Wie schon in einigen Bundesländern praktiziert, wurde mit 1. April 2006 auch in Wien ein zweijähriger Modellversuch der Persönlichen Assistenz mit 20 Personen gestartet.
Sehr positiv im Wiener Modellversuch ist, dass derzeit keine Obergrenzen an Assistenzstunden vorgesehen sind. Derzeit stehen zwischen 410 und 793 Stunden pro Monat zur Verfügung. Für diesen Modellversuch sind 2 Mio. Euro pro Jahr veranschlagt und 13,73 Euro pro Assistenzstunde kalkuliert.
Zwecks sanften Einstieges und Erprobung der Persönlichen Assistenz wird in Wien schon seit über 2 Jahren die so genannte „Erhöhte Monatspauschale“ gewährt. Mit dem Ziel, schwerstbehinderten WienerInnen das Heim zu ersparen, erhalten bereits über 70 behinderte Menschen mit hoher Pflegestufe diese „Erhöhte Monatsauschale“ in der Höhe von 1.400,– im Monat – natürlich zusätzlich zum Pflegegeld – um sich Persönliche Assistenz organisieren zu können. Erstaunlich ist, dass für diese Förderungsleistung keinerlei Zahlungsnachweise zu erbringen sind.
Grundsätzlich sind sowohl der Modellversuch wie auch die „Erhöhte Monatspauschale“ erfolgsversprechende Wiener Modelle zur Umsetzung von Persönlicher Assistenz, würden nicht Pensionisten, Personen mit Sachwalter und jene die bereits in Institutionen untergebracht sind von der Zielgruppe ausgeschlossen.
Schwerstbehinderte – davon auch viele junge – Menschen, die bereits in Heimen und Institutionen untergebracht oder besachwaltert sind, werden dadurch von der Möglichkeit, ihr Leben künftig selbstbestimmt und in größtmöglicher Unabhängigkeit gestalten zu können, ausgegrenzt.
Insgesamt scheint es noch ein langer Weg zu sein bis in Österreich Persönliche Assistenz ganzheitlich, flächendeckend, bedarfsgerecht und uneingeschränkt für alle Zielgruppen finanziert wird.
Klaus Widl,
03.07.2006, 14:03
Liebe Annemarie, danke für die Berichtigung meines Beitrages – Pensionisten ab 60 sind von der Zielgruppe ausgeschlossen. Worüber ich jedoch vielmehr verwundert war, dass bisher kaum jemand von der Leistung der sog. „Erhöhten Monatspauschale“ informiert wurde.
Als wir vom Verein CBMF Anfang des Jahres für unsere Mitglieder eine Info-Veranstaltung zu diesem Thema abgehalten haben, bemerkten wir einen erheblichen Anstieg von Leistungsbeziehern der „Erhöhten Monatspauschale“. Bedarf scheint also ausreichend vorhanden sein.
Da drängt sich mir die Frage auf: Gab es diesbezüglich bisher keine Nachfragen und Beratungen in den diversen – von der öffentlichen Hand geförderten – Beratungsstellen? Schließlich würde es in Wien schätzungsweise mindestens 350 Personen Anspruchsberechtigte geben!!!
Ach ja, damit ich nicht noch einmal was vergessse: es gibt in Wien auch die Möglichkeit auf Individualförderungen – habe ich mir zumindest sagen lassen!
Günter Schleser,
03.07.2006, 10:31
Liebe Annemarie! Schon öfter konnte ich lesen, dass PA bis zum 60.LJ gewährt wird oder werden soll. Das tut weh, denn sechzig ist man schneller als man so denkt. Ist das nicht auch eine Art von Diskriminierung? Kann man sich nich vorstellen, was es heißt, wenn man plötzlich sechzig ist und es dann hieße „ab ins Heim“?
