Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen müssen in künftiges Regierungsprogramm!
Im Jahr 2008 hat die Republik Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterzeichnet und sich damit verpflichtet, für gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an sämtlichen Lebensbereichen zu sorgen.
In Österreich herrscht dennoch in vielen Bereichen großer Nachholbedarf, wie auch der zuständige UN-Fachausschuss im Sommer 2023 festhielt.
„Anlässlich der Nationalratswahl und beginnender Regierungsverhandlungen fordern wir die politischen Entscheidungsträger:innen auf, die Rechte von Menschen mit Behinderungen in einem Regierungsprogramm entsprechend der UN-BRK zu berücksichtigen und zu verankern.“, fordert Rudolf Kravanja, Präsident des ÖZIV Bundesverbands, „Langfristig erwarten wir uns die vollständige Umsetzung der UN-BRK – deshalb ist es notwendig, in der kommenden Legislaturperiode ohne Verzögerung wichtige Themen anzugehen, um für Menschen mit Behinderungen möglichst rasch ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen!“
Der ÖZIV Bundesverband listet fünf besonders wichtige Themenbereiche der Behindertenpolitik auf:
Thema 1: Barrierefreiheit – Beseitigungsanspruch notwendig
Umfassende Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen sind hier nicht ausreichend, wie die letzten Jahre gezeigt haben.
„Wir benötigen endlich einen Rechtsanspruch auf Beseitigung von Barrieren sowie einen wirkungsvollen Mindest-Schadenersatz!“, so ÖZIV-Präsident Kravanja. Auch Schlichtungen müssten künftig rascher und effizienter abgehandelt werden.
Und ein ganz wichtiger Punkt: Barrierefreiheit muss ein Thema bei Betriebsanlagengenehmigungen werden.
Dazu bedarf es einer Änderung der Gewerbe-Ordnung. „Es kann doch nicht sein, dass Genehmigungen für Neu-Bauten erfolgen, ohne dass Barrierefreiheit gewährleistet ist“, ärgert sich Rudolf Kravanja.
Thema 2: Inklusive Bildung – Etappenplan für Inklusives Schulsystem
Bildung ist DIE Grundvoraussetzung für einen guten Zugang zu Jobs und ein selbstbestimmtes Leben – für alle Menschen, aber insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen.
Eine Folge davon ist, dass Menschen mit Behinderungen aufgrund des schlechteren Bildungszugangs häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. ÖZIV-Präsident Rudolf Kravanja:
Es muss sichergestellt werden, dass Menschen mit und ohne Behinderungen dieselben Bildungs-Chancen vorfinden – somit müssen wir das Schulsystem Schritt für Schritt in ein Inklusives Bildungssystem überführen.
Das beginnt im Kindergarten, wo es einen massiven Ausbau inklusiver Kindergarten-Plätze braucht, und geht weiter bei der Schaffung eines Rechtsanspruchs auf ein 11. und 12. Schuljahr.
Wir benötigen so rasch wie möglich einen Etappenplan zur Etablierung eines inklusiven Schulsystems – die Ressourcen und das Know-how aus den Sonderschulen sollen in dieses System übergeführt werden!
Thema 3: Inklusiver Arbeitsmarkt – Etablierung Inklusiver Arbeitszeitmodelle
Menschen mit Behinderungen erfahren nach wie vor Benachteiligungen am Arbeitsmarkt und sind überdurchschnittlich häufig von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit betroffen und damit potenziell armutsgefährdet. Trotz etlicher Maßnahmen in der Vergangenheit existieren immer noch Hürden für den gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt.
„Da nicht alle Menschen Vollzeit arbeiten können, fordern wir ein Inklusives Arbeitszeitmodell mit vollem Lohnausgleich in Anlehnung an das kontinuierliche Alters-Teilzeitmodell“, so ÖZIV-Präsident Rudolf Kravanja, „Bestehende Projekte zugunsten Arbeitsmarkt-Integration müssen zudem unbedingt weitergeführt werden!“
Bezüglich der Finanzierung der Maßnahmen bedarf es zudem einer Neuregelung der Finanzierung des ATF – weg vom derzeitigen „Straf-Charakter“ in Richtung eines „solidarischen Modells“.
Thema 4: Überarbeitung Feststellverfahren – die Zeit drängt
Viele Unterstützungsleistungen bzw. Möglichkeiten der Nutzung von Angeboten für Menschen mit Behinderungen hängen derzeit von medizinischen „Einschätzungen“ – beispielsweise dem Grad der Behinderung – ab. Dieses „medizinische Modell“ versteht Behinderung als defizitäre Eigenschaft, ist veraltet und widerspricht den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
„Die Abkehr vom medizinischen Modell und Hinwendung zum sozialen Modell ist im aktuellen NAP (Nationaler Aktionsplan Behinderung) mit dem Ziel der legistischen Umsetzung im Jahr 2028 enthalten.“, erklärt Rudolf Kravanja, Präsident des ÖZIV Bundesverbands.
Deshalb drängt der ÖZIV Bundesverband auf die im NAP zeitlich fixierte Umsetzung und mahnt erforderliche Schritte ein: „Der Systemwechsel stellt ein komplexes Unterfangen dar – deshalb muss rasch mit der Erarbeitung begonnen werden.“
Thema 5: Persönliche Assistenz – Regelfinanzierung sicherstellen
Mit der Harmonisierungsrichtlinie zur Persönlichen Assistenz ist ein wichtiger Schritt gelungen. ÖZIV-Präsident Kravanja: „Nun gilt es, die Richtlinie in ganz Österreich mit Leben zu füllen und die Regelfinanzierung für die Harmonisierungsrichtlinie sicherzustellen!“
Viele weitere Themen – Querschnittsmaterie
Auch auf vielen weiteren Gebieten bedarf es dingender Verbesserungen: ÖZIV-Präsident Rudolf Kravanja nennt beispielsweise die Sicherstellung der Finanzierung von notwendigen Hilfsmitteln und eine rasche Abwicklung der Genehmigungsverfahren und weist darauf hin, dass Behindertenpolitik keine alleinige Aufgabe des Sozialministeriums sein kann, sondern vielmehr als Querschnittsmaterie gesehen werden muss.
„Insofern müssen alle Ressorts in ihren Bereichen die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen entsprechend berücksichtigen. Die Behindertenorganisationen stehen als kompetente Ansprechpartner jederzeit zur Verfügung!“, so Kravanja abschließend