Dieser Artikel ist der zweite in einer dreiteiligen Serie zum Thema "Rollstuhl - Information, Marktübersicht und Technik". Der erste Teil informierte über Informationsquellen. Der zweite Teil gibt eine kurze Marktübersicht.
Allgemeine Charakteristika des Marktes
Der Markt für Rollstühle ist ein interessanter: Eine überschaubare Zahl von Anbietern (Hersteller und Händler) steht einer großen Anzahl von Konsumenten (Endkunden) gegenüber (Oligopolmarkt). Jene Menschen, die Rollstühle benötigen, haben im Normalfall nicht die Möglichkeit, ohne erhebliche Einschränkung der Lebensqualität auf einen Rollstuhl zu verzichten oder Alternativprodukte wie Gehstöcke oder Rollatoren zu verwenden (keine Substitionsmöglichkeit). Die Nachfrage um Rollstühle ist immer gegeben, da es immer Menschen gibt, die einen Rollstuhl benötigen, meistens wegen Krankheit oder Unfall.
Behinderte Menschen haben meist – wie staatliche Statistiken belegen – ein zu geringes Einkommen, um Rollstühle selbst zu kaufen, trotz staatlicher Unterstützung (Transferleistungen). Somit wird oft jenes Produkt gekauft, welches vom Hilfsmittelhändler, Arzt oder Therapeuten empfohlen und von einem Kostenträger (Krankenkasse, Pensionskasse, Stiftung, etc.) bezahlt wird.
Bei der Vertriebsstruktur sind viele Gemeinsamkeiten mit der Automobilindustrie erkennbar. Rollstuhlhersteller verkaufen Rollstühle unter verschiedenen Marken, die unterschiedlichen Bedürfnissen (z.B.: normal, aktiv, Innenbereich, Außenbereich) Rechnung tragen und / oder in anderen Preissegmenten (günstig, mittel, teuer) liegen. Rollstuhlhändler führen meist nur die Marken von ein bis zwei Rollstuhlherstellern und haben meist mehrere Filialen.
Neueste Marktentwicklungen zeigen, dass Leasing-Modelle (Miet-Modelle) rasant an Bedeutung gewinnen werden. (Siehe diesen Artikel auf BIZEPS-INFO) Die Krankenkassen (als große Hilfsmitteleigentümer) lösen ihre Lager, welche von großen Rehahändlern verwaltet wurden, auf. Hilfsmittelhändler sollen nun die ehemaligen Krankenkassenbestände sowie neue Rollstühle von Rollstuhlproduzenten kaufen und an behinderte Menschen vermieten.
Der Markt für manuelle Rollstühle
Zahlenmäßig am wichtigsten sind sogenannte „Standardrollstühle“ (Rollstühle im günstigen Preissegment von der Art, wie sie in Altenheimen und auf Flughäfen verwendet werden). Die Konstruktion ist darauf ausgelegt, dass der Benutzer den Rollstuhl sowohl selbst antreiben als auch geschoben werden kann.
Eine weitere Kategorie sind sogenannte „Aktivrollstühle“ (teure Rollstühle, von der Art, wie sie im sportlichen Bereich und im Alltag bei unabhängigen Nutzern zu finden sind). Die Konstruktion ist auf Selbstfahrer zugeschnitten, ein Schieben ist nicht vorgesehen.
Als Drittes gibt es die Gruppe der „Rehabilitationsrollstühle“ (mittleres bis teures Preissegment, von der Art, wie sie von schwerbehinderten Menschen verwendet werden). Die Konstruktion ist auf eine schiebende Person abgestimmt.
Der Markt für elektrische Rollstühle
Hier finden sich – vereinfacht – drei große Produktgruppen: Hilfsantriebe und Zugmaschinen; Rollstühle für den Innenbereich und Rollstühle für den Außenbereich. Wesentlich ist, dass die Energiequelle für den Antrieb nicht Muskelkraft sondern ein Benzinmotor oder ein Akkumulator (Sekundärzelle) ist.
Hilfsantriebe und Zugmaschinen werden in Verbindung mit manuellen Rollstühlen verwendet und ergänzen Muskelkraft (günstig bis teuer in der Anschaffung). In der Theorie bieten solche Systeme Vorteile von sowohl manuellen Rollstühlen als auch von elektrischen Rollstühlen. In der Praxis ergeben sich aber oft neue Probleme (z. B.: das Transportgewicht, die Rollstuhlabmessungen, etc.).
Der Nutzen muss – wie so oft – im Einzelfall beurteilt werden.
Elektrorollstühle für den Innenbereich sind besonders kompakt gebaut, um den Anforderungen gerecht zu werden. Zusatzsysteme wie besondere Sitzsysteme oder Steuerungen können sehr kostspielig sein.
Elektrorollstühle für den Außenbereich haben gegenüber jenen für den Innenbereich erheblich größere Batterien, andere Räder und eine stärkere Fahrzeugelektronik, um den speziellen Anforderungen gerecht zu werden. Die genannten Verbesserungen führen zu einem hohen bis sehr hohen Endkundenpreis.
Auswirkungen auf den Konsumenten
Der behinderte Mensch, der einen Rollstuhl benötigt, muss mit jenen Produkten, die auf dem Markt sind und den Kostenvorgaben der Kostenträger entsprechen, vorlieb nehmen. Änderungen bei Kostenübernahmen und Zuschüssen werden langfristig zu mehr und in Summe höheren Selbstbehalten führen.
Kommentare und Anregungen sind immer willkommen.