Österreich statt Musterschüler Nachzügler
Anlässlich des heutigen weltweiten Antidiskriminierungstages macht der ÖGB darauf aufmerksam, dass Österreich bei der Umsetzung der EU-Richtlinien zum Thema Antidiskriminierung, Gleichbehandlung und Antirassismus nach wie vor säumig ist.
„Die Regierung hat in den vergangenen Tage viele Worte über die Wichtigkeit der Europäischen Union verloren. Die Vorgaben der EU in nationales Recht umgewandelt hat sie aber bislang nicht“, sagt der Leitende Sekretär im ÖGB, Dr. Richard Leutner.
Trotz Ablauf der Fristen für die Umsetzung der Richtlinien liegen bislang nur die Entwürfe für die Gesetze vor – und diese geben Anlass zu heftiger Kritik: „Die Regierung hat kein eigenes Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt, sondern sich damit begnügt, die Vorgaben der EU in die beiden bestehenden Gleichbehandlungsgesetze hineinzupacken. Dadurch erweist man sämtlichen Gruppen, die durch die EU-Richtlinien vor Diskriminierung geschützt werden sollen, einen Bärendienst“, erklärt Leutner.
Die bestehenden Gleichbehandlungsgesetze für die Privatwirtschaft und für den öffentlichen Dienst haben die Gleichbehandlung von Frau und Mann im Arbeitsleben zum Ziel. Nun werden in die beiden Gesetze auch Schutzmechanismen gegen die Diskriminierung aus ethnischen, rassischen und religiösen Gründen, aus Gründen des Alters oder der sexuellen Orientierung hineingepackt. Lediglich für einen Bereich, den Schutz vor Diskriminierung bei Behinderung, soll es ein eigenes Behindertengleichstellungsgesetz geben.
„Doch auch dieses Gesetz ist trotz Ablauf der Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie über das Planungsstadium nicht hinaus“, sagt Leutner.
„Wir brauchen effektive Gesetze zur aktiven Gleichstellung von Frau und Mann im Arbeitsleben und getrennt davon eigene gesetzliche Bestimmungen zur Hintanhaltung von anderen Formen der Diskriminierung“, fordert Leutner.
In den Gesetzesentwürfen der Regierung bleiben zudem wichtige Forderungen unerfüllt: Es fehle eine Richtlinien-konforme Verlagerung der Beweislast zugunsten der Betroffenen und die Schadenersatzhöhe bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes sei – für den Bereich der Privatwirtschaft – viel zu niedrig. „Im Erstentwurf, der im Juni 2003 mit den Sozialpartnern diskutiert wurde, waren bis zu dreimal höhere Schadenersatzleistungen vorgesehen“, präzisiert Leutner.
Dringenden Handlungsbedarf sieht der ÖGB auch bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Menschen mit Behinderung. „Nur 65 Prozent aller Arbeitsplätze, die Betriebe behinderten Menschen zur Verfügung stellen müssten, sind wirklich besetzt. Denn die Ausgleichstaxe, die die Betriebe zahlen, die ihrer Verpflichtung zur Einstellung von Menschen mit Behinderung nicht nachkommen, ist beschämend niedrig“, sagt Leutner.
Die Taxe beträgt derzeit pro Monat 198 Euro, der ÖGB fordert eine Anhebung auf die im Kollektivvertrag der jeweiligen Branche verankerte Mindestentlohnung. Nötig ist zudem die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen, damit Betriebsvereinbarungen zur Integration von Menschen mit Behinderung abgeschlossen werden können. „In Deutschland gibt es die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür – unsere Regierung war dazu bislang nicht bereit“, so Leutner abschließend.