Österreichs Umgang mit Barrierefreiheit

UNO rügt Österreich bereits zum zweiten Mal wegen mangelnder Beachtung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

Flagge Österreich
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Ein 17 Jahre andauernder Streitfall aus Tirol gelangt durch eine Individualbeschwerde bis zur UNO. Gegenstand der Auseinandersetzung war der Ausbau eines Wegdaches. Die Familie Bacher aus Vomp in Tirol wollte ihrem behinderten Sohn, der Down-Syndrom und eine schwere Form einer Lungenerkrankung hat, den Weg zum Haus erleichtern.

Als sie nach Jahren vergeblichen Kampfes gegen behördliche Windmühlen nichts erzielen konnten, reichte die Familie 2014 Individualbeschwerde bei der UNO ein. BIZEPS berichtete seit 2003 mehrfach.

Simon Bacher ist jetzt 28 Jahre alt, durch eine Lungenerkrankung hat er Probleme beim Gehen, ganz besonders im Winter, wenn es geschneit hat. Als Simon noch klein war, trug ihn sein Vater am Rücken. Um den 35 Meter langen und steilen Weg dennoch zu bewältigen, hat die Familie 2001 beschlossen, diesen zu überdachen. Das Land Tirol förderte auch diese Maßnahme und das Dach wurde gebaut.

Überdachung zuerst gefördert und dann abgerissen

Doch dem Nachbar, der ein Servitutsrecht zur Benutzung des Wegs hatte, missfiel, dass die Pfosten der Dachträger um ein paar Zentimeter den Weg verschmälerten. Außerdem argumentierte er, dass er den Weg nun nicht mehr mit einem Bagger benutzen könnte.

Ihm wurde vor Gericht Recht gegeben und 2004, als die Familie aus den USA zurückkehrte, wo Simon eine Delfintherapie bekam, war die Wegüberdachung abgerissen.

Einige Jahre später, als es zu Renovierungsarbeiten am Weg kam, stellte sich der Nachbar quer und verweigerte, sich finanziell zu beteiligen. Er gab an, dass er diesen Weg ohnehin nicht nutze, weshalb die Familie auf den Kosten der Sanierung sitzenblieb.

Den Glauben an die Justiz hat die Familie Bacher schon lange verloren, denn egal an wen sie sich wandten, sie wurden stets auf die Entscheidung des Gerichts hingewiesen. Sogar der Bürgermeister aus Vomp empfahl ihnen, aus Vomp wegzuziehen oder Simon Bacher in ein Heim zu geben.

Beschwerde bei der UNO

Als letzten Ausweg brachte die Familie Bacher Beschwerde bei der UNO ein (Siehe auch Sendung BürgerAnwalt aus dem Jahr 2015). Hier das Ergebnis der Beschwerde.

Österreich hat sich mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, dass Menschen mit Behinderungen alle Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden. Weiters heißt es in der UN-Konvention: „Behinderung entsteht, wenn Menschen mit Beeinträchtigungen auf einstellungs- und umweltbedingte Barrieren stoßen, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ hindern.

Schlussendlich bekamen die Bachers nach vier Jahren Bearbeitungszeit Recht. Es ist schon das zweite Mal, dass Österreich aufgrund einer Individualbeschwerde eine Handlungsempfehlung der UNO bekommt. Nun ist die Frage, wie der Staat Österreich auf diese Aufforderung reagieren wird. Aufgrund der ersten hat sich nichts geändert.

„Zwar hat sich Österreich laut Fakultativprotokoll dazu verpflichtet, Empfehlungen umzusetzen. Doch in der Praxis passiert dies nur teilweise und es gibt keine Rechtsmittel für Betroffene“, hält die Menschenrechtsberaterin Marianne Schulze dazu im Standard fest und verweist auf ein tiefes Unverständnis hinsichtlich sozialer Barrierefreiheit in Österreich.

Weitere Entwicklung

Mittlerweile hat der streitbare Nachbar sein Grundstück verkauft, dort wird nun eine Wohnhausanlage errichtet, wo die Familie Bacher einen Stellplatz in der Garage kaufen könnte.

Im Zuge des Verkaufs des Grundstücks ist auch das Servitutsrecht erloschen, es könnte wieder um eine Baugenehmigung für eine Überdachung des Wegs angesucht werden. Doch nicht zuletzt aufgrund der Kosten für alle Gerichtsverfahren fehlt der Familie nun das Geld für solche Investitionen.

Anmerkung: Der Artikel wurde im Bezug auf das erloschene Servitutsrecht berichtigt.

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