Pflegegeld auch bei Wohnsitz im Ausland

Bericht von o. Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold im GEWINN, den wir hier zitieren.

Gute Nachricht für alle, die aus klimatischen oder sonstigen Gründen ihren Lebensabend im Ausland (anderer EWR-Staat) verbringen wollen: Sie haben auch in der Fremde Anspruch auf österreichisches Pflegegeld.

Ab sofort verlieren Bezieher einer österreichischen Pension, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, nicht mehr ihren Anspruch auf Pflegegeld. Dies gilt für jene Pensionsbezieher, die schon seit längerer Zeit ihren Wohnsitz im Ausland haben, auch rückwirkend. Die dem nach nationalem Recht entgegenstehende Bestimmung des § 3 Abs. A BPGG, die den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraussetzt, ist europarechtswidrig. Dies hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-215/99 am 8. März 2001 entschieden. GEWINN-Leser sind auf dieses Urteil bereits vorbereitet.

Mehrfach wurde an dieser Stelle berichtet, daß ein entsprechendes Verfahren auf Antrag des Landesgerichts Feldkirch beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist. Zuletzt wurden die Leser davon informiert, daß der Generalanwalt Schlußanträge gestellt hat, die die Pensionisten begünstigen. Nun hat sich der Europäische Gerichtshof der Argumentation des Generalanwalts angeschlossen und ausgesprochen, daß er gegen Art. 19 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 verstößt, den Anspruch auf Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz davon abhängig zu machen, daß der Pflegebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.

Das ist natürlich für jene Pensionisten, die, aus welchen Gründen immer, bereits derzeit ihren Wohnsitz im Ausland hatten und nun entsprechende Nachzahlungen begehren werden. Betroffen sind aber auch Pensionsbezieher, die planen, ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zu verlegen und bislang davor zurückgeschreckt sind, weil der Verlust des Pflegegelds zu befürchten war.

Folgende Personengruppen können daher von dem Urteil betroffen sein:

  • Pensionisten, deren Familienangehörige im Ausland leben, und die – pflegebedürftig geworden – ihren Lebensabend in der Nähe ihrer Angehörigen verbringen wollen. Bestehen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem BPGG, nämlich eine entsprechende Pflegebedürftigkeit und ein österreichischer Pensions- oder Rentenanspruch, dann steht der Familienzusammenführung pflegegeldmäßig nichts mehr im Wege.
  • Wer schon immer in einen anderen Mitgliedstaat der EU auswandern wollte – nicht nur wegen besserer klimatischer Bedingungen, sondern allenfalls auch deswegen, weil Pflegeleistungen in anderen Mitgliedstaaten billiger sind -, kann dies nun ohne Pflegegeld-rechtliche Einbuße tun.
  • Betroffen sind aber auch ehemalige Wanderarbeitnehmer, die aus einer früher in Österreich ausgeübten Erwerbstätigkeit Anspruch auf eine österreichische Teilpension haben. Diese allenfalls schon vor langer Zeit in ihren Heimatstaat zurückgekehrten Personen, die pflegebedürftig geworden sind, können nun ungeachtet des Umstandes, daß sie nicht (mehr) in Österreich leben, vom Ausland aus einen Antrag auf österreichisches Pflegegeld stellen. Hier werden sich zwar praktische Probleme der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit ergeben, rechtlich steht aber auch diesem Personenkreis der Zugang zum österreichischen Pflegegeld offen. § 7 BPGG sieht allerdings vor, daß Geldleistungen, die nach ausländischen Vorschriften gewährt werden, auf das Pflegegeld nach dem österreichischen Bundespflegegeldsatz anzurechnen sind.

Wer Nachzahlungen verlangen kann
Nachzahlungen können nur jene Personen begehren, die bereits einen Antrag auf Pflegegeld gestellt haben. Gemäß § 9 Abs. 1 BPGG gebührt das Pflegegeld nämlich (erst) mit Beginn des auf die Antragstellung folgenden Monats. Mit Nachzahlungen können daher nur jene Pensionisten rechnen, die ungeachtet der Bestimmung des §3 Abs. 1 BPGG, wonach nur Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland Anspruch auf Pflegegeld haben, dennoch einen Antrag gestellt haben. Auch wenn dieser Antrag abgewiesen wurde, sind meines Erachtens die Anspruchsvoraussetzungen für eine Nachzahlung erfüllt, da Europarecht Anwendungsvorrang genießt. Die VO 1408/71 in der Auslegung, die jetzt der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, war nämlich aufgrund des Anwendungsvorrangs von Europarecht schon immer in Österreich anwendbar, die österreichischen Behörden hatten das bis dato nur nicht erkannt.