Alexandra,
02.07.2006, 23:11
Ich denke da wieder wirtschaftlich. Es werden Arbeitsplätze geschaffen. Somit ist dieses Modell von mehreren Seiten zu unterstützen. Und mit anderen Ländern zu vergleichen, halte ich jedoch für keine all zu gute Idee, weil Österreich einfach in vielen Belangen noch nicht so weit ist. Wir sollten lieber unsere eigenen Maßstäbe hernehmen, anstatt anderen Ländern nachzueifern.
Annemarie Srb,
02.07.2006, 19:49
Vorerst möchte ich eine Berichtigung zum Beitrag von Klaus Widl anbringen: Pensionisten haben auch Zutritt zum Modellprojekt, sofern sie das 60. Lebensjahr noch nicht überschritten haben.
Ich bin Modellprojektteilnehmerin und darüber sehr froh. Ich möchte mich der Meinung von Dorothea anschliessen, dass es defacto keine Wahlmöglichkeit für Assistenznehmer gibt, sich die Leistungen bei Assistenzservicestellen einzukaufen da der Stundensatz dafür zu gering ist.
Seit mehr als 20 Jahren lebe ich nun mit PA und organisiere mir diese mehrheitlich im Arbeitgebermodell. Immer funktionieren zu müssen, alles im Griff zu haben ift oft unendlich schwierig, überhaupt dann, wenn es mir körperlich schlecht geht und mein Assistenzbedarf immer mehr steigt.
Aus meiner Beratungstätigkeit bei BIZEPS weiss ich auch, dass es immer Menschen geben wird, die Kompetenzen abgeben müssen um mit PA leben zu können.
Aus Schweden ist bekannt, dass sich nach Einführung des Assistenzmodells viele Anbieter etabliert haben und das wird doch wohl seinen Grund haben. Darum ist es auch für Wien wichtig, dass es Servicestellen wie die WAG gibt.
dorothea brozek,
01.07.2006, 00:47
lieber martin, ich denke hier vermischte du zwei wesentliche punkte miteinander, die beide gleich wichtig sind:
du hast recht „Wien ist das einzige Bundesland wo im Rahmen eines Modellprojektes die Stunden nach dem TATSÄCHLICHEM Bedarf zuerkannt werden“ und das ist wirklich ein ganz WICHTIGE voraussetzung.
das andere WICHTIGE element sind die kosten, die finanziert werden. hier werden jeden projektteilnehmerIn 13,73 pro stunde finanziert, unabhängig von den tatsächlichen bedürfnissen und notwendigkeiten der projektteilnehmerInnen hinsichtlich der organisationsform.
die meisten bundesländer „deckeln“ über die stundenanzahl und wien über den „stundensatz“ – das ergebnis ist dasselbe: ungenügende finanzierung. wobei wien eindeutig am couragiertesten finanziert.
zu den beschäftigungsverhältnissen der anbieter: als die WAG 2002 begonnen hat, finanzierte das Land Wien 8 Stunden pro Woche pro Kunden (ca 700,–/monat). natürlich ging das zu beginn hauptsächlich über freie dienstverhältnisse, jede/r KundIn hatte für dieses Ausmass seine eigenen AssistentInnen. diese damalige finanzierungsmöglichkeit von 700,–/Monat mit der heutigen des modellversuches hinsichtlich der beschäftigungsverhältnisse und ihrer möglichkeiten in verhältnis zu stellen, ist nicht korrekt.
