Periode und Behinderung – raus aus der Tabuzone

Selbst in den 2000er-Jahren ist das Thema Periode noch immer tabuisiert. Noch weniger wird über Periode und Behinderung gesprochen. Der folgende Beitrag zeigt auf, mit welchen zusätzlichen Barrieren Frauen mit Behinderungen während ihrer Periode konfrontiert werden. Ein Kommentar.

Portrait Mag. Katharina Müllebner

Es ist eine biologische Tatsache, dass fast jede Frau einmal im Monat ihre Periode bekommt. Das trifft selbstverständlich auch auf Frauen mit Behinderungen zu. Auch wenn die monatliche Menstruation ein natürlicher Prozess in der körperlichen und sexuellen Entwicklung ist, ist sie immer noch tabuisiert.

Für Frauen mit Behinderung kann die monatliche Periode zur Herausforderung werden. Ich spreche hier aus Erfahrung, denn ich selbst bin eine Frau mit Behinderung. Inspiriert durch einen Beitrag auf der Internetseite erdbeerwoche.com, möchte ich auch über meine Erfahrungen mit dem Thema berichten.

Zunächst gibt es die Dinge, die ich wahrscheinlich mit vielen anderen Frauen teile, das sind Unterleibsschmerzen und gelegentliche Stimmungsschwankungen. Manchmal gehen diese Schmerzen bei mir so weit, dass sie zu Übelkeit führen.

Daher bin ich in der ersten Zeit auf schmerzstillende Medikamente angewiesen. Zusätzlich zu den Herausforderungen, die die Periode ohnehin schon mit sich bringt, stößt man als Frau mit Behinderungen auch auf Umweltbarrieren, die während der Periode noch ausschließender werden.

Die Odyssee zum barrierefreien WC

Menschen ohne Behinderungen können, ohne viel nachzudenken, auf jedes WC gehen. Ich kann das nicht. Ein WC, das ich benutzen kann, muss groß genug sein, um es mit dem Rollstuhl befahren zu können, muss die geeignete Höhe, um mich bequem draufsetzen zu können und muss natürlich Haltegriffe haben, und das auf beiden Seiten und in der richtigen Länge.

So eigenartig es klingt, nicht einmal WCs, die als Behinderten-WCs ausgewiesen sind, erfüllen diese Kriterien. Manche scheinen sogar zu glauben, dass es reicht, einfach nur eine Toilette in einem größeren Raum zu haben.

Doch was nützt es, die Toilette mit dem Rollstuhl befahren zu können, wenn die Haltegriffe fehlen, um umzusteigen. Gerade während der sensiblen Zeit der Periode ist man auf Barrierefreiheit umso mehr angewiesen. Denn da kann man nicht die Hose schon im Rollstuhl hinunterziehen, wenn die geeigneten Haltegriffe fehlen.

Diese Tatsache beeinflusst mein Freizeitverhalten während der Regel. Ich kann nur an Orte gehen, wo ich die Toilettenbegebenheiten genau kenne.

Die medizinische Versorgung

Spätestens mit dem Eintreten der Periode sollten Frauen eine Frauenärztin oder einen Frauenarzt aufsuchen. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Beratung zur sexuellen Entwicklung. Es sollte selbstverständlich sein, dass Frauen mit Behinderungen, egal mit welcher Behinderung eine Frauenärztin oder einen Frauenarzt aufsuchen können.

Doch das ist es leider nicht. Meine erste Frauenärztin war komplett mit mir überfordert. Erstens war der gynäkologische Stuhl viel zu hoch und zweitens fügte sie mir mit den für meinen Körper viel zu großen Untersuchungsinstrumenten Schmerzen zu.

Anstatt andere Lösungsmöglichkeiten zu finden, sagte sie mir, dass ich in meinem Intimbereich zu eng wäre und dass ich selbst einmal versuchen sollte, das zu ändern. Dieser Rat schockierte und verwirrte mich gleichermaßen, denn ich war erst 14 Jahre alt.

Schließlich schickte sie mich in eine gynäkologische Ambulanz, die Kleinkinder behandelte, die ich dann aber nicht aufsuchte. Nach dieser Erfahrung habe ich sehr lange gebraucht, um mich wieder einem neuen Frauenarzt anvertrauen zu können.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass vielen Ärzten das Verständnis dafür fehlt, dass auch Menschen mit Behinderungen eine normale sexuelle Entwicklung durchlaufen und deshalb auch das Recht haben, mit einer kompetenten Ärztin oder mit einem kompetenten Arzt über Dinge wie Periode, Sexualität und Schwangerschaft reden zu können.

Denn nur weil man behindert ist, ist man kein ewiges Kind. Schließlich habe ich doch eine Ärztin gefunden, zu der ich wieder Vertrauen fassen konnte und die mit dem Thema zurechtkam. Aber die Periode ist immer noch ein Thema, mit dem ich auch hier an meine Grenzen stoße.

Unterdrücken statt barrierefrei ausleben?

Aufgrund dessen, dass meine Periode Barrieren in meinem Alltag noch stärker werden lässt, begonnen mit den nicht barrierefreien Toiletten zum großen Verbrauch oft nicht barrierefreier Hygieneprodukte, habe ich oft mit dem Gedanken gespielt, die Periode zu unterdrücken.

Ich habe im Zuge dessen verschiedene Arten von Pillen ausprobiert, doch eins sollte man hierbei nicht vergessen: Pillen greifen in den Hormonhaushalt ein und können, was Viele nicht wissen, sogar die Stimmung beeinflussen.

