Personalnot im Strafvollzug beschäftigt Volksanwaltschaftsausschuss

Volksanwaltschaft fordert neben Verstärkung der Justizwache auch Fachpersonal für Gefängniswerkstätten

Günther Kräuter Gertrude Brinek Peter Fichtenbauer
Volksanwaltschaft

Der Strafvollzug in Österreich braucht mehr Geld: diese Auffassung vertritt nicht nur die Volksanwaltschaft, auch im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats besteht darüber Einvernehmen, konstatierte heute Gertrude Brinek. In ihrer Zuständigkeit für den Justizbereich rät die Volksanwältin neben einer budgetären und personellen Stärkung der Justizanstalten allerdings auch zu einer Neuorganisation der Personalpläne, um eine menschenrechtskonforme Betreuung der Häftlinge sicherzustellen.

Aus Geldnöten resultierende Missstände in Pflegeeinrichtungen können aus Sicht von Volksanwalt Günther Kräuter nur gemeinsam mit den Bundesländern in der Praxis behoben werden. Keinesfalls dürften private Sicherheitsfirmen etwa in Psychiatrien als Personalersatz zum Einsatz kommen. Auch in Schubhaftzentren dürfe Geldmangel nicht zu menschenrechtlich bedenklichen Vorgängen führen, etwa dass private Sicherheitskräfte hoheitliche Aufgaben übernehmen, verdeutlichte Volksanwalt Peter Fichtenbauer.

Eingehend widmete der Volksanwaltschaftsausschuss seine heutige Sitzung der Menschenrechtskontrolle durch die Volksanwaltschaftsausschuss-Kommissionen, die zentraler Bestandteil des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) sind. Grundlage dafür bildete der einstimmig zur Kenntnis genommene Volksanwaltschaftsbericht 2014, der auch im Nationalratsplenum zur Debatte stehen wird.Die Berichtsteile zu Aktivitäten der nachprüfenden Verwaltungskontrolle waren gestern im Detail diskutiert worden (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 624).

Seit 2012 führen Kommissionen der Volksanwaltschaft (VA) regelmäßig Kontrollbesuche in öffentlichen und privaten Einrichtungen durch, in denen Menschen mit oder ohne Behinderung die Freiheit entzogen wird und wo sie Gefahr laufen, unmenschlich behandelt zu werden. Konkret sind das Justizanstalten, Alten-, Jugend- und Pflegeheime, Dienststellen der Polizei, Kasernen des Bundesheeres und Programme bzw. Einrichtungen für Menschen mit Behinderung.

Außerdem überprüfen die VA-Kommissionen, ob die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch die Exekutive, etwa bei Abschiebungen und Demonstrationen, menschenrechtskonform erfolgt. Insgesamt war die Volksanwaltschaft als Monitoringstelle für Menschenrechte im Vorjahr 428 Mal im Einsatz. Erfüllt werden damit das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) sowie Teile der UN-Behindertenrechtskonvention bzw. die Bundesverfassung.

Reform des Strafvollzugs stockt wegen Geldmangels

Die Arbeit der Justizbeamtinnen und -beamten werde allgemein viel zu wenig wertgeschätzt, stellte Volksanwältin Brinek fest. Ziel des Strafvollzugs müsse immer die „Rückführbarkeit“ der Häftlinge als verlässliche StaatsbürgerInnen in die Gesellschaft sein, weswegen die sozialarbeiterische Dimension der Betreuung in den Justizanstalten und gerade auch beim Jugendstrafvollzug große Bedeutung habe. Bei jugendlichen InsassInnen würden diesbezügliche Änderungsvorschläge der Volksanwaltschaft vom Justizministerium immerhin bereits aufgegriffen, lobte Brinek.

Dennoch gebe es in den Gefängnissen, aber auch im Maßnahmenvollzug, noch viel zu tun. So wende sich die Personalvertretung in den Justizanstalten derzeit gegen zusätzliche Aufnahmen von Fachpersonal in Werkstätten für Häftlinge, so die Volksanwältin, obwohl dies für die Ausweitung der Beschäftigungsangebote nötig sei. Wenn nicht anders möglich, sollten HandwerkerInnen eben über Sonderverträge in Gefängnissen beschäftigt werden. Verbesserungsvorschläge der Volksanwaltschaft im Bereich des Maßnahmenvollzugs harren Volksanwältin Brinek zufolge derzeit der Umsetzung. Entscheidend sei hier die Zusammenarbeit des Justizressorts mit den Ministerien für Gesundheit und Soziales, denn im Maßnahmenvollzug untergebrachte kranke Personen gehörten eigentlich in Krankenhäuser.