Damit tritt keine Rechtsänderung ein, sondern wird schon immer geltendes Recht festgestellt. Handelt es sich aber um keine Rechtsänderung, sondern lediglich um eine Feststellung des bestehenden Rechts, dann kann auch eine abschlägige Entscheidung eines Pensionsversicherungsträgers die Nachzahlung des Pflegegelds nicht vereiteln. Völlig klar ist die Rechtslage in jenen Verfahren, in denen ein Pensionist im Hinblick auf das vor dem EuGH anhängige Verfahren einen abschlägigen Bescheid vor dem Arbeits- und Sozialgericht bekämpft hatte.

Eine Reihe von Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten wurde im Hinblick auf das vor dem EuGH anhängige Verfahren unterbrochen. Diese Verfahren werden nun wohl wider aufgenommen werden, wenn die Verweigerung des Pflegegelds ausschließlich damit begründet wurde, daß der Pensionist/die Pensionistin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, dann ist mit klagsstattgebenden Urteilen nun zu rechnen.

Pech für die Regierung
Mit Sicherheit paßt das vorliegende Urteil des EuGH nicht in das sanierungspolitische Konzept der Bundesregierung. Wie bei anderen EuGH-Entscheidungen auch muß man aber darauf hinweisen, daß dieses Urteil nicht überraschend kommt. Das österreichische Bundespflegegeldgesetz wurde bewußt so konstruiert, daß der Leistungsexport möglichst vermieden wird. Dass ein integrationsfreundliches Gericht rein konstruktive Unterschiede, die die Anwendung von europäischem Sozoialrecht vermeiden sollten, durchschlagen wird, konnte sogar erwartet werden.

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17 Kommentare

  • Sehr geehrter Herr Ladstätter. Ich habe mit großem Interesse Ihren Artikel bezüglich Pflegegeld im Ausland gelesen. Ich habe die Pflegestufe 3, bin Invaliditätrentner und möchte nach Bulgarien ziehen. Bitte können Sie mir sagen ob das bei der Pensionsversicherung keine Probleme macht und wer kontrolliert den Pflegebedarf im EU Ausland ?
    Danke für Ihre Antwort. Mit freundlichen Gruß,
    Alois Stiefsohn

  • bei Nachfrage bei der österreichischen Pensionsversicherung ob ich als in Spanien lebender
    kranker Pensionist Anspruch auf Pflegegeld habe war die Antwort NEIN!
    ist das so????????

  • Guten Tag ,
    hab gestern ein Anfrage geschrieben und ich hätte so gehofft ,
    das mir jemand sagen kann , ob diese Ablehnungsbegründung
    stimmt oder nicht .
    Ich leb nun mal schon so lange in Deutschland , bin auch logischer Weise in Deutschland
    “ krankenversichert “ , es kann aus meiner Sicht nicht sein , das die Bedingung von der
    österreichischen Pflegekasse “ Pflegegeld “ zu bekommen , sich nur darauf stützt,
    das man zunächst in Österreich leben müßte und auch , das man in Österreich
    “ krankenversichert “ sein muß !!!

    Ich beziehe doch Rente aus Österreich , wenn auch wegen der Jahre nicht viel , aber immerhin , ich beziehe Rente und bin österreichische Staatsbürgerin !

    Kennt sich da jemand aus und kann mir jemand konkret sagen ,
    wie sich dieser Umstand tatsächlich verhält ?