Ich bin auch Teilnehmerin des Modellversuches, kann mir jedoch nicht vorstellen, was du meinst mit: „…, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Modellprojekt viel strenger und genauer kontrolliert werden, als je ein Anbieter von Persönlicher Assistenz in Österreich in der Vergangenheit kontrolliert wurde.“
ich kann nichts über kontrollen von anderen anbietern von PA in Österreich sagen, jedoch über kontrollen der WAG. die Revision des österr. genossenschaftsverbandes, um nur eine der kontrollen zu nennen, umfasst die wirtschaftliche situation, kalkulationen sowie alle betrieblichen vorgänge wie versicherungen, dienstverhälnisse, anschaffungen, organisatorische abläufe, usw.
die ersten zwei verrechnungsmonate des modellversuches sind auch deswegen gut verlaufen, weil zb. ihr bei bizeps hervorragende beratungsarbeit geleistet habt.
und bei allem verständnis für projektteilnehmer, die sich gut selbst im arbeitgebermodell organisieren KÖNNEN und WOLLEN und daher zunächst mit dem modellprojekt eine verbesserung ihrer eigenen Lebenssituation erleben, dürfen wir InteressensvertrerInnen nicht müde werden, das Ziel aus den Augen verlieren:
PA für alle behinderten Menschen, die selbstbestimmt leben wollen und nicht nur für die „taffe elite“, PA für alle behinderte Menschen, die nicht so laut schreien können, PA für alle behinderten Menschen, die dabei Unterstützung und Begleitung wollen UND arbeitsverhältnisse für unser Persönlichen AssistentInnen, die auch längerfristig attraktiv sind. arbeitsverhälnisse, die uns verlässliche und gute PA sichern, weil sie unsere lebensqualität bedeuten.
Martin Ladstätter,
30.06.2006, 11:00
Bei allem Verständnis für die Kritik am niedrigen Stundensatz sei doch festgehalten: Wien ist das einzige Bundesland wo im Rahmen eines Modellprojektes die Stunden nach dem TATSÄCHLICHEM Bedarf zuerkannt werden. Und genau das ist der wichtige Punkt.
Es hilft nur bedingt, wenn man beispielsweise nur 170 Stunden im Monat zuerkannt bekäme, wenn man aber 500 benötigt. Ob der Stundensatz bei diesen 170 Stunden höher ist, ist völlig unbedeutend, wenn die restlichen 330 Stunden nicht finanziert werden.
Und was – nach einem bisher gelungenen Start – auch interessant ist: Durch die Verpflichtung zur ordentlichen Beschäftiungsverhältnissen wurden im Verhältnis mehr ordentliche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, als dies damals bei den Anbietern von Persönlicher Assistenz der Fall war, wo am Anfang fast ausschließlich geringfügige und freie Dienstnehmer tätig waren.
Als interessantes Detail am Rande sei erwähnt, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Modellprojekt viel strenger und genauer kontrolliert werden, als je ein Anbieter von Persönlicher Assistenz in Österreich in der Vergangenheit kontrolliert wurde.
Auch besteht die Verpflichtung diese Verrechnugnsnachweise viel schneller zu erbringen, als man dies beispielsweise Organisationen vorschreibt. Das die ersten 2 Verrechnungsmonate – laut FSW – gut verlaufen sind, sollte als sehr positiv gesehen werden.
Diese Entwicklung des erst seit April laufenden Projektes gibt Grund zur Hoffnung, wenn auch noch sehr viel (Überzeugungs)Arbeit zu leisten ist.
dorothea brozek,
29.06.2006, 23:05
ja, günther, hier stichst du voll in die wunde … das fragen wir, die für gute arbeitsbedingungen von PAs stehen, weil solche eine gute lebensqualität für uns bedeuten, uns auch … diese 13,73 sind ein skandal: präkere abreitsverhältnisse und ein elitenmodell von PA könnten die folge sein – aber ich denke, dass das nicht im sinne des landes wien sein kann …
Günther Breitfuß,
29.06.2006, 13:05
Mich würde interessieren, wie man mit € 13,73 pro Stunde BAGs-konforme Beschäftigungsverhältnisse schafft. Wohl nur, wenn die AssistenznehmerInnen gänzlich ohne externe Dienstleistungen auskommen, also die Lohnverrechnung selber machen können, Urlaubs- und Krankenstandverwaltung, Abrechnung mit der GKK usw. Bin gespannt, wie sich das entwickelt.