Oberösterreich: Deckelung der Mindestsicherung als weitere Zugangshürde

Nur eine bundeseinheitliche Regelung kann die Mindestsicherung den tagespolitischen „Signalen“ und Kürzungen durch einzelne Bundesländer wieder entziehen.

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Die von den oö. Regierungspartnern ÖVP und FPÖ angekündigte Deckelung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) auf € 1.500,– pro Haushalt soll am 8. Juni durch den Landtag beschlossen werden.

Ohne Begutachtungsverfahren, dafür mit lautstarker Ankündigung und vielen Problemen für die von den Kürzungen betroffenen Menschen.

Begrenzung des Mindeststandards

Der neu eingefügte § 13a im Mindestsicherungsgesetz hat es in sich: Hier wird nicht nur die grundsätzliche Begrenzung der Mindeststandards pro Haushaltsgemeinschaft auf maximal € 1.500,– normiert, sondern auch eine komplexe Regelung von Ausnahmen und komplizierten Anrechnungsmodellen entwickelt.

Der BMS-Höchstbetrag soll jährlich valorisiert werden und erhöht sich für das aktuelle Jahr auf € 1.512,–. Damit wird der Schein der Fachlichkeit gewahrt. Den Schrecken für armutsbetroffene Menschen verliert die Novelle damit nicht.

In den Gesetzeserläuterungen wird die Deckelung damit begründet, dass mit BMS-Leistungen nicht ein höheres Haushaltseinkommen erzielt werden darf, als mit einem mittleren Erwerbseinkommen. Dieses Argument wiederholt VP/FP fast mantraartig, obwohl es dadurch nicht schlüssiger wird.

Denn es ist ein klassischer Äpfel-Birnen-Vergleich: Das mittlere Erwerbseinkommen einer Einzelperson wird mit einer ganzen Familie, dem gesamten Haushalt, verglichen. Dieser schiefe Vergleich kann nur dann funktionieren, wenn das gesellschaftliche Bild aus den 50er Jahren vom Alleinverdiener und „Familienerhalter“ Pate steht.

Auch das Argument, dass so der Anreiz, sich (wieder) in das Erwerbsleben zu integrieren, steigt, ist eine unzulässige Individualisierung des gesellschaftlichen Problems fehlender Arbeitsplätze. Mit den in der BMS ursprünglich entwickelten Mindeststandards wurde darauf Rücksicht genommen und es wurden strenge Zugangskriterien entwickelt.

Verwirrung bei den Ausnahmen

Das Berechnungsmodell für die BMS-Deckelung geht vom gesamten Haushalt aus, bezieht alle Personen – auch jene, die keine BMS beziehen oder beantragen – mit ein und kürzt prozentuell gleichmäßig, damit die Gesamtleistung € 1.512,– nicht überschreitet.

Nach dieser Kürzung wird bei von der Deckelung ausgenommenen Personen die mögliche BMS-Leistung wieder hinzugerechnet. Der Entwurf nimmt „arbeitsunfähige Personen“ von der Deckelung aus. Diese Ausnahme wird nicht wirksam, wenn die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit erst abschließend geprüft wird.

Die sozialrechtliche Erfahrung zeigt, dass sich dieser Zeitraum, beispielsweise bei Pensionsklagen, auf Jahre erstrecken kann. Klarer formuliert ist die Ausnahme für Personen, die Kinderbetreuungspflichten für Kinder unter 3 Jahren erfüllen und daher keiner Beschäftigung nachgehen können.

Ausgenommen sind auch pflegende Angehörige, wenn alternative Betreuungsmöglichkeiten fehlen und die gepflegte Person ein Pflegegeld mindestens in Höhe von Stufe 3 erhält. Nicht der Pflegegeldbezug führt zu der Ausnahme, sondern es werden pflegende Angehörige von der BMS-Deckelung ausgenommen. In der medialen Berichterstattung wurde dies unter Bezugnahme auf die öffentliche Präsentation noch anders dargestellt.

Zwei weitere für Menschen mit Beeinträchtigungen wichtige Ausnahmen von der Deckelung wurden definiert: Menschen, die eine erhöhte Familienbeihilfe beziehen, sind von der Deckelung nicht betroffen. Und Hauptleistungen aus dem Oö. Chancengleichheitsgesetz führen ebenso wie vergleichbare Bundesleistungen (z.B. integrative Betriebe) zu einer Ausnahme.

In der Pressekonferenz präsentieren VP/FP dies noch als generelle Ausnahme für Menschen mit Beeinträchtigung. Die Bestimmung ist für AntragstellerInnen schwer zu durchschauen. Und die Öffentlichkeit soll durch eine Teilinformation zu einer wohlwollenden Interpretation der Kürzung angeregt werden.

Kürzen und Aussperren wird zum Selbstzweck

Die Gesetzeserläuterung zur geplanten BMS-Novelle gibt offenherzig darüber Auskunft, dass vor allem mit einem höheren Verwaltungsaufwand durch die „Komplexität der Regelungen“ zu rechnen sein wird. Die Deckelung betrifft – ohne Ausnahmen – höchstens rund 1.100 Haushalte.

Wenn die definierten Ausnahmen abgezogen werden, bleiben insgesamt nur rund 250 Haushalte übrig, bei denen real eine BMS-Deckelung geprüft werden kann. Im Jahr 2015 waren es sogar nur 157 Haushalte, deren BMS-Bezug höher als € 1.500,– war. Es bleibt also beim Errichten von Hürden für den Zugang von BMS, die nicht aus fiskalischen Gründen oder budgetärer Notwendigkeit erforderlich wären.

Dass eine nicht sachgerechte Deckelung der Leistung vor dem Verfassungsgerichtshof bereits 1988 nicht Stand gehalten hatte und demzufolge eine Aufhebung der BMS-Deckelung wegen Verfassungswidrigkeit nach einem langen Rechtsweg wahrscheinlich scheint, wird einfach negiert.

Nur eine bundeseinheitliche Regelung kann die Mindestsicherung den tagespolitischen „Signalen“ und Kürzungen durch einzelne Bundesländer wieder entziehen. Die notwendige Absicherung von Menschen durch einen armutsfesten Mindeststandard muss das Ziel bleiben!

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Ein Kommentar

  • Es ist ein Wahnsinn, was in OÖ unterdessen politisch abgeht!
    Dennoch, wir haben unsere PolitikerInnen selbst gewählt.
    Und viel zu wenige Menschen erheben dagegen ihr Wort, selbst wenn sie von den Regelungen betroffen sind. Das deprimiert mich auch.