Parlament: Expertenhearing zu den Gleichbehandlungsgesetzen

Bei der heute am Nachmittag stattfindenden Sitzung des Gleichbehandlungsausschusses befassten sich die Abgeordneten mit der Umsetzung von EU-Antidiskriminierungsrichtlinien.

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Bei der Novellierung steht vor allem die Ausweitung des Gleichbehandlungsgebotes auf die Gründe der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Diskriminierung im Vordergrund.

Der Diskriminierungstatbestand der Behinderung wird in einem eigenen Behinderten-Gleichstellungsgesetz geregelt. Ebenso wie im Bereich des Bundes müssen auch im privatwirtschaftlichen Sektor die zwei EU-Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der besseren Lesbarkeit erfolgt dabei die Umsetzung in zwei Gesetzen.(285 d.B.) (307 d.B.)

Um die Gesetzesvorhaben noch besser beurteilen zu können, hat der Ausschuss beschlossen, ein ausführliches Expertenhearing abzuhalten. Zuvor nahmen auch noch die zuständigen Regierungsmitglieder zu den Vorlagen Stellung.

Bei der Ausarbeitung der Regierungsvorlagen war es das Ziel, alle Gleichbehandlungsgebote in einem einheitlichen Gesetz zusammenzufassen, erläuterte Bundesminister Martin Bartenstein. Ein großer Vorteil sei, dass dadurch Mehrfachdiskriminierungen einheitlich behandelt werden können. Da es in diesem Bereich seit vielen Jahren bewährte Instrumentarien gebe, wurde auf diese Einrichtungen zurückgegriffen, da es nicht notwendig sei, das Rad neu zu erfinden. Durch die Konzentration in einem Gesetz werde auch der Zugang zum Recht erleichtert und ein hohes Maß an Professionalität gewährleistet, war der Minister überzeugt. Ausgenommen wurde der Diskriminierungstatbestand der Behinderung, wofür ein eigenes Gesetz erlassen werde. …

Gerade im Bereich der Gleichbehandlung habe der Arbeitgeber Bund wichtige Schritte in den letzten Jahren gesetzt, war Staatssekretär Franz Morak überzeugt. Auch er informierte über die wichtigsten Inhaltspunkte des neuen Bundes- Gleichbehandlungsgesetzes, das synchron zu jenem für die Privatwirtschaft erlassen werde.

In der Folge nahmen dann die einzelnen Experten zu den Regierungsvorlagen Stellung.

Nach Ansicht der Vertreterin der Wiener Arbeiterkammer, Mag. Martina Thomasberger, war es völlig unverständlich, warum die Arbeit der Gleichbehandlungskommission auf drei Senate aufgeteilt werde, ohne dass etwas am unklaren rechtlichen Status der GBK geändert wurde. Nicht umgesetzt wurde auch die Beteiligung von NGOs sowie die Einrichtung von speziellen Stellen, die Diskriminierungsopfer unabhängig beraten sollen. …

Der Jurist Mag. Thomas Schmied war der Meinung, dass die EU- Richtlinien vollständig umgesetzt werden. …

Hannes Tretter vom Ludwig Boltzmann Institut machte darauf aufmerksam, dass die EU-Richtlinie Diskriminierungen im täglichen Leben (im „Nichtarbeitsbereich“) erlaube, wenn sie nicht aus rassischen Gründen erfolgen. Dies bedeute z.B., dass Personen bei Wohnungsvergaben aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religionszugehörigkeit etc. diskriminiert werden können. Er sei überzeugt davon, dass dies verfassungswidrig sei und dem Gleichheitsgebot widerspreche. Negativ beurteilte Tretter auch, dass die Beweislastregelungen nicht die Vorgaben der Richtlinie erfüllen.

Dr. Alice Karrer-Brunner, Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission, wies darauf hin, dass es nun drei Senate gibt, wobei der erste unverändert bleibt. Was die Beiziehung von NGOs betrifft, so sei es aus ihrer Sicht nicht zweckdienlich, zusätzliche Sitze im Senat zu schaffen, da die Verfahren dann immer schwieriger würden. Außerdem können auf Antrag Vertreter von NGOs beigezogen werden, informierte sie.

Dr. Brigitte Hornyik (Verein österreichische Juristinnen) stellte die Umsetzung der Richtlinien in einem einheitlichen Gesetzesprojekt in Frage. So sei etwa die Diskriminierung von Frauen kein Phänomen einer Minderheit, wie dies bei den anderen Gründen der Fall sei. Es wäre Österreich auch gut angestanden, ein eigenes Antirassismusgesetz zu erlassen.

Dr. Anna Ritzberger-Moser vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit konstatierte, dass die Beweislastverlagerung konform mit dem Gemeinschaftsrecht sei. Auch sei es möglich, auf Antrag Vertreter von NGOs einzubinden, was ebenfalls dem EU-Recht entspreche.

Mag. Dieter Schindlauer vom Verein für Zivilcourage und Anti- Rassismus-Arbeit zeigte sich, wie er sagte, erleichtert und froh, dass Österreich an die Umsetzung der EU-Richtlinien gegangen ist und die Diskriminierungsbekämpfung keine Sache des Strafrechtes, sondern eine des Zivilrechtes sein soll. Besonders wichtig ist ihm, dass es auf europäischer Ebene – mit der Stimme Österreichs – klare Bestimmungen in den Richtlinien gibt, die auf ein intensives Zusammenarbeiten hinweisen. Der Redner vermisst in den Vorlagen die Einbindung der NGOs und nannte dies nicht EU- konform.

