ORF wegen fehlender Untertitel geklagt

Der ORF, als Österreichs größter Nachrichtenanbieter, hat sich in einer Schlichtungsvereinbarung zum Abbau von kommunikativen Barrieren hinsichtlich seines Internetangebotes verpflichtet. Bis heute hat der ORF diesen Vertrag nicht erfüllt.

Logo ORF
BIZEPS

Sachverhalt

Barrierefreie Internetseiten ermöglichen Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen. Aufgrund von Barrieren sind die Internetangebote des ORF für gehörlose Menschen aber nicht nutzbar. Auf der video-on-demand Webseite gibt der ORF NutzerInnen die Möglichkeit, Sendungen wie zum Beispiel ZiB1 oder ZiB2 auszuwählen, anzuschauen und anzuhören. Für gehörlose Personen ist es aber wegen der fehlenden Dolmetschung in die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) nicht möglich, sich auf diesem Wege Informationen zu verschaffen.

Darüber hinaus bietet der ORF auf seiner Internetplattform zahlreiche vertonte Videofilme (z. Bsp.: IPTV, ZiB, Bundesland heute) an. Diese Beiträge sind ohne Untertitel und daher gehörlosen Personen wiederum nicht zugänglich.

Schlichtung

Ein gehörloser Mann fühlte sich durch die nicht barrierefreien Internetseiten des ORF diskriminiert und brachte einen Schlichtungsantrag beim Bundessozialamt ein.

In der ersten Schlichtungsverhandlung im Oktober 2007 wurde zwischen den Schlichtungsparteien vereinbart, dass der ORF innerhalb eines Monats schriftlich bekannt gibt, ob und in welchem Zeitraum die ZiB1 mit ÖGS als video on demand auf ondemand.orf.at realisiert werden kann. Hinsichtlich dieses Teilaspektes kam es zu einer fristgerechten Umsetzung durch den ORF. Als Ergebnis dieser Schlichtung wird nunmehr die ZiB seit Jänner 2008 um 19.30 Uhr mit ÖGS-Dolmetschung (die bereits seit Juli 2004 auf ORF 2E-Kanal europaweit ausgestrahlt wurde) gestreamt. Die ZiB mit ÖGS ist damit für Gehörlose als Livestream und als on-demand-Angebot im ORF.at-Netzwerk (ondemand.orf.at) abrufbar.

Thema des zweiten Schlichtungsgespräches war die Untertitelung aller videos on demand. Lange Zeit wurde seitens des ORF mitgeteilt, dass die Untertitelung von Online-Videos mangels vorhandener Untertitel nicht möglich sei. Zudem sei die Produktion von Transkripten und Untertiteln für die on demand Videos im ORF.at-Netzwerk wirtschaftlich und auch technisch unmöglich. In der Schlichtungsverhandlung legte der Mann durch Vorlage von Ausdrucken der APA-Defacto dar, dass teilweise bereits Texte vorhanden sind, die aber vom ORF nicht genutzt werden. Die Schlichtungsparteien einigten sich und unterzeichneten eine gemeinsame Schlichtungsvereinbarung. Der ORF verpflichtete sich darin unter anderem dazu, bis zum 30.6.2008 bei allen videos on demand, für die die APA derzeit bereits Transkripte erstellt, diese als download zur Verfügung zu stellen. Zudem wurde die Untertitelung, der für das Jahr 2008 geplanten videos on demand, für welche bereits Untertitel für das Fernsehen vorliegen, für das Jahr 2008 zugesagt.

Die Schlichtungsvereinbarung ist vom ORF innerhalb der vereinbarten Frist nicht widerrufen worden und somit rechtswirksam.

Klage

Der ORF hat die versprochene Untertitelung für die on demand Videos im ORF.at-Netzwerk trotz mehrfacher Setzung von Nachfristen nicht umgesetzt. Der Mann klagt nunmehr, vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. Anja Oberkofler und mit Unterstützung von ÖGLB, BIZEPS und Klagsverband, auf Erfüllung der vom ORF im Vergleichswege zugesagten Leistung.

Kommentar

Rechtlich stellt die fehlende Untertitelung der videos on demand auf der ORF-Webseite eine Barriere beim Zugang zu Informationen dar und diskriminiert damit Menschen mit Behinderung, insbesondere gehörlose Personen, mittelbar im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG). Die zwischen den Parteien geschlossene Schlichtungsvereinbarung ist juristisch ein Vertrag. Erfüllt eine Vertragspartei die in diesem Zusammenhang versprochene Leistung nicht, so steht dem anderen Vertragsteil der Weg an die Zivilgerichte offen.

Seit vielen Jahren ärgern sich Menschen mit Behinderungen über das nicht barrierefreie Angebot des Marktführers ORF. Dem Kläger, der hier stellvertretend für alle Betroffenen aktiv geworden ist, ist natürlich bewusst, dass nicht sofort gänzliche Barrierefreiheit erreicht werden kann, aber die bestehenden Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden, um allen Menschen einen barrierefreien Zugang zu Informationen zu gewährleisten.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich