Es ist Weihnachtstag, es ist Neun. Eigentlich kann ich aufatmen, der Weihnachtsstress ist endlich vorbei. Jetzt gibts gar nicht mehr zu kaufen. Die Geschenke sind verpackt. Fernseher ist eingeschaltet.
Seit vormittag 09:05 Uhr läuft „Licht ins Dunkel“ auf ORF 2. Ich habe im Untertitel-Vorschau nachgeschaut, um zu erfahren, welche Sendungen heute untertitelt werden.
Der Umfang an Untertitelung und Dolmetschung in Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist enttäuschend: das barrierefreie Zeitfenster fängt erst um 12:00 Uhr an, zwei Stunden lang. Also warte ich ab und mache zwischenzeitlich anderweitige Dinge.
Nachtrag: Tobias Buchner läßt uns in seinem Facebook-Beitrag wissen, was er zwischen 10:00 und 11:00 Uhr auf ORF 2 gesehen und gehört hat. Ein Geschäftsführer von einer Cochlear-Implantat Firma sitzend auf der Couch kam zu Wort. Er wird als „Wohltäter“ von der Moderatorin eingeführt, sie sagte irgendetwas von tauben Kindern.
Dazu sitzen dann mindestens vier Kinder mit auf der Couch, die von ihren „erfolgreich verlaufenen“ Operationen berichten, was vom Geschäftsführer auf paternalistische Art wohlwollend kommentiert wird. Das ist ein krasses Fallbeispiel unter vielen bei „Licht ins Dunkel“: nicht untertiteln und keine Teilhabe an den Botschaften der Couch-Szene.
Überhaupt ist der Umfang an Dolmetschung nur sehr marginal. Am 23. Dezember abends im ORF-Landesstudio Steiermark hatte die Pantomime McBEE (hochgradig schwerhörig) ihren Kurzauftritt und Petzi Panholzer dolmetschte die ganze Sendung in ÖGS (ab 18:30 bis 18:57 Uhr). In den restlichen Landesstudios kam ÖGS-Dolmetschung nicht vor.
Durchschnittlich 60 % der Sendungen in ORF 1 und ORF 2 wurden im Jahr 2013 bisher mit Untertitelung versehen (die genaue Zahl wird ORF erst im Jänner 2014 bekannt geben). Das ist zwar als Fortschritt gegenüber der letzten 10 Jahre zu werten, aber natürlich bei weitem nicht genug.
Betrachtet man alle Sendungen von „Licht ins Dunkel“ seit dem Start im November 2013, ist der barrierefreie Informationszugang nicht voll umgesetzt. Es findet keine vollständige Inklusion im ORF (einschließlich Lokalprogramme der ORF-Landesstudios) statt.
Dazu passt der Kommentar von Markus Ladstätter von BIZEPS zu „Licht ins Dunkel“: „Die Sendung richtet sich ja an die nichtbehinderten Spender, ob die Sendung dann barrierefrei ist, interessiert doch keinen.“
Seit Jahren wird „Licht ins Dunkel“ insbesondere von Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ) und BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben kritisiert, weil die Spendenaktion auf der Mitleidschiene fährt und behinderte Menschen mehr als karitative Objekte gezeigt werden. Man hat das Gefühl, dass Menschen mit Behinderungen nicht als Rechtssubjekte anerkannt werden.
Ich halte es für wichtig, dass gehörlosen und schwerhörigen Menschen der volle Informationszugang zu Dialogen und Redebeiträgen gewährleistet wird. Dadurch können wir an der Informationsgesellschaft teilhaben, selber reflektieren, über Inhalte mitdiskutieren und gegebenfalls Kritik üben.
Ich erinnere mich noch an die Jahre zurück, als die „Licht ins Dunkel“-Sendungen im ORF praktisch überhaupt nicht untertitelt waren. Erst über BIZEPS-INFO mit zahlreichen Stellungnahmen von Kritikern zu „Licht ins Dunkel“ wurde mir nach und nach bewußt, zu welchem Nachteil diese Mitleidskampagne für uns Menschen mit Behinderungen ist.
Umstrittener Werbeclip von Demner, Merlicek & Bergmann nicht barrierefrei
Mitte November startete der Verein „Licht ins Dunkel“ gemeinsam mit dem ORF einen 40 Sekunden langen Werbespot, der von Demner, Merlicek & Bergmann entwickelt worden war. Die Kampagne steht stark unter Kritik, weil ein Bild von Menschen mit Behinderungen gezeigt wird, das nicht zeitgemäß und überholt ist. Ein Bub erklärt seinen Freunden, er wolle Knochendoktor, Nervendoktor, Muskeldoktor und Gehirndoktor werden, weil er seinen behinderten Bruder, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, heilen möchte, damit dieser Fußballspieler werden kann.
Was in der medialen Berichterstattung bisher nicht erwähnt wurde: Demner, Merlicek & Bergmann haben den Spot ohne (zuschaltbare) Untertitelung entwickelt. Somit widerspricht die Intention der Produzenten nicht nur dem Artikel 8 (Bewusstseinsbildung), sondern auch dem Artikel 9 (Barrierefreiheit) der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Es gebührt mein Dank dem rollenden Aktivisten Thomas Stix. Er hat den Werbespot in Youtube mit Untertiteln extra nachbearbeitet und diesen der breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Dadurch können ebenfalls gehörlose und schwerhörige Menschen in den Diskurs über „Licht ins Dunkel“ einbezogen werden und sich selbst ein Bild davon machen.
Der „Licht ins Dunkel“-Spot