Im Gleichbehandlungsausschuss kamen dann die PolitikerInnen zum Wort. Nach Ansicht von Abgeordneter Brigid Weinzinger (GRÜNE) scheint die Forderung nach einheitlicher Regelung des Diskriminierungsschutzes nicht verwirklicht zu sein.

Abgeordneter Walter Posch (SPÖ) erinnerte daran, dass es seinerzeit mit der ÖVP nicht möglich war, ein einheitliches Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden; es habe eines externen Anstoßes der EU bedurft, damit die Regierung aktiv werde. Seine Kritik bezog sich u.a. auf das Fehlen von klaren Definitionen, auf die fehlende klare Trennung der Geschlechterdiskriminierung von anderen Formen der Diskriminierung.

Abgeordnete Terezija Stoisits (GRÜNE) meinte, das Ergebnis eines bereits 1998 begonnenen Prozesses seien nun die beiden Gesetze, „von Mutlosigkeit geprägte, typisch blau-schwarze Regierungsvorhaben“, die kaum etwas bringen und die Frauenfrage „tief beschädigen“.

Abgeordnete Ridi Steibl (ÖVP) bat die Vertreter der NGOs, bekannt zu geben, welchen Status sie haben wollen.

Abgeordnete Mares Rossmann (FPÖ) unterstrich, dass die Gleichbehandlung einen Schwerpunkt in der Arbeit der Bundesregierung darstelle, und wies auf die aus ihrer Sicht klaren Zielsetzungen des Gesetzentwurfs hin.

Abgeordnete Barbara Prammer (SPÖ) zeigte sich seitens der SPÖ an Gesprächen interessiert, machte aber zugleich darauf aufmerksam, dass es für ihre Fraktion auch um die Änderung materiellen Rechts gehe.

Mag. Birgit Weyss (Boltzmann-Institut für Menschenrechte, nominiert von den Grünen) hielt fest, dass die Wirksamkeit des Gesetzes davon abhängen werde, ob es auch angewendet werde. Wichtig wäre es, der Gleichbehandlung auch im Privatrecht zum Durchbruch zu helfen, dabei sah die Expertin Probleme – wegen des hohen Prozessrisikos und der Scheu vieler Opfer, sich nach einer Diskriminierung zu deklarieren. NGOs sollten das Recht erhalten, sich an Verfahren zu beteiligen, um Musterprozesse durchfechten zu können. Bedeutsam seien auch wirksame Sanktionen – es müsse unwirtschaftlich werden, zu diskriminieren.

Irene Slama (Staatssekretariat für Familie, Generationen und Konsumentenschutz, nominiert von der FPÖ) unterstrich das Ziel, dazu beizutragen, Diskriminierung erst gar nicht entstehen zu lassen.

Mag. Volker Frey (Wiener Integrationsfonds, nominiert von der SPÖ) kritisierte, dass die Regierungsvorlagen kein einheitliches Antidiskriminierungsgesetz darstelle, Behinderte seien beispielsweise ausgenommen. Weiters klagte der Experte über mangelnde Klarheit des Entwurfs und das Fehlen positiver Maßnahmen.

Mag. Iris Woltran (Volkshilfe Österreich, SPÖ) bedauerte, dass Vertreter der Zivilgesellschaft nicht in die Senate einbezogen seien, einen umfassenden Ansatz gegen Diskriminierungen konnte er nicht erkennen.

Rechtsanwältin Dr. Helga Wagner (nominiert von der ÖVP) sah die Privatwirtschaft vor der Aufgabe stehen, ihre Beschäftigungspolitik diskriminierungsfrei zu gestalten. An die NGOs richtete die Expertin die Frage, wie sie ihren Status konkret ausgestaltet sehen möchten.

Zum Abschluss des Hearings gingen die Ausschussexperten in kurzen Statements auf Detailfragen ein, die während der mehrstündigen Beratung aufgetaucht waren. Dabei ging es unter anderem um die Verjährungsbestimmungen (Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl) und um die Frage, wie die NGOs in die Bemühungen gegen Diskriminierungen einbezogen werden sollen.

Dabei machte Mag. Dieter Schindlauer darauf aufmerksam, dass Diskriminierungen der Volkswirtschaft viel Geld kosten und es daher ökonomisch sinnvoll sei, Geld für den Kampf gegen die Diskriminierung aufzuwenden.

Dr. Anna Ritzberger-Moser sah der Beweislastumkehr durch den Entwurf Rechnung getragen und plädierte dafür, die NGOs im Sinne der Richtlinie einzubeziehen.

Mit den aufgeworfenen Verfassungsfragen befassten sich zunächst Ministerialrat Mag. Wolf-Dietrich Böhm und dann Dr. Brigitte Hornyik, die darauf aufmerksam machte, dass der Verfassungsgerichtshof letztlich auch dort zu entscheiden habe, wo der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes eine andere Auffassung vertrete. Hornyik plädierte für ein Verbandsklagerecht der NGOs.

Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner erinnerte daran, dass die EU- Richtlinie Mindestanforderungen stelle, es aber nicht verboten sei, mehr zu tun. Graupner klagte, dass nicht alle Klassen von Diskriminierten berücksichtigt werden, und sah Verschlechterungen bei der Beweislastumkehr.

Dr. Alice Karrer-Brunner hielt es für wichtig, der Gleichbehandlungskommission die Möglichkeit zu geben, durch Öffentlichkeitsarbeit an der Bewusstseinsbildung mitzuwirken.

Dr. Alix Frank-Thomasser meinte, dass es dem Gesetzentwurf wegen der hohen Prozessschwelle und der Kostenproblematik an Durchsetzungskraft fehle.

Der Gleichbehandlungsausschuss beschloss einstimmig, die Beratungen bis 22. April 2004 zu vertagen.

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