Pettionsausschuss: Expertenhearing zur Biomedizin-Konvention

Experten empfehlen mehrheitlich Beitritt Österreichs zur Konvention. Teil 1/3

Parlament in Wien
BKA/Andy Wenzel

Die Frage, ob Österreich die Biomedizin-Konvention des Europarates unterzeichnen soll, stand heute im Mittelpunkt eines Hearings im Petitionsausschuss des Nationalrates. Dabei wurden von den geladenen ExpertInnen zum Teil sehr divergierende Standpunkte vertreten, die Mehrheit plädierte jedoch trotz gewisser Vorbehalte gegen einzelne Artikel für eine Unterzeichnung der Konvention.

So wurde seitens der Vertreter der beim Bundeskanzleramt eingerichteten Bio-Ethik-Kommission argumentiert, dass die Konvention in einigen Bereichen zu einer Verbesserung des Schutzniveaus in Bezug auf biomedizinische Forschung in Österreich führen wird. Gleichzeitig bestehe keinerlei Verpflichtung, dort, wo Österreich ein höheres Schutzniveau habe, die Standards abzusenken.

Der Verhandlungsleiter Österreichs im zuständigen Komitee des Europarates, Michael Stormann (Justizministerium), meinte, es wäre ein „Illusion“ zu glauben, man könnte noch irgendwelche Verbesserungen der Konvention erreichen. Zudem warnten einige Befürworter der Konvention davor, dass Österreich bei einer Nichtunterzeichnung Sitz von Forschern jener Länder werden könnte, die keine Mindeststandards im Bereich der biomedizinischen Forschung haben.

Skeptisch zur Biomedizin-Konvention äußerte sich nicht nur Birgit Primig als Vertreterin der Behindertenverbände, sondern auch zwei vom Sozialministerium entsandte Vertreter. Max Rubisch (Sektion Behindertenangelegenheiten) unterstrich, für das Sozialministerium komme eine Ratifizierung nur in Frage, wenn zuvor die Schutzbestimmungen, die es in Österreich für einwilligungsunfähige Personen gebe, in Verfassungsrang erhoben würden. Auch Heinz Trompisch (Lebenshilfe) forderte ein gesetzliches Gesamtpaket, das eine verfassungsrechtliche Absicherung der österreichischen Schutzbestimmungen inkludiert.

Ähnlich äußerte sich auch Grün-Abgeordnete Theresia Haidlmayr, die betonte, dass ihre Fraktion nicht gegen biomedizinische Forschung per se sei, wogegen man auftrete, sei, fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen zuzulassen. Auch Abgeordnete Edeltraud Gatterer (ÖVP) bekräftigte, es dürfe zu keiner Verschlechterung der Bestimmungen für zustimmungsunfähige Personen kommen.

FPÖ-Behindertensprecherin Helene Partik-Pable forderte weitere Diskussionen auf europäischer Ebene ein, Abgeordnete Barbara Prammer (SPÖ) unterstrich die Notwendigkeit von „Transparenz und Informiertheit“ im Bereich der biomedizinischen Forschung.

Grundlage für das Hearing im Petitionsausschuss bildete eine Petition der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), die sich gegen die Biomedizin-Konvention des Europarates richtet. Diese Konvention regelt erstmals Mindeststandards zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin. Nach Ansicht der UnterzeichnerInnen sind darin allerdings Bestimmungen enthalten, durch die „einwilligungsunfähige“ Personen diskriminiert werden.

So dürfe „in Ausnahmefällen“ an Kleinkindern, geistig und psychisch behinderten Menschen, an altersdementen Menschen und an Koma-Patienten Forschung betrieben werden, auch wenn diese Forschung diesen Personen keinen Nutzen bringt bzw. sogar Risken birgt.

Eingeleitet wurde das Expertenhearing im Ausschuss durch Stellungnahmen der geladenen Experten und Expertinnen. Robert Gmeiner, Leiter der Geschäftsstelle der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, informierte die Abgeordneten darüber, dass die Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes am Beginn dieses Jahres empfohlen habe, der Biomedizin-Konvention beizutreten. Allerdings würden Artikel 17 und 20 noch weitere Beratungen erfordern.

Universitätsprofessor Holger Baumgartner, Mitglied der Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes, warnte davor, dass der Fortschritt im biomedizinischen Bereich nicht zu einer Spaltung des Kontinents führen dürfe. Es sei zwar wichtig, dass die Länder ihre spezifischen Eigenheiten bewahren könnten, meinte er, sie dürften aber wirtschaftlich und wissenschaftlich nicht gegenüber den USA ins Hintertreffen geraten.

Was den umstrittenen Artikel 17 der Biomedizin-Konvention des Europarates betrifft, machte Baumgartner geltend, dass systematische Forschung auch dann angebracht sei, wenn kein individueller Nutzen bestehe. Einwilligungsunfähige Personen, zu denen z. B auch Notfallspatienten zählen, dürften nicht vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen werden, ohne dass sie sich dagegen wehren könnten.

Vorraussetzung sei allerdings, räumte Baumgartner ein, dass bestimmte Ziele und Schutzbestimmungen eingehalten würden, was aber ohnehin Aufgabe der Ethik-Kommissionen sei.

Max Rubisch (Sektion Behindertenangelegenheiten des Sozialministeriums) unterstrich, das Sozialministerium halte die Biomedizin-Konvention grundsätzlich für positiv, weil einheitliche Mindeststandards für die biomedizinische Forschung geschaffen würden, seiner Ansicht nach widersprechen jedoch die Artikel 17 und 20 den in der Konvention verankerten Grundsätzen, da sie u.a. die Forschung an einwilligungsunfähigen Personen erlaubten, auch wenn kein Eigeninteresse vorliege.

Das stehe auch im Widerspruch zur österreichischen Verfassung, der zufolge niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Aus diesem Grund kommt laut Rubisch für das Sozialministerium nur dann eine Ratifikation der Konvention in Frage, wenn zuvor die in Österreich geltenden Schutzbestimmungen für einwilligungsunfähige Personen verfassungsrechtlich abgesichert würden. Ähnlich äußerte sich auch der Arzt und Patientenvertreter Hubert Hartl, ebenfalls vom Sozialministerium für das Hearing nominiert.

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