So hatte ich zwar eine weniger starke Periode, dafür dauerte sie aber länger und ich litt an Stimmungsschwankungen. Wenn es mir sehr schlecht ging, spielte ich sogar mit dem Gedanken, einen körperlichen Eingriff vornehmen zu lassen, um die Periode zu stoppen.

Doch dann fragte ich mich, ist es das alles wert? Nur weil uns das Leben mit Periode noch hindernisreicher gestaltet wird, willst du deinen Körper verändern? Damit du es in deiner Umwelt leichter hast? Sollte nicht vielmehr Umwelt und Gesellschaft auf Frauen mit Behinderungen und Periode angemessen reagieren?

Sollte man nicht eher für zugängliche Toiletten, aufgeklärte Ärztinnen und Ärzte und günstige Hygieneprodukte kämpfen, anstatt seinen Körper anzupassen?

Ein Plädoyer für eine regelpositive Gesellschaft

Keine Frau sollte gezwungen werden, sich während der Periode einzuschränken, aufgrund mangelnder Barrierefreiheit und falscher Scham. Unsere Körper sind so wie sie sind, wir sind Frauen mit Behinderungen und Frauen mit einer normalen sexuellen Entwicklung.

Das ist etwas ganz Natürliches. Themen wie Menstruation, Sexualität und Behinderung gehören endlich aus der Tabuzone herausgeholt, denn sie sind Teil des Erwachsenwerdens.

Und wenn ich das bei Menschen mit Behinderungen nicht anerkenne, heißt das, Frauen mit Behinderungen das Erwachsenwerden abzusprechen. Und das ist auch ein herber Schlag für gesellschaftliche Teilhabe und Gleichberechtigung. Von einem offenen Umgang mit diesem Thema profitieren alle Frauen.

Wenn Sie mehr über das Thema „Periode und Behinderung“ erfahren möchten, besuchen Sie die Internetseite erbeerwoche.com. Dort gibt es auch ein sehr interessantes Interview mit der Autorin und Rollstuhlfahrerin Laura Gehlhaar zu dem Thema.

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5 Kommentare

  • Ein sehr mutiger Artikel! Danke!

  • Danke für diesen Artikel!

    Es löst in mir Bestürzung aus, wenn ich lese, wie mit Mädchen in Zusammenhang mit ihrem Geschlechtsorgan und dem Mädchen an sich so umgegangen wird.
    Ganz ehrlich, Menschlichkeit sollte im medizinischen Studium ein Prüfungsfach sein in dem man sich vor dem Abschluss bewähren muss. Und definitiv braucht es eine Riesenanzahl an niederschwelligen Anlaufstellen für Mädchen um bei Angelegenheiten wie diesen hingehen und Unterstützung bekommen zu können. Personen dieser Anlaufstelle sollten befähigt sein mit den Miss-handelnden Personen Kontakt aufzunehmen und aufzuzeigen was aufzuzeigen ist.
    Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie mittlerweile angenehme Lösungen gefunden haben.
    Ich weiß nicht ob es bei Ihnen praktikabel ist die Menstruationstasse zu verwenden? Diese kann man bis zu 12 Stunden in der Vulva lassen.
    Alles Liebe!

  • Normalerweise werden 14jährige Mädchen vom Frauenarzt gefragt, ob sie schon Verkehr hatten. Aber auch das wäre nicht notwendig..Es ist häufig normal, das Frauen, die nie geboren haben und nicht regelmässig Geschlechtsverkehr im Augenblick haben, oder wo der Verkehr Jahre zurückliegt, UNABHÄNGIG VON DER ANZAHL DER BISSHERIGEN SEXUALPARTNER eine enge Vagina haben. Solche Frauen haben nicht nur Probleme bei gynäkologischen Untersuchungen sondern auch mit Tampons, man kann nur kleine verwenden bei der Periode…Deswegen schreiben auch manche Frauenärzte auf ihrer Hompepage, dass frau erst dann kommen solle, wenn sie regelmässig Geschlechtsverkehr hat!!!!!! Dabei könnte man statt mit Instrumenten zuerst nur mit den Händen und Handschuhen untersuchen oder auf alternative Diagnostkmöglichkeiten umsteigen.
    Ich verwende selber seit jahren Inkontinenzbinden bei der Periode, da die Regelindustrie versucht möglichst viele Vorlagen/Tampons zu verkaufen, was nicht nur für behinderte Frauen unangenehm ist, sondern auch berufstätige nichtbehinderte Frauen beispielsweise während ihrer Tage sehr behindert..

  • Danke für diesen sehr persönlichen Kommentar.
    Das Thema Periode ist bei Frauen egal ob mit oder ohne Behinderung immer noch ein Tabu. Mädchen schämen sich sehr oft, wenn sie zum ersten Mal die Regel bekommen. Ich kann mich noch erinnern, wie peinlich es mir war, als wir in der Schule einmal eine binde aus der Schultasche gefallen ist und die Burschen es bemerkt haben. die Periode gehört zur Weiblichkeit dazu, und in manchen Kulturen wird das eintreten der Regel sogar gefeiert.
    Ja, und bei Menschen mit Behinderung kommen noch die ganz praktischen Aspekte dazu. Toiletten und wenig barrierefreie Produkte..
    Auch ich als blinde Frau bin mit meinen Anliegen bei Frauenärztinnen manchmal auf Unverständnis gestoßen. Zugegeben, da gibt es weniger Barrieren aber das Verständnis fehlt oft.
    Das Projekt erdbeerWochen ist toll.
    Hier noch eine Buch Empfehlung: Periode ist politisch. Autorin weiß ich nicht. Aber sehr interessant und teilweise haarsträubend.
    Liebe Grüße

  • Ich fand den Artikel sehr ausführlich