Offener Brief: An die Feuerpolizei der Stadt Bern

Aber eigentlich an die Feuerpolizei von überall

Gleichstellung jetzt!
BIZEPS

Wieder einmal war ich im Kino, (in diesem Fall das Alhambra) und habe mich geärgert, und Sie sind, wie schon so oft, die Ursache für diesen Aerger, darum muss ich Ihnen nun mal schreiben. Ich sass im Elektro Rollstuhl neben einer Sitzreihe, neben meinen 2 Begleitern, auf ebenen Boden und mit genügend Wendekreis, – nicht ganz der Platz meiner Wahl, aber doch durchaus komfortabel.

Da kamen nacheinander 2 Leute vom Personal und forderten mich ziemlich ultimativ auf, mich auf den Rollstuhlplatz zu begeben. Dieser Rollstuhlplatz ist aber für einen Elektro Rollstuhl zu eng, man steht darauf schief und aus Sicherheitsgründen wäre er ohnehin total falsch, weil kein Mensch mehr an mir vorbei konnte. Ausserdem war das Kino sozusagen leer. Es konnte also keine Rede davon sein (war es aber), dass ich jemanden gestört oder gar behindert hätte. Das alles erklärte ich dem jungen Mann, aber er belehrte mich stur immer wieder, das seien die Brand Vorschriften. Punkt.

„Holen Sie meinetwegen den Chef“,

„Der Chef hat gesagt, es ist Vorschrift.“

Sturheit traf auf Selbstbewusstheit.

Ich wollte nicht klein beigeben, bei etwas, wo ich eindeutig recht hatte. Da er sich aber weigerte den Film endlich zu beginnen, versuchte ich dann doch mit Hilfe meiner Freunde (allein hätte ich es ohnehin nicht geschafft) auf diesen verdammten Rollstuhlplatz zu gelangen. Und natürlich ging es nicht.

Nach viel Mühe sass ich zwar dort, aber schief und völlig eingeklemmt und sehr, sehr unbequem. Und jetzt sah es endlich auch der Brandpolizeihörige junge Mann ein, nur kam ich von dem Platz dann beinahe nicht mehr raus. Im Falle eines Brandes hätte ich ganz schön braten können und die Leute in der selben Reihe ebenfalls.

Und sehen Sie, meine Herren, solche idiotischen (wenn vielleicht auch gut gemeinten) Vorschriften verfolgen mich nun ein bald 60 jähriges Behinderten Leben lang.

  • In Wien wollten sie mich, obwohl ich schon in Schweiz Fr. 100.- für den Eintritt bezahlt hatte, in die Staatsoper nicht rein lassen, weil der (überigens sehr mies platzierte) Rollstuhlplatz schon vergeben war. Die berechtigte Person anerbot sich freundlicherweise, mir den Platz zu überlassen und sich in einen Sessel setzen zu lassen. Da der gelähmte Mann aber in diesem Sitzen starke Schmerzen hatte, insistierte ich in der Pause einigermassen lautstark. Und siehe da, plötzlich ging es. Es wurde mir gnädig erlaubt, mich an die Balustrade zu stellen, wo gut 3 Rollstühle neben einander Platz gehabt hätten und wo ich auch einen viel besseren Blick auf die Bühne hatte.
  • In einem anderen Kulturpalast wurde mir aus feuerpolizeilichen Erwägungen der Eintritt schlichtweg verweigert. Auf unsere Bedenken, ,dass dies doch diskriminierend sei, meinten die wohlmeinenden Herren, es würde dann irgendwann mal ein Sicherheitsräumchen gebaut und wenn das so weit sei, könne der Behinderte samt Begleiter im Falle eines Brandes in dieses Räumchen. Stellen Sie es sich doch mal vor: der ganze Bau brennt nieder, aber der Behinderte sitzt in seinem kostbaren Räumchen. Und bis es so weit ist, bleibt er halt zuhause.
  • In London durften wir nur ins Musical, als wir 6 Behinderte uns in die Sessel setzen liessen. Die Rollstühle wurden im Vorraum verstaut. Brandpolizei Vorschriften!
  • Im Berner Münster wurde ich wegen Brandpolizeilichen Vorschriften vom breiten Mittelgang in ein enges Nebengänglein gewiesen, in dem ich keinen Wendeplatz hatte und die Leute im Falle einer Flucht durch mich blockiert gewesen wären. Eine todsichere Falle.

Und, und, und. … Ich könnte die Liste an ärgerlichen und gefährlichen Episoden beliebig fortführen. Idiotische Brandpolizei Vorschriften und ihre stupide Einhaltung von nicht selber denkenden Menschen haben mir schon so oft in der Schweiz und im Ausland das Leben (das ja weissgott auch so schon genug Probleme bringt) erschwert. Und in letzter Zeit eben auch wieder vermehrt in Bern.

Ich will doch in meiner Stadt die Möglichkeit haben, am kulturellen Leben teil zu nehmen, ohne ständig und überall neben den ohnehin schon verhandenen baulichen Barrieren durch stupide Vorschriften diskriminiert zu werden. Seltsamer weise gibt es in Bern Kinos, die diese Einschränkungen nicht machen und darüber hinaus den Eintritt oft schenken mit der Begründung, wir besetzen ja keinen Sitzplatz, während die ominösen Behindertenplätze immer die teuerste Kategorie sind.

Vorschriften die dumm und unsinnig sind, bringen nichts. Lieber keinen Ratschlag als einen falschen.

Wir behinderten Menschen sind uns wohl bewusst, dass all diese Vorschriften nicht für unsere Sicherheit ausgedacht werden sondern zur Sicherheit der Nicht behinderten. Es dürfte aber einfach nicht so offensichtlich sein, wie nebensächlich schlussendlich die Würde behinderter Menschen eingestuft wird.

Wahrscheinlich haben sich schon viele Menschen im Rollstuhl deswegen geärgert. Leider braucht es immer sehr viel, bis sie sich auch zu wehren beginnen.

Und noch etwas zum Sicherheitsdenken unsrer Zeit. Ich fand es sehr eindrücklich, dass in Bern jemand bei einem Brand ums Leben gekommen ist, weil er sich hinter sieben Schlössern verschanzt hat und darum nicht gerettet werden konnte. Unreflektiertes Sicherheitsdenken kann tödlich sein, im Grossen wie im Kleinen.

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