Am 28. September 2022 machten Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich und jene, die sich für Behindertenrechte stark machen, lautstark ihrem Ärger über den verpatzten Nationalen Aktionsplan Behinderung Luft.
Es ist ein Meer von Menschen mit und ohne Rollstuhl und ein Meer von Schildern, das man am 28. September 2022 auf dem Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt findet.
Auf den Schildern liest man Forderungen wie zum Beispiel „Bundeseinheitliche Persönliche Assistenz“, „Lohn statt Taschengeld“ oder „Inklusives Bildungssystem für alle“. Den Menschen mit Behinderungen reicht es!
Der Slogan „Wir werden laut, weil man uns die Rechte klaut!“ fasst die Stimmung sehr gut zusammen. Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich fordern die Regierung auf, endlich zu handeln und ihre Menschenrechte umzusetzen.
Einige Vertreter:innen von Behindertenorganisationen wie zum Beispiel BIZEPS, der Österreichische Behindertenrat, der Verein Lichterkette, der Blinden- und Sehbehindertenverband oder der Österreichische Gehörlosenbund fanden sich auf einer Redner:innenbühne ein und äußerten ihre Forderungen.
Exklusion ist noch nicht überwunden
Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS, vergleicht in seiner Anfangsrede die Situation von Menschen mit Behinderungen mit der Apartheid in Südafrika. Damit ist die Trennung von schwarzen und weißen Menschen gemeint und die Beschneidung der Rechte der schwarzen Menschen. In Südafrika hat man die Apartheid weitgehend überwunden. (Siehe Video)
Das gilt leider nicht für die Trennung von behinderten und nicht behinderten Menschen, so Ladstätter. Menschen mit Behinderungen haben immer noch nicht die gleichen Rechte wie Menschen ohne Behinderungen. Ladstätter fordert Menschen mit Behinderungen auch dazu auf, sich immer weiter für die eigenen Rechte einzusetzen, ganz nach dem Motto „Wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie gestern“.
Behindertenrechte endlich umsetzen
Das fordert Klaus Widl in seinem Wortbeitrag. Vor 14 Jahren habe Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterschrieben, passiert ist bisher nichts. Widl fordert u.a. inklusive Bildung, Barrierefreiheit und Lohn statt Taschengeld für Werkstättenmitarbeiter:innen.
Zudem appelliert er an Regierungsvertreter, aus dem Bundeskanzleramt herauszukommen und die Forderungen der Menschen mit Behinderungen entgegenzunehmen. Doch das geschieht nicht. Die Fenster und Türen des Bundeskanzleramts bleiben geschlossen. „Wir werden so lange laut bleiben, bis unsere Menschenrechte umgesetzt sind“, sagt Widl.
Lautstark für Gleichberechtigung
Laut sind auch viele andere der Redner:innen. Roswitha Schachinger, Geschäftsführende Vorständin WAG-Assistenzgenossenschaft und Vize-Präsidentin Österreichischer Behindertenrat, erhebt ihre Stimme für bedarfsgerechte und bundeseinheitliche Persönliche Assistenz. Diese sei ein Menschenrecht, so Schachinger.
Birgit Heller vom Verein Lichterkette fordert, dass Menschen mit psychosozialen Behinderungen nicht länger stigmatisiert werden. Die Vorurteile, die es in der Gesellschaft über sie gibt, seien z.B., dass sie faul oder gefährlich seien. Heller fordert deshalb Aufklärung – so soll es ein spezielles Fach an Schulen geben, das sich mit dem Thema Psychische Gesundheit beschäftigt. Auch fordert sie, dass jeder Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten bekommt.
Andere zentrale Forderungen sind Inklusive Bildung, Barrierefreiheit, Wohnen, wo man will und dass Behindertenrechte gesetzlich verankert werden. Die zahlreichen Forderungen endlich umzusetzen – das wäre die Aufgabe des Nationalen Aktionsplans gewesen, doch dieser hat versagt, darüber sind sich alle einig.
Inklusive Bildung und der Nationale Aktionsplan werden zu Grabe getragen
Gegen Ende der Kundgebungen tragen Vertreter:innen des Vereins MAD das Inklusive Bildungssystem und den Nationalen Aktionsplan im wahrsten Sinne des Wortes zu Grabe. Mit musikalischer Begleitung marschiert ein Trauerzug vor dem Bildungsstadtrat.
In einem Sarg liegt der Nationale Aktionsplan gemeinsam mit dem Inklusiven Bildungssystem, das 1990 das Licht der Welt erblickte, aber dann an Vernachlässigung gestorben sei, so drückt es Cornelia Scheuer in ihrer Ankündigung des Trauerzuges aus. Auch wenn die Veranstaltung mit einem symbolischen Trauerzug endet, ist die Stimmung doch hoffnungsvoll.
Denn alle Menschen, die heute in ganz Österreich demonstriert haben, eint nicht nur die Wut auf den Nationalen Aktionsplan, sondern auch die Hoffnung, dass unsere lautstarke Forderungen nach Menschenrechten nicht länger überhört bleiben.
Auszüge aus der Berichterstattung
Österreich:
https://oesterreich.orf.at/stories/3175629/
https://www.vienna.at/so-verlief-die-demo-in-wien-fuer-rechte-von-menschen-mit-behinderung/7661836
https://kurier.at/mehr-platz/demos-fuer-rechte-von-menschen-mit-behinderung/402162933
https://www.heute.at/s/demos-fuer-behinderten-rechte-in-ganz-oesterreich-100230146
https://www.puls24.at/news/politik/lohn-statt-taschengeld-demos-fuer-rechte-von-behinderten/276799
https://oe1.orf.at/player/20220928/691861/1664361078000
https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203/ZIB-1/14151279/Demos-fuer-Rechte-von-Behinderten/15242977
https://wien.orf.at/stories/3175633/
Tirol:
https://tirol.orf.at/stories/3175640/
Vorarlberg:
https://vorarlberg.orf.at/stories/3175651/
https://www.vol.at/menschen-mit-behinderungen-demonstrierten-in-bregenz/7661932
Salzburg:
Kärnten:
https://kaernten.orf.at/stories/3175607/
Oberösterreich:
Berichte zur Inklusionsdemo am 28. September