Öffentlich und doch nicht für alle!

Sind Sie schon einmal mit dem Zug von Linz nach Graz gefahren? Vielleicht, weil Sie in Graz studieren, dort geschäftlich zu tun hatten oder weil Sie ein Konzert beim "Steirischen Herbst" besuchen wollten? Kommentar erschien am 4.7. in OÖ-Nachrichten.

ÖBB Bahnhof
BIZEPS

In den vergangenen Jahren war das mit der Bahn reichlich umständlich. Man musste mindestens einmal umsteigen, brauchte viel Zeit und Geduld.

Es gibt zwar eine direkte Busverbindung, aber vielleicht gehören Sie zu jenen, die Busfahrten nicht mögen. Also fuhren Sie wahrscheinlich mit dem Auto, auch bei widrigen Straßenverhältnissen, auch an verkehrsreichen Wochentagen.

Seit 15. Dezember 2013 gibt es sie wieder: die direkte Bahnverbindung zwischen Linz und Graz, zweimal täglich in beide Richtungen. Zwar gibt es kein WLAN im Zug und keinen Speisewagen, aber Bahn fahren ist allemal sicherer und für allein Reisende auch preisgünstiger. Also lässt man das Auto besser stehen.

Daher wollte ich kürzlich dieses neue Angebot der ÖBB aus Umweltgründen und nach dem Motto „Nerven sparen, Bahn fahren“ nutzen. Dachte ich zunächst als Rollstuhlfahrer. Doch bei der telefonischen Buchung stellte sich heraus, dass beide Direktverbindungen zwischen Linz und Graz für Reisende mit Rollstuhl vollkommen ungeeignet sind! Kein Stellplatz, keine benutzbare Toilette!

Ich war erstaunt, dass solche Reisewagen 2014 im Intercity-Betrieb überhaupt noch verkehren. Das Mobilitätsservice der ÖBB blieb jedoch freundlich und schlug mir eine Alternativlösung vor: mit einem rollstuhltauglichen Railjet nach Wien-Westbahnhof, dann Transfer nach Wien-Meidling, von dort per Railjet nach Graz. Das ergibt bei dreimaligem Umsteigen eine Fahrzeit von 4:18 Stunden, bei einmaligem Umsteigen 5:18 Stunden. Die Mehrkosten wegen der längeren Distanz würden die ÖBB tragen …

Leider sind Diskriminierungen noch nicht verschwunden und werden zu oft als Kavaliersdelikte betrachtet. Aber dennoch setzt sich zunehmend das Bewusstsein durch, dass Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder einer Behinderung nicht benachteiligt werden dürfen. Nicht im privaten Bereich und schon gar nicht von Ämtern, Behörden oder bei öffentlichen Dienstleistungen. Diskriminierungen sind verboten und sogar strafbar, Punktum!

Diskriminierungen geschehen in der Regel aus einem von drei Gründen: Absichtlich aus purer Böswilligkeit, das will ich den ÖBB nicht unterstellen. Aus Unkenntnis, das kann ich mir bei den vielen rechtskundigen Bediensteten nicht vorstellen. Bleibt nur noch die Ignoranz, die zwar nicht vorsätzlich, aber bei einem Unternehmen wie den ÖBB kein Ruhmesblatt ist.

„Öffentlich“ ist eben „für alle“, ohne Ausnahmen, ob sie nun vergessen oder nicht bedacht oder nur gering geschätzt wurden.

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