Teil 3/3
Michael Stormann machte darauf aufmerksam, dass es sich bei der Biomedizin-Konvention um einen völkerrechtlichen Vertrag handle, der teils generelle Bestimmungen, teils sehr differenzierte Bestimmungen enthalte. Während sich die generellen Bestimmungen nicht zur unmittelbaren Anwendung eigneten, seien die differenzierten Bestimmungen zu detailliert, um in die Verfassung aufgenommen zu werden. Der Vertrag richte sich nicht an Praktiker, sondern an die Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten. Sein Vorschlag lautete, von Seiten der Regierung unter Einbeziehung der betroffenen Gruppen Gesetzentwürfe zur Anpassung auszuarbeiten, gleichzeitig die Konvention zu unterzeichnen und dem Nationalrat die Gelegenheit zu geben, in einem Gesamtpaket die Aus- und Durchführungsgesetze und die Ratifizierung der Konvention und der Zusatzprotokolle zu beschließen. An Verfassungsbestimmungen führt für Stormann kein Weg vorbei, da die Alternative eine Ratifikation mit Vorbehalten wäre. Dies sei zu vermeiden, da es unmöglich sei, mit dem Ziel eines höheren Schutzniveaus zu verhandeln und gleichzeitig Vorbehalte gegen das niedrigere Niveau anzumelden.
Günther Virth definierte die vier Gruppen der Nützlichkeit mit individuellem, künftigem, Gruppennutzen und Fremdnützlichkeit. Hinsichtlich der „minimalen Risken und minimalen Belastungen“ schlug der Experte vor, einen Verweis auf den diesbezüglichen verbindlichen Interpretationsschlüssel vorzusehen. Legislativen Handlungsbedarf sah Günther Virth bei prädiktiven Gentests, die Auskunft über das Ausbrechen einer Krankheit bei einer bestimmten Person in der Zukunft geben können.
Christian Kopetzki sah die Konvention als ein Grundrechtsdokument, das hinsichtlich des Legalitätsprinzips und des Bestimmtheitsgebots nicht mit einem Gesetzestext vergleichbar sei, aber wesentlich präziser formuliert sei als etwa die Menschenrechtskonvention oder die Sozialcharta. Legistischen Nachbesserungsbedarf sah Kopetzki in zahlreichen Rechtsbereichen, namentlich auch in der Gentechnik. Er wies auf die Gefahr hin, dass Österreich durch die Nicht-Ratifizierung der Konvention zu einem Schlupfloch für Firmen werden könnte, die von hier aus in Drittländern konventionswidrige Forschung betreiben wollen. Gegen eine verfassungsrechtliche Absicherung der österreichischen Standards zeigte sich der Jurist skeptisch. Es sei unklug, auf einem Gebiet Verfassungsbestimmungen zu beschließen, das von so raschen Änderungen gekennzeichnet sei.
Holger Baumgartner lobte die Gesprächs- und Kommunikationskultur, die in der Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen entstehe. Ob die Konvention nun ratifiziert werde oder nicht – die biologische Revolution gehe weiter und brauche geeignete Rahmenbedingungen. Baumgartner bejahte die Forschung, man müsse aber sicherstellen, dass sie rechtlich und ethisch vertretbar betrieben werde. Baumgartner unterstrich die Bedeutung der Grundlagenforschung, forderte ein umfassendes Regelwerk für die Biomedizin und warnte davor, das „US-Sozialdumping“ mit einem europäischen „Ethik-Dumping“ zu beantworten. Die Ethik-Kommission habe eine wichtige Rolle für die Forschungskultur und den Schutz der Patienten.
Jochen Taupitz erklärte die „unbestimmten Begriffe“ der Konvention mit dem Hinweis auf unterschiedliche nationale Terminologien und politische Kompromisse. Sie hätten auch gute sachliche Gründe, da etwa die Frage des gesetzlichen Vertreters in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich geregelt sei. Schließlich wies der Experte auf die Möglichkeit hin, die Konvention zu ratifizieren und gleichzeitig eine Interpretationserklärung abzugeben, in der klargestellt werden könne, wo nationales Recht weiter angewendet werden soll.
Ulrich Körtner berichtete zunächst von einer einmütigen Willensbildung in der Bio-Ethik-Kommission und führte dann aus, dass die Konvention für ihn keinen Endpunkt der Diskussion und keinen fix kodifizierten Text darstelle, sondern einen Rahmen für einen dynamischen Prozess vorgebe, den er als einen Menschenrechtsprozess verstehe, an dem Österreich teilnehmen sollte. Erhöhte Aufmerksamkeit wollte Körtner dem Embryonenschutz widmen, für den eine Ratifikation der Bio-Medizin-Konvention einen Impuls darstellen könnte. Mehr Grundrechtsschutz verlangte der Experte am Beginn des Lebens.
Hubert Hartl informierte über die Einbindung der Behinderten- und Selbsthilfegruppen im Ministerium für soziale Sicherheit und Generationen und wies auf eine vom Ressort durchgeführte Gegenüberstellung der gesetzlichen Grundlagen mit der Biomedizin-Konvention hin, der rund ein Jahr dauern werde.
Rotraud Perner registrierte eine Dominanz juristischer Paradigmen in der Diskussion. Sie warnte davor, mit Sprache zu manipulieren und die eigene Gewalttätigkeit zu legitimieren. Perner riet dazu, die Erfahrungen der Tiefenpsychologie für den Schutz der Betroffenen zu nutzen und sah im Bereich der Biomedizin eine besondere Verantwortung Österreichs aufgrund seiner besonderen historischen Erfahrungen.
Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen beschloss einstimmig, die Beratungen über die Petition Nr. 35 „Nein zur Biomedizin-Konvention des Europarates“ zu vertagen.