Überdies verweigerten JustizwachebeamtInnen ungeachtet eines entsprechenden Ministerialerlasses großteils Möglichkeiten zur Supervision, die dem psychologischen Coaching in Haftanstalten und auch der Suizidprävention dienen, vermerkte sie in Richtung Franz Kirchgatterer (S). Letztlich führe aber kein Weg an einer Personalaufstockung vorbei, räumte Brinek ein, gerade auch im ärztlichen Bereich, denn Zustände wie in der Anstalt in Stein, wo ein einziger Arzt für 800 Häftlinge zuständig war, seien unhaltbar. Den Unwillen von Gefängnispersonal, sich psychologisch begleiten zu lassen, wollte indes der Freiheitliche Christian Lausch nicht unkommentiert stehen lassen. Da Supervisionsmaßnahmen nur außerhalb der Dienstzeit stattfänden, könnten die Bediensteten diese kaum in Anspruch nehmen. Zu Widerständen der Gewerkschaft gegen Aufnahmen außerhalb der Justizwache meinte Lausch, diese rührten daher, dass Fachpersonen nie ohne JustizwachebeamtInnen mit Häftlingen arbeiten dürften, es aber zu wenig Kräfte in der Justizwache gebe.

Bei 30 Besuchen von NPM-Kommissionen in Einrichtungen des Straf- und Maßnahmenvollzugs zeigten sich laut Volksanwaltschaftsbericht im letzten Jahr neuerlich Problemfelder, die auf Personalmangel zurückgeführt werden. Beispielsweise lange Einschlusszeiten, die mit unstrukturierten Tagesabläufen bzw. dem Überbelag von Hafträumen einhergingen. Verschärfend wirken sich aus Sicht des NMP die zu geringen Beschäftigungsmöglichkeiten der Häftlinge aus, zumal laut Volksanwaltschaft die Personalvertretung gegen die Aufnahme zusätzlicher Fachkräfte wie LehrlingsausbildnerInnen auftritt und nur Neuaufnahmen von JustizwachebeamtInnen gutheißt.

Inakzeptabel nennen die VolksanwältInnen die bestehenden Haftbedingungen mit Verweis auf das Strafvollzugsgesetz und raten dem Justizministerium, gegebenenfalls erneut von seiner Entscheidungsbefugnis, die Einstellung von HandwerkerInnen in Gefängnissen zu ermöglichen, Gebrauch zu machen. In den Justizanstalten Gerasdorf, Graz-Karlau, Stein und Wien-Simmering sei im Oktober 2014 per Ministerentscheid handwerkliches Personal für ein Jahr befristet zur Hebung der Beschäftigungsquote aufgenommen worden, heißt es im Bericht.

Personelle Engpässe mindern Qualität der Pflege

Als „grobe Menschenrechtsverletzung“ bezeichnete Volksanwalt Kräuter auf Nachfrage von Michael Ehmann (S) und Martina Schenk (T) die mehrfach vom VA-Kommissionen aufgezeigte Praxis im Pflegebereich, HeimbewohnerInnen medikamentös ruhigzustellen. Dabei hob er hervor, das Problem liege nicht beim Pflegepersonal selbst, das grundsätzlich großartige Arbeit leiste, sondern einmal mehr an personellen Engpässen, etwa dass zwei Pflegende hundert Personen betreuen müssen.

Österreich benötige daher einen einheitlichen Personalschlüssel, um die unterschiedlichen Standards in den Bundesländern auf ein gleichwertig hohes Niveau zu bringen, sagte er in Richtung des ÖVP-Abgeordneten Nobert Sieber. Die länderspezifischen Regelungen für den Betrieb von Alten- und Pflegeheimen hinsichtlich Pflegestandards, Ausstattung, Personalschlüssel oder Rechte der BewohnerInnen sieht die Volksanwaltschaft als entscheidendes Hemmnis für bundesweite Qualitätsstandards. Die bestehenden Qualitätszertifikate für Alten-und Pflegeheime, die Gertrude Aubauer (V) ins Treffen führte, seien nicht ausreichend.

Bei ihren Besuchen von insgesamt 89 Heimen stießen die NPM-Kommissionen im Vorjahr zwar meist auf Verbesserungswillen in den Einrichtungen, schildert der VA-Tätigkeitsbericht. Aufgrund von Personalmängeln, speziell bei FachärztInnen der Geriatrie, Psychiatrie oder Neurologie sowie TherapeutInnen, wurden aber große Probleme bei der fachgerechten und menschenwürdigen Betreuung pflegebedürftiger Personen festgestellt.

Problematisch wertet Kräuter zudem Beobachtungen, wonach alte Menschen in stationären Einrichtungen von ihrem Hausarzt Medikamente verschrieben bekommen hätten, ohne dass die Heime darüber informiert wurden. Das Gesundheitsministerium habe daher eine gesetzliche Änderung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht in Aussicht gestellt, sodass zusätzliche Medikation von HeimbewohnerInnen mitgeteilt werden müsse, informierte er den Ausschuss.
Bereits gedeckt von einem Erlass des Gesundheitsressorts sei die Ablehnung des Einsatzes privater Sicherheitsdienste bei der Patientenbetreuung, wie sie die Volksanwaltschaft publik gemacht hat. Die 24-Stunden-Pflege, gerade weil sie nicht von OPCAT-Prüfungen umfasst ist, benötige jedenfalls gesetzliche Vorschriften zur Qualitätssicherung, fügte Kräuter an. SPÖ-Mandatarin Elisabeth Grossmann hatte zuvor Überlegungen über die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser neue Pflegeform angestellt, besonders da sie auch für die höchsten Pflegestufen möglich ist.

Volksanwaltschaftsbericht zu Vordernberg soll bald vorliegen

Der Schutz von Menschenrechten dürfe nicht am Geld scheitern – diesen Grundsatz untermauerten die Abgeordneten Wolfgang Zinggl (G) und Nikolaus Scherak (N) in ihren Wortmeldungen auch in Bezug auf die Flüchtlingsunterbringung und auf Anhaltezentren für Schubhäftlinge, konkret jenes in Vordernberg. Eingemahnt wurden von Scherak speziell klare rechtliche Konsequenzen, sollte das private Sicherheitspersonal in Vorderberg hoheitliche Aufgaben übernehmen.

Die kürzlich erfolgten Kommissionserhebungen der Volksanwaltschaft über die Vorgänge im steirischen Modellschubhaftzentrum würden noch vor Monatsende in einem Bericht veröffentlicht, versicherte daraufhin Gertrude Brinek, wobei ihr Kollege Peter Fichtenbauer bereits andeutete, dass Kompetenzüberschreitungen von privaten Security-Mitarbeitern in den Augen der Volksanwaltschaft als Amtshaftungsfall beziehungsweise als Verwaltungsdelikt zu werten seien. Günther Kräuter erinnerte in dem Zusammenhang, da die Volksanwaltschaft über keine Exekutivmöglichkeit verfüge, könne sie nur durch die Veröffentlichung von Missständen zu deren Behebung beitragen.

Mit Budgetnöten konfrontiert seien Polizeianhaltenzentren generell, klagte Volksanwalt Fichtenbauer, dabei müssten gerade hier unter schwersten Bedingungen menschenrechtliche Standards aufrechterhalten werden. Gleiches gelte für Abschiebungen von Drittstaatenangehörigen aus Österreich, betonte er. Diese unerfreulichen Vorgänge müssten so verträglich wie möglich gestaltet sein, speziell wenn Kinder mitbetroffen sind. Bei den 22 beobachteten Abschiebungen hätten VA-Kommissionen des Nationalen Präventionsmechanismus einige Male beanstandet, dass bei Familienrückführungen nicht ausreichend Dolmetsch- bzw. Betreuungspersonal zugegen war bzw. die Trennung von Familien in Kauf genommen wurde.

65 Besuche statteten die Kommissionen im Vorjahr dem Volksanwaltschaftsbericht zufolge Polizeieinrichtungen wie Polizeianhaltezentren (PAZ) und Polizeiinspektionen ab und erhoben dabei mehrmals Schwachstellen der Anhaltebedingungen wie z.B. mangelnde Hygienestandards. Verbesserungsvorschläge der Volksanwaltschaft konnten zwar wegen finanzieller und personeller Ressourcenknappheit teilweise nicht umgesetzt werden, eine Arbeitsgruppe des Innenministeriums überarbeite aber gemeinsam mit VertreterInnen der Volksanwaltschaft speziell die Praktiken der Schubhaft, um einheitliche Standards zu entwickeln – beispielsweise für Einzelzellen und den offenen Schubhaftvollzug, skizzierte Fichtenbauer.

Minderjährige Flüchtlinge: Volksanwaltschaft sieht ganz Österreich in der Verantwortung

Im Fall der Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, zu denen sich Katharina Kucharowits (S) besorgt äußerte, rief Kräuter einmal mehr sowohl den Bund als auch die Länder auf, ehestmöglich eine menschenwürdige Obsorge sicherzustellen. Hier drehe es sich um eine „Gesamtverantwortung“ des Bundesstaats.

Weiters thematisierte der Ausschuss die schon gestern behandelte Schlechterstellung von Menschen mit Behinderung bei Aufnahme in den Bundesdienst, diesmal aufgeworfen von Petra Bayr (S), was Kräuter erneut zum Appell veranlasste, der Gesetzgeber möge die Hürden bei Anstellungen von Personen ohne vollständige Handlungsfähigkeit beseitigen. Ebenfalls in die nächste Runde ging die heftige Auseinandersetzung zwischen Grünen, NEOS und den VolksanwältInnen über das Prozedere der Neubestellungen in den Kommissionen der Volksanwaltschaft.

Geschlossen verteidigten Brinek, Kräuter und Fichtenbauer auch heute die Neubesetzungen; mit „äußerster Sorgfalt bei der Auswahl“ sei das Auswahlverfahren gemäß aller gesetzlichen Bestimmungen erfolgt, sagte etwa Fichtenbauer, immer mit dem Fokus auf die fachliche Eignung und Expertise der BewerberInnen für die Aufgaben im Nationalen Präventionsmechanismus. Von Norbert Sieber (V) auf die Haltung der Volksanwaltschaft zu den aktuellen Einsparungen bei der Militärmusik angesprochen, brach Fichtenbauer eine Lanze für den Erhalt dieses „Teils der österreichischen Kulturgeschichte“, zumal die Militärkapellen einen maßgeblichen Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit des Bundesheers leisteten und fest in der Bevölkerung verankert seien.

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