    Für eine Antwort aus fachkundiger Sicht , wäre ich sehr dankbar .
    Vielen Dank im voraus
    LG
    Gerlinde Cloos

  • Guten Tag Hr. Ladstätter,
    ich bin österreichische Staatsbürgerin und schon 32 Jahre in Deutschland verheiratet .
    Ich beziehe seit Jahren eine Erwerbsminderungsrente aus Österreich .
    Auch in Deutschland beziehe ich selbiges .
    Da ich ziemlich ramponiert bin und auch noch viele OP´`s anstehen , ständig Begleitung
    und Unterstützung benötigte , hab ich zunächst in Deutschland ( Bayern – BGL )
    einen Pfelegegrad beantragt und diesen ( nach deutscher Bemessung ) 2. Grades auch bekommen .
    So schrieb ich der PVA und legte das Pflegegutachten hinzu , mit der Bitte ,
    sich diesem anzuschließen .
    Heute bekam ich Post von der PVA , worin sie meinen Antrag kategorisch ablehnen,
    weil ich zunächst mal nicht im Innland lebe und ihr zwetes Argument war ,
    das ich in Österreich krankenversichert sein müßte um eine Anspruch auf Pflegegeld zu haben.
    Nun bitte ich Sie , mir mitzuteilen , ob dies so stimmt , denn , so ganz glaub ich dass nicht,
    weil es sich schon aus der Sache heraus von selbst versteht , das , wenn man hier in Deutschland lebt und auch gearbeitet hat , hier auch krankenversichert ist.
    Die österreichische KV würde hier überhaupt nicht greifen !
    Trotz EU , sind diesbezüglich regelrechte Mauern aufgestellt .
    Ich kann auch nicht so einfach mit meiner deutschen KV nach Österreich , dass geht nur im Notfall wenn ich quasi dort unterwegs bin und etwas passiert.
    Also , mir erscheint deren Argumente schon ziemlich unglaubwürdig und abwimmelnd .

    Könnten Sie bitte so nett sein und mich diesbezüglich aufklären ?

    Für Ihre Mühen danke ich Ihnen im voraus
    und verbleibe
    mit freundlichen Grüßen
    Gerlinde Fabian – Cloos

  • Sehe ich das richtig?
    Meine Freundin (56, Pflegestufe 3, alleinstehend,) möchte ich bei mir aufnehmen
    in der Schweiz.
    Hat sie verbrieften Anspruch weiterhin auf das österreichische Pflegegeld. Ihre Antwort wird unsere Entscheidungen entsprechend leichter machen.
    Vielen Dank für Ihre Antwort.
    Ruedi E. Schneider

  • Wieso gilt das nur für die EU,das entspricht doch nicht dem Gleichheitsgrundsatz

  • ich lebe seit19 Jahren in Deutschland und werde von der AOK mitbetreut das pflegegelt wurde seit 19 jahen meinem Gesundheitszustand nicht angepasst. Wie kann ich eine Anpassung beantragen. meine Gesundheit hat sich deutlich verschlechter.

  • Wenn das Urteil bereits aus 2001 stammt – warum werden dann neue Pflegegeldbezieher ( mein Mann leider seit 2015) noch immer darauf hingewiesen daß man einen Auslandsaufenthalt melden müsse weil dann das Pflegegeld ruhe?? Ruht es dann auch wenn man zur ambulanten Therapie in Deutschland ist?

    • Wir(meine Frau)und ich wollen nach Griechenland.(Mietvertrag 5 jahre)
      Bekomme ich noch das Pflegegeld ?(stufe 1)
      Danke Fam.Pelikan

  • Ich verlege meinen Wohnsitz für fünf Monate von Österreich nach Deutschland, um geringfügig zu arbeiten.
    Bekomme ich dann weiterhin meine Invalidenpension und mein Pflegegeld vom Österreich. Staat gezahlt?

  • bin deutsche Staatsbürgerin, lebe zurzeit in Österreich, beziehe eine Altersrente aus Deutschland und Pflegegeld aus Österreich.
    Bei evtl. Verlegung des Wohnsitzes in ein anderes EU-Land, würde dann das Pflegegeld weiter gezahlt werden vom Österreichischen Staat, trotz Pension aus Deutschland???
    MfG Trudy

  • wohnsitz in D mit rente und pension aus Österr. trotzdem pflegevers. (freiwillig) in D. nun hat die D.kr.vers. meine kr.vers.in ö. gekündigt und mich wieder pflichtversichert in D. (ab 01.04.2002) aufgr. einer gesetzesänderung!? gibt es gründe dafür? und evtl.urteile darüber? wer bitte kann mir helfen? MfG richard