolmetscherInnen und mangelhafte Förderung der ÖGS auf unterschiedlichen Ebenen

In Österreich gibt es in etwa 120 DolmetscherInnen – viel zu wenige für etwa 8.000-10.000 gehörlose Menschen mit zunehmendem Dolmetschbedarf. Eine dringend notwendige Dolmetschausbildung in Wien speziell für ÖGS-Deutsch wird noch immer nicht gefördert. Derzeit gibt es österreichweit nur drei Ausbildungsmöglichkeiten für angehende ÖGS-DolmetscherInnen. Im NAP werden keine konkreten Zahlen genannt.

Im ORF – einem Medium, das in Österreich maßgeblich zur Bewusstseinsbildung zum Thema Gehörlosigkeit und Gebärdensprache beitragen könnte – wird ÖGS-Dolmetschung nur in sehr wenigen Sendungen angeboten. Gehörlose ModeratorInnen kommen überhaupt nicht zum Einsatz.

Barrierefreiheit wird zu eng gesehen

Oftmals überwiegt unter dem Begriff „Barrierefreiheit“ der Mobilitätsaspekt. Sinnesbehinderungen, vor allem Gehörlosigkeit, spielt meist nur eine untergeordnete Rolle.

Der ÖGLB fordert seit Jahren die Umsetzung des technisch bereits machbaren im Bereich barrierefreier Notrufe. Ein 24/7 besetztes RelayService soll als bundesweite Telefonvermittlung für gehörlose, schwerhörige und sprachbeeinträchtigte Menschen dienen. Es soll außerdem eine sms-Notruf-Möglichkeit MIT DIALOGFUNKTION geben.

Der derzeitige Gehörlosennotruf ist nur auf einseitige Kommunikation ausgerichtet, die gehörlose Person weiß nicht einmal, ob ihr Notruf eingelangt ist.

Die Untertitelungsquoten in ORF eins und ORF 2 sind zwar vorangeschritten, leider sind die erreichten 67,57 % noch lange keine 100 % (siehe Aussendung vom 4. Mai 2016).

Inklusive Bildung für gehörlose Menschen wird einmal mehr gefordert

Gehörlose Menschen haben noch lange keine Chancengleichheit mit hörenden Menschen erreicht. An Schulen wird noch vielerorts ausschließlich in Lautsprache unterrichtet. Die geforderte inklusive, bilinguale Schule wird nur an sehr wenigen Schulstandorten umgesetzt (siehe Aussendung vom 30. September 2016). Aus- und Fortbildungen werden weiterhin überwiegend ohne ÖGS-Dolmetschung angeboten.

Jedes Bundesland hat bezüglich Fördermöglichkeiten für ÖGS-Dolmetschung im Bildungsbereich andere Regelungen. Eine Durchforstung der Zulassungsregeln zu Berufen auf diskriminierende Bestimmungen hat bis dato noch immer nicht stattgefunden. Das oberste Ziel muss die Öffnung aller, besonders der pädagogischen, medizinischen und juristischen Berufe sein.

Mag.a Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes, fügt hinzu: „Mittlerweile gibt es eine starke Medizin-Lobby gegen die Gehörlosencommunity. Das Cochlea Implantat wird als Allheilmittel gegen Gehörlosigkeit angepriesen. Gehörlosigkeit wird als Mangel deklariert, den es auszubessern gilt. Eltern gehörloser Kinder erfahren in der frühen, medizinischen Beratung keine vorurteilsfreien Auskünfte. Das ist diskriminierend und muss schleunigst geändert werden. Die rein aus dem Oralismus geprägte Rhetorik dieser Lobby sollte schon seit Jahrzehnten nicht mehr zur Debatte stehen.“

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