Teil 2/3
Universitätsprofessor Christian Kopetzki, Mitglied der Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes, informierte die Abgeordneten darüber, warum die Kommission eine Ratifikation der Konvention empfohlen habe. Er wies u.a. darauf hin, dass die Konvention der erste Versuch auf internationaler Ebene sei, Mindeststandards für die biomedizinische Forschung festzulegen.
Jeder Staat, der die Teilnahme an der Konvention verweigere, leiste einen Beitrag zur Verhinderung solcher Mindeststandards. Weiters gebe es für spezielle Bereiche noch Zusatzprotokolle zur Konvention, an deren Ausarbeitung jedoch nur jene Staaten teilnehmen könnten, die die Rahmenkonvention unterzeichnet haben.
Kopetzki gab darüber hinaus zu bedenken, dass es, hebe man die Konvention in Verfassungsrang, wofür er plädiere, zu einem Zuwachs von ganz neuen Grundrechten kommen würde. Dem gegenüber sei Österreich nicht verpflichtet, sein Schutzniveau dort herunter zu setzen, wo es strengere Regelungen habe. Das treffe insbesondere auch auf den Schutz einwilligungsunfähiger Personen zu.
Um zu verdeutlichen, warum die Biomedizin-Konvention trotz ihrer Mängel ratifiziert werden solle, erinnerte Kopetzki daran, dass auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention die Todesstrafe ursprünglich nicht verboten gewesen sei, um gewissen Staaten nicht einen Beitritt zu verunmöglichen. Später habe man das Verbot dann in ein Zusatzprotokoll aufgenommen. Die Vorstellung eine inhaltliche Verbesserung der Biomedizin-Konvention selbst zu erreichen, hält der Experte für „naiv“.
Der evangelische Theologe Ulrich Körtner, ebenfalls Mitglied der Bio-Ethik-Kommission, schloss sich den Ausführungen Kopetzkis an und machte insbesondere geltend, dass eine Ratifikation der Konvention in manchen Bereichen zu einer Verbesserung des österreichischen Schutzniveaus führen würde. So würde der Embryonenschutz in Verfassungsrang gehoben, was angesichts der rasanten Entwicklung in der Embryonal- und Stammzellenforschung von großer Bedeutung wäre. Körtner erwartete sich von der Konvention außerdem mehr Transparenz und Rechtssicherheit für die Forschung.
Skeptisch gegenüber der Biomedizin-Konvention äußerte sich hingegen Birgit Primig, Vorsitzende der von der Dachorganisation der Behindertenverbände gegründeten Ethikkommission. Sie betonte, die österreichischen Behinderten fänden es zwar prinzipiell gut, dass versucht werde, europaweite Mindeststandards für die biomedizinische Forschung einzuführen, die Biomedizin-Konvention scheint ihrer Meinung nach aber nicht dafür geeignet, da sie in manchen Bereichen Menschenrechte verletze und einwilligungsunfähige Menschen diskriminiere. Die Behinderten seien nicht so naiv zu glauben, dass an der Konvention noch etwas geändert werden könne, sagte Primig, dennoch sei eine nochmalige Diskussion auf europäischer Ebene erforderlich. Eine rasche Ratifizierung durch Österreich solle jedenfalls nicht erfolgen.
Michael Stormann, der als Vertreter des Justizministeriums österreichischer Verhandlungsleiter im für die Biomedizin- Konvention zuständigen Komitee im Europarat war, verteidigte die Konzeption der Konvention und meinte, ihr schlechter Ruf resultiere teilweise daraus, dass viele die ursprüngliche Fassung mit der letztendlich beschlossenen und stark verbesserten endgültigen Fassung verwechselten. Es sei stets daran gedacht gewesen, eine Rahmenkonvention mit Mindeststandards zu erarbeiten und dazu dann Zusatzprotokolle für „High-Standard-Staaten“ zu schaffen. Mittlerweile würden Zusatzprotokolle betreffend ein umfassendes Klonverbot und zum Thema Transplantationen vorliegen, die aber nur von jenen Staaten ratifiziert werden könnten, die die Rahmenkonvention ratifiziert haben.
Stormann bekräftigte, es sei nicht so, dass die Konvention bestimmte Forschungsbereiche erlaube, z.B. die Entnahme von Organen, vielmehr enthalte sie nur die Erlaubnis für den Staat, Forschung in diesem Bereich zuzulassen. Eine Entscheidung darüber obliege jedem einzelnen Staat. Als „Illusion“ wertete es Stormann, zu glauben, dass noch Verbesserungen der Konvention erreicht werden könnten. Für eine Änderung brauche man nämlich eine Zweidrittelmehrheit, von den Mitgliedsstaaten des Europarates vertrete aber nur Deutschland eine ähnliche Haltung wie Österreich.
Heinz Trompisch (Lebenshilfe) hielt fest, gemeinsame europäische Mindeststandards seien grundsätzlich etwas, was zu begrüßen sei. In der Biomedizin-Konvention des Europarates sieht er aber teilweise gefährliches Gedankengut. Auch die Zusatzprotokolle hätten keine Verbesserungen für einwilligungsunfähige Personen gebracht. Trompisch betonte, niemand hindere Österreich daran, die geltenden Schutzbestimmungen für diese Personengruppe verfassungsrechtlich abzusichern, nur unter dieser Vorraussetzung kann er sich eine Ratifikation der Konvention vorstellen.
Günther Virth, Universitätsprofessor für katholische Theologie, wies darauf hin, dass es sich bei der Biomedizin-Konventionen um eine Menschenrechtskonvention für Biomedizin handle. Die Sorgen vor einem „ethischen Sog nach unten“ hält er zwar für berechtigt, diesen könnte es seiner Auffassung aber sowohl mit der Unterzeichnung der Konvention als auch ohne sie geben, wobei bei einer Unterzeichnung wenigstens gewisse Grenzen gesetzt würden.
Zudem würden durch eine Unterzeichnung gewisse Schlupflöcher in Österreich zugemacht, sagte er. Virth stellt sich folgendes Procedere vor: 1. Unterzeichnung, 2. Verbesserung der österreichischen Gesetze, 3. Ratifizierung. Generell hielt er fest, nicht nur eine Zustimmung zur Konvention, auch deren Ablehnung, müsste ethisch begründet werden.
Psychotherapeutin Rotraud Perner beleuchtete das Thema unter psychotherapeutischem Blickwinkel und meinte, aus psychotherapeutischer Sicht gebe es keine zustimmungsunfähigen Personen, sondern nur Personen, bei denen der Widerstand nicht bemerkt werde. Allgemein warnte sie davor, vorschnell unter dem Druck wirtschaftlicher Interessen und der Gruppendynamik Entscheidungen zu treffen. Es gebe auch andere Methoden als an lebenden Menschen zu forschen. Zudem müssten die Folgen, z.B. der psychische Zustand von Personen, die aufgrund von Organspenden anderer weiterlebten, berücksichtigt werden.
Universitätsprofessor Jochen Taupitz berichtete über die Diskussion in Deutschland zum gegenständlichen Thema und hielt fest, dort werde mittlerweile darüber diskutiert, ob die Konvention nicht Forschung zu sehr einschränke und daher verfassungswidrig sei. Nicht das Zuwenig sei das Thema, sondern etwaige zu strikte Regelungen. Die Gefahr eines Missbrauchs einwilligungsunfähiger Personen sieht Taupitz nicht, da bei konkreten Forschungsprojekten ohnehin Ethik-Kommissionen einzuschalten sind und auch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich sei. Außerdem müsse die Frage des Menschenrechts auch aus dem Blickwinkel derjenigen gesehen werden, die von Forschung profitieren, das gelte auch für einwilligungsunfähige Personengruppen.
Seitens der Abgeordneten unterstrich FPÖ-Behindertensprecherin Helene Partik-Pable die Notwendigkeit, das Thema einwilligungsunfähige Personen in Europa stärker zu diskutieren. Sie akzeptiere den Forschungsbedarf, sagte sie, bezweifle aber, dass die Konvention dazu beitragen werde, dass beispielsweise Pharma-Firmen ihre Medikamente für Kinder genauer
prüfen. Eine gewisse Gefahr sieht Partik-Pable in der Unzahl von unbestimmten Begriffen in der Konvention.
Abgeordnete Theresia Haidlmayr (GRÜNE) erklärte, wenn die Konvention des Europartes ratifiziert und in Verfassungsrang gehoben werde, müssten auch die österreichischen Schutzbestimmungen für einwilligungsunfähige Personen per Verfassungsgesetz abgesichert werden. Die Grünen seien nicht generell gegen Forschung an einwilligungsunfähigen Personen, erklärte sie, fremdnützige Forschung an dieser Personengruppe wolle man aber dezidiert nicht.
Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP) gab zu bedenken, dass es in Bezug auf die Biomedizin-Konvention zahlreiche Ängste gebe, die entkräftet werden müssten. Für sie ist es ganz klar, dass es für nicht zustimmungsfähige Personen keine Verschlechterung geben dürfe. Eine Gefahr sieht sie darin, dass Österreich die Türe für verschiedene Forschungen öffnet, die man überhaupt nicht wolle, wenn die Konvention nicht ratifiziert wird.
Abgeordnete Barbara Prammer (SPÖ) forderte eine hohe Transparenz und Informiertheit im Zusammenhang mit biomedizinischer Forschung ein und interessierte sich darüber hinaus für die weitere Vorgangsweise derRegierung in der Frage der Ratifikation.
Abgeordneter Alois Pumberger (FPÖ) ortete angesichts der sehr komplexen Thematik, den vielen unbestimmten Begriffen und dem großen Entwicklungstempo in der Biomedizin großen Diskussionsbedarf und sprach sich dagegen aus, gute österreichische Standards abzusenken.
Abgeordnete Maria Fekter (ÖVP) fragte die SPÖ, ob sie zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung der besseren österreichischen Standards bereit sei. Von den Experten wollte sie wissen, wo sie legistischen Handlungsbedarf für Österreich sehen.
Für Abgeordnete Christine Lapp (SPÖ) ging es eigentlich nicht darum, der Biokonvention zuzustimmen oder sie abzulehnen, sondern ein konkretes Handlungspaket zu schnüren.
Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ) wies den „Versuch der Abgeordneten Fekter zurück, der Opposition das Gesetz des Handelns zuzuschieben“.