ÖBB rudern mit diskriminierender Kampagne zurück – wenn auch widerwillig

Die im Oktober 2019 von den ÖBB durchgeführte Kampagne "Pass auf dich auf!" wird nicht mehr verwendet. Sie hatte zahlreiche Reaktionen ausgelöst, weil Gefahren mit Schockbildern von Menschen mit Behinderungen näher gebracht werden sollen. Ein Kommentar.

Geh deinen eigenen Weg! Aber nicht über die Gleise. Dahinter ein Portraitfoto einer schwarzen Frau. Rechts das alte Bild
ÖBB

Nach großem medialen Wirbel (Siehe: ORF-Wien, Presse, Kleine Zeitung, OÖN, Österreich, Salzburg24, ORF-Kärnten, Kurier, DerStandard nochmals DerStandard, Extradienst) fühlen sich die ÖBB höchst unverstanden.

Aufgrund von Beschwerden beim Österreichischen Werberat (ÖWR) hat sich dieser der Sache angenommen, sie bearbeitet und am 31. Oktober 2019 informiert:“Das Unternehmen hat nach der Kontaktaufnahme seitens des ÖWR reagiert und das beanstandete Sujet zurückgezogen. Dieses wird in Zukunft nicht mehr verwendet.“

Dies alleine würde eigentlich nach Einsicht seitens der ÖBB klingen, dass sie mit ihrer Kampagne daneben lagen und die Grundsätze von nicht diskriminierender Werbung verletzten. Doch der veröffentlichte Text der ÖBB wirft auch Fragen auf:

Da die Darstellung aber in der aktuellen Form gem. dem Ethik-Kodex anscheinend als Grenzfall zu werten ist, werden wir umgehend mit dem österreichischen Behindertenrat das Gespräch suchen, um die fallweise negative Einschätzung entsprechend zu verstehen und damit auch besser in der werblichen Umsetzung darauf Rücksicht nehmen zu können.

Nochmals außerordentlich betonen möchten wir, dass uns Menschen mit Behinderung wichtig sind und es in keinster Weise beabsichtigt war, diese mit der Aussage der Werbesujets zu diskriminieren. Die Kampagne „Pass auf dich auf“ wird daher mit heutigem Tag (31.10.2019) in den kommerziellen Medien eingestellt und von einem zweiten geplanten Kampagnenflight in dieser Form wird abgesehen. Auf der Website der ÖBB Infrastruktur ist die Kampagne in abgeänderter Form weiterhin präsent. Eine generelle Anpassung der Sujets wird nach dem Gespräch mit dem österreichischen Behindertenrat evaluiert.

Diskriminierung bis zum angekündigten Ende der Kampagne

Die ÖBB beenden die diskriminierende Kampagne mit dem Tag, den sie schon lange vorher als Enddatum angekündigt hatten. Sie haben die Kampagne also trotz heftiger Kritik noch eine ganze Woche weiter laufen lassen. Eine angeblich geplante zweite Runde der Kampagne, die bisher nicht angekündigt wurde, wird dafür fallengelassen.

Dass bis zum heutigen Tag keine Entschuldigung erfolgte und die Kampagne trotz heftiger Kritik plangemäß bis zum angekündigten Enddatum gelaufen ist, ist kein Ruhmesblatt für die ÖBB. Ob dies eine trotzige Reaktion ist oder ob sie es wirklich nicht verstanden haben, ist nicht bekannt.

Rückblick: Die Kritik

„Diese Darstellung von Menschen mit Behinderungen durch die ÖBB ist verstörend. Im Sinne der Inklusion sollte dringend davon Abstand genommen werden“, hielt beispielsweise Behindertenanwalt Hansjörg Hofer fest.

„Behinderungen werden instrumentalisiert, um junge Menschen zu schockieren“, monierte der Monitoringausschuss. „Die neue Kampagne schlägt in eine ganz falsche Kerbe und beteiligt sich an der stereotypen Kontextualisierung von Behinderungen“, so Christine Steger, Monitoringausschuss-Vorsitzende und sie führte aus: „Diese Schockkampagne schafft Distanz zu Menschen mit Behinderungen und verhindert so das Fortschreiten von Inklusion.“

Da die ÖBB-Plakate über die Gefahren an Bahnanlagen Menschen mit Behinderungen diskriminieren, forderte der Behindertenanwalt, der Monitoringausschuss, Selbstbestimmt Leben Österreich und BIZEPS den sofortigen Stopp der Kampagne.

Schon im Jahr 2006 gab es eine ähnliche Kampagne des Verkehrsministeriums („Hier war Alkohol im Spiel“). Exemplarisch nutzte ein Rollstuhlfahrer seine Rechte gemäß dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz. Er brachte eine Schlichtung (eine rechtlich normierte Vorstufe einer Klage) ein. Damals gelang umgehend, dass dieses Sujet nicht mehr verwendet wurde, eine Entschuldigung erfolgte und immaterieller Schadenersatz bezahlt wurde.

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7 Kommentare

  • Was bitte ist: „immaterieller Schadenersatz“, der noch dazu tatsächlich „bezahlt“ wurde?

  • Wahrscheinlich ist es besser wenn die ÖBB Bilder von ECHTEN abgetrennten Gliedmassen plakatieren, zur Abschreckung für diejenigen die sich nicht an Verbote etc. halten.
    Ich glaube dass die „Vertreter“ der Behinderten einfach ned kapieren dass hier in dieser Plakataktion darauf hingewiesen wird welches „Ergebnis“Leichtsinnigkeit haben kann.

    Konrad, Triebfahrzeugführer

    • Das sehe ich auch so.
      EINE Konsequenz von Fehlverhalten – und darauf soll hier ja hingewiesen werden – kann der Rollstuhl sein. Dass man es nicht geschafft hat, auf Montagen zu verzichten, ist eine andere Sache.
      Dass der „Abschreckungsgedanke Behinderung“ hier derart herausgestrichen wird, trägt – so meine Vermutung – nicht unbedingt zu einer „Normalisierung“ von Behinderung bei.
      Viel mehr ist zu befürchten, dass man mehr und mehr sich von diesem Thema abwendet, weil irgendwen stört der gewählte Zugang sicher. Und DAS wollen wir?

  • Naja, da werden wenigstens keine Klischees bedient wie zB bei der armen Emma.