Der Verein „Persönliche Assistenz Vorarlberg“ beendet Ende 2025 seine Arbeit als Servicestelle. Betroffene blicken mit Sorge in die Zukunft. Ein Kommentar.

Die Persönliche Assistenz ist für viele Menschen mit Behinderungen unverzichtbar, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch in Vorarlberg steht dieses zentrale Angebot vor großen Herausforderungen.
Der Verein „Persönliche Assistenz Vorarlberg“ war schon jahrelang im Bereich der Persönlichen Assistenz – wenn auch in einem sehr kleinen Umfang – tätig. Das Land Vorarlberg trat 2024 dem Pilotprojekt des Bundes bei und die Servicestelle des Vereins erhielt eine wichtige Aufgabe in der Umsetzung.
Ein Jahr später steht fest: Die Servicestelle des Vereins Persönliche Assistenz Vorarlberg „hat alle Verträge mit dem Land gekündigt und zieht sich wieder zurück“, berichtete Vorarlberg online kürzlich. „Die Last ist einfach zu groß geworden“, erklärt Simone Grabher, Geschäftsführerin des Vereins.
War das Projekt wirklich von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Kritiker:innen werfen dem Verein mangelnde Vorbereitung vor.
Überforderung oder fehlende Planung?
Das Pilotprojekt sollte die Persönliche Assistenz in Vorarlberg bündeln und effizienter gestalten. Ende 2023 wurde die Öffentlichkeit informiert.

Doch nun zeigte sich: Der Verein war überfordert. Der Verwaltungsaufwand stieg rapide, ohne dass interne Strukturen entsprechend mitwuchsen.
„Wenn man 100 Leute anstellt, ist es in der Verwaltung eine ganz andere Geschichte. Aber in der Verwaltung sind wir gleich groß geblieben“, räumt Grabher ein.
Warum wurde dies nicht frühzeitig erkannt? Ein solches Wachstum war absehbar. Dennoch scheint es, als sei die Servicestelle mit einer unrealistischen Erwartungshaltung gestartet. Dass sich der Verein bereits nach einem Jahr zurückzieht, wirft Fragen zur Planung und finanziellen Absicherung auf.
Auch die finanzielle Unsicherheit wird als Grund für den Rückzug genannt. Die Finanzierung hätte im Vorfeld besser abgesichert werden müssen. Wer sich für ein so bedeutendes Projekt verantwortlich zeigt, trägt auch die Pflicht, tragfähige Strukturen zu schaffen – anstatt sich nach einem Jahr zurückzuziehen und die Verantwortung dem Land zu überlassen.
Der gesamte Vorstand des Vereins zieht sich zurück
Schon im Herbst 2024 beschloss der gesamte Vorstand des Vereins den Rückzug. Vereinsobfrau Sabrina Nitz bedauert: „Unter diesen Bedingungen war es uns jedoch leider nicht mehr möglich, die Verantwortung weiterhin zu tragen.“
„Das Geld ist ein Thema. Die finanzielle Last ist zu groß geworden.“ Auch, weil sich für den Vereinsvorstand die Haftungsfrage stellt. In einem Verein haften die Vorstandsmitglieder für alle Verluste persönlich.
„Das ganze Jahr über mit dem unsicheren Gefühl zu arbeiten, ob es sich finanziell ausgeht, zehrte sehr an den Nerven“, sagt Grabher. „Als GmbH wäre man anders organisiert“, konkretisiert Grabher und verweist damit auf das deutlich geringere Haftungsrisiko.
Doch während sich die Verantwortlichen zurückziehen, bleiben die Betroffenen mit Unsicherheiten zurück. Zwar wird versichert, dass die Assistenzleistungen bis Ende 2025 weiterlaufen. Doch die Zukunft ist ungewiss.
„Die Klienten können sich bis Ende des Jahres sicher sein, dass die Leistung aufrecht bleibt. Sie brauchen die Leistung. Manche kommen sonst nicht aus dem Bett oder können nicht alleine auf die Toilette“, betont Grabher.
Das Land versichert, eine Lösung zu finden
Jetzt ist die Politik gefordert, eine tragfähige Alternative zu schaffen. Landesrätin Martina Rüscher zeigte zwar Verständnis für den Rückzug, betonte aber: „Es ist uns wichtig, dass Menschen mit Behinderungen weiterhin die nötige Unterstützung erhalten, um ihre Selbstständigkeit zu wahren.“
Nun prüft das Land, in welcher Struktur die Persönliche Assistenz ab 2026 weitergeführt werden kann.
Warum wurde die Servicestelle des Vereins nicht von Anfang an gemeinsam mit dem Land auf stabilere Beine gestellt? Hätte eine bessere Zusammenarbeit und Planung den Rückzug verhindern können?
Lebenshilfe fordert Assistenz für alle
Auch die Lebenshilfe Vorarlberg verfolgt die Entwicklung mit Sorge. Sie fordert nicht nur eine Fortsetzung der Persönlichen Assistenz, sondern auch eine Erweiterung des Angebots auf Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen.
„Das Land Vorarlberg hat zwar Ende letzten Jahres eine aktuelle Bestandsaufnahme zur Persönlichen Assistenz präsentiert. Unsere Lösungsansätze und Forderungen aus der Deklaration ‚Persönliche Assistenz für alle‘ sind darin jedoch noch nicht enthalten“, kritisiert Lebenshilfe-Geschäftsführerin Michaela Wagner-Braito.
Sie fordert eine transparente Ausschreibung und eine nachhaltige Neustrukturierung. „Es braucht eine abgestimmte Lösung, die klar definiert, welche Träger welche Bereiche der Persönlichen Assistenz abdecken können, um ein bedarfsgerechtes und nachhaltiges Angebot sicherzustellen.“
Politik muss handeln – aber mit klaren Strukturen
Die kommenden Monate werden entscheidend dafür sein, ob Menschen mit Behinderungen in Vorarlberg weiterhin die Unterstützung erhalten, die sie für ein selbstbestimmtes Leben benötigen.
Doch eines ist klar: Diesmal muss eine Lösung gefunden werden, die langfristig trägt.
Klaudia Karoliny,
14.02.2025, 11:44
Ich finde es SEHR bedauerlich, dass der V. PA Vorarlberg diese Dienstleistung „abgibt“. Nicht auszudenken, wenn sie in Hände kommt, die mit der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung nichts zu tun haben bzw. die ihren Fokus vordergründig auf „Betreuung“ und Bevormundung legen, wie wir das leider aus vielen Beispielen in ganz Österreich kennen. Ich nenne es „gönnerhafte